Forumsformat Versorgung

Einwurf: Medizin auf Staatsrezept?

18.09.2024 Josef Hecken 4 Min. Lesedauer

Die Entscheidungen über den Regelleistungskatalog der Krankenkassen basieren auf wissenschaftlichen Fakten. GBA-Chef Josef Hecken sieht dieses Prinzip durch aktuelle Gesetzesvorhaben bedroht.

Foto: Bunte Pillen liegen ausgekippt aus einer Dose auf einem Tisch.
Der Referentenentwurf des Gesundes-Herz-Gesetzes sieht die breitere vorbeugende Einnahme von Arzneimitteln und neue Check-ups vor.
Foto: Prof. Josef Hecken (CDU), unparteiischer Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses.
Prof. Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses

Bislang ist das Verhältnis zwischen Staat und Selbstverwaltung klar: Der Staat definiert seine gesundheitspolitischen Ziele und legt im Sozialgesetzbuch den rechtlichen Rahmen für die Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung fest. Die damit verbundenen Detailaufgaben delegiert er an die Selbstverwaltung. Doch gerade in jüngster Zeit ist über eine Reihe von Gesetzesinitiativen der politische Wille zu erkennen, „mehr Staat“ zu wagen und Regelungen an sich zu ziehen – ohne sich um Grundprinzipien des Sozialgesetzbuches zu scheren oder Leistungsentscheidungen ausreichend wissenschaftlich zu begründen.

Das bisher deutlichste Beispiel dafür ist der Referentenentwurf zum „Gesundes-Herz-Gesetz“. Dass hier auf neue Check-ups und auf die breitere vorbeugende Einnahme von Arzneimitteln gesetzt wird, ohne zuvor evidenzbasiert deren Nutzen zu prüfen, widerspricht diametral dem Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsgebot für Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung.

„Die Kooperation zwischen Politik und Selbstverwaltung muss weiterentwickelt werden.“

Prof. Josef Hecken

Unparteiischer Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses

Lassen Sie uns vom Ende her schauen, was es heißt, mehr Staat zu wagen: Politisch begründete Leistungsentscheidungen orientieren sich dann an der Finanzlage oder individuellen Vorlieben und persönlichen Ansichten. Versprechen auf neue Leistungen, egal wie medizinisch sinnvoll sie wären, könnten zum Wahlkampfgegenstand werden. Verlierer sind in einem solchen Szenario jene, die keine Stimme haben und keine Verbindung in die Politik. 

Ein solches System halte ich weder für sinnvoll, noch für erstrebenswert. Welche Leistungen in das Gesundheitssystem aufgenommen werden, muss Ergebnis eines Prozesses bleiben, bei dem alle Fakten diskutiert werden und nicht nur jene, die die eigene Meinung stützen. Die oft schwierigen Entscheidungen, die beispielsweise der Gemeinsame Bundesausschuss trifft, könnten weder durch Rechtsverordnungen des Bundesgesundheitsministeriums noch durch die Fachleute der ihm unterstellten Behörden besser und schneller erfolgen. Statt mehr Aufgaben an den Staat zu binden, ist es an der Zeit, die Kooperation zwischen Politik und Selbstverwaltung für eine gute und finanzierbare Versorgung systematisch weiterzuentwickeln.

Der Gesetzesplan von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach für bessere Herzgesundheit stößt auf ein verhaltenes Echo. Der AOK-Bundesverband betonte, die Schwerpunktsetzung des Gesetzes werfe grundsätzliche Fragen auf. Der geplante breite Einsatz von Screenings und Statinen schon bei Kindern und Jugendlichen gehe „in die völlig falsche…
18.06.20243 Min
Die Kritik am Referentenentwurf zum „Gesundes-Herz-Gesetz“ (GHG) nimmt zu. Auch der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, sieht einen Eingriff in die Kompetenzen der Selbstverwaltung. Prävention und Therapie müssten „auf wissenschaftlicher Evidenz basieren, nicht auf Vorgaben von Politik und Behörden“, kritisierte der Ärztepräsident.…
28.06.20242:30 Min

Zur Person

Prof. Josef Hecken (CDU) ist seit 2012 unparteiischer Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses, dem obersten Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im Gesundheitswesen. Zuvor bekleidete der Jurist verschiedene politische Ämter. Die Regierung des Saarlandes hat Hecken in Würdigung seiner Verdienste in Wissenschaft und Forschung den Titel Professor verliehen.

Mitwirkende des Beitrags

Beitrag kommentieren

Alle Felder sind Pflichtfelder.

Datenschutzhinweis

Ihr Beitrag wird vor der Veröffentlichung von der Redaktion auf anstößige Inhalte überprüft. Wir verarbeiten und nutzen Ihren Namen und Ihren Kommentar ausschließlich für die Anzeige Ihres Beitrags. Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht, sondern lediglich für eventuelle Rückfragen an Sie im Rahmen der Freischaltung Ihres Kommentars verwendet. Die E-Mail-Adresse wird nach 60 Tagen gelöscht und maximal vier Wochen später aus dem Backup entfernt.

Allgemeine Informationen zur Datenverarbeitung und zu Ihren Betroffenenrechten und Beschwerdemöglichkeiten finden Sie unter https://www.aok.de/pp/datenschutzrechte. Bei Fragen wenden Sie sich an den AOK-Bundesverband, Rosenthaler Str. 31, 10178 Berlin oder an unseren Datenschutzbeauftragten über das Kontaktformular.