Blickwinkel Pflege

Reformdruck in der Pflege

18.09.2024 Klaus Jacobs 2 Min. Lesedauer

Jacobs' Weg: Der Handlungsbedarf in der Pflege wächst. Aber traut jemand der Ampel zu, sich auf ein stimmiges Reformkonzept zu verständigen? Zweifel sind angebracht.

Foto: Eine jüngere Frau schiebt eine ältere Frau im Rollstuhl über eine Wiese.
Angewiesen auf Familien oder Freunde, weil immer weniger Pflegebedürftige die hohen Eigenanteile der stationären Langzeitpflege stemmen können.

Zur Jahresmitte 2024 haben die Eigenanteile der stationär Langzeitgepflegten mit einer mittleren Gesamtbelastung von monatlich 2.340 Euro erneut eine Rekordmarke erreicht. Anhaltende Kostensteigerungen haben die Wirkung der nach Wohndauer gestaffelten Leistungszuschüsse – erst 2022 eingeführt und Anfang 2024 noch einmal erhöht – schnell verpuffen lassen. Weil immer weniger Pflegebedürftige die hohen Eigenanteile stemmen können, wachsen auch die Sozialhilfeausgaben für die Hilfe zur Pflege stark. Dringender Handlungsbedarf ist unübersehbar.

Nach der Sommerpause will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach ein Reformkonzept für die Pflegefinanzierung präsentieren. Eigentlich sollte der Minister schon bis Ende Mai Empfehlungen für eine stabile und dauerhafte Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung vorlegen. Stattdessen gab es lediglich einen Bericht mit einer Fülle von „Szenarien und Stellschrauben möglicher Reformen“. Dieser Bericht sei ein Kompass für die weitere Entscheidungsfindung, hieß es großspurig.

„Das Kostenrisiko muss die Pflegeversicherung tragen.“

Prof. Dr. Klaus Jacobs

Volkswirt und ehemaliger Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO)

Foto: Porträtbild von Prof. Dr. Klaus Jacobs, Volkswirt und ehemaliger Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO)
Prof. Dr. Klaus Jacobs, Volkswirt und ehemaliger Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO)

Doch was nutzt der Ampel ein Kompass, wenn sie ihr Ziel nicht kennt? Bereits in ihrem Koalitionsvertrag stand ein Prüfauftrag für eine ergänzende, freiwillige, paritätisch finanzierte Pflege-vollversicherung. Dass so etwas nicht funktionieren kann, wissen alle, die etwas Ahnung von Versicherungsökonomik haben. Dazu zählt Karl Lauterbach leider nicht. 

Im Regierungsbericht wird bei den „Grundszenarien“ zwischen einem Teil- und einem Vollleistungssystem unterschieden. Viel relevanter als Unterscheidungsmerkmal ist aber, wer das Risiko künftiger Kostensteigerungen trägt: die Pflege-bedürftigen, die Pflegeversicherung oder – wie aktuell ohne großen Erfolg – beide zu einem bestimmten Teil. Die Vollversicherung ist der Spezialfall des Konzepts „Sockel-Spitze-Tausch“ mit einem Sockel von null Euro. Jens Spahn hatte 2020 einen Sockel von 700 Euro im Monat vorgeschlagen. Hierüber kann man reden. Entscheidend ist vor allem, dass die solidarische Pflegeversicherung leistet, was die Menschen von ihr erwarten: das Risiko steigender Pflegekosten zu tragen. Das liegt auch im Interesse der Sozialämter.

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