Haben sich die DiGA bewährt?
Vor fünf Jahren wurden per Gesetz die digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA) eingeführt. Haben sich die „Apps auf Rezept“ seitdem bewährt und können vielleicht sogar Therapien ersetzen? Wo gibt es Verbesserungspotenzial?
DiGA haben Versorgung bisher nicht spürbar verbessert
Bei den DiGA bleibt die Realität hinter den hohen Erwartungen zurück. Sie etablieren sich zwar zunehmend, schaffen es aber bisher nicht, die gesundheitliche Versorgung spürbar zu verbessern. Das zeigt sich auch an den im Vergleich zu anderen Leistungen weiterhin niedrigen Verordnungszahlen. Dazu trägt der hohe Anteil von DiGA bei, die aufgrund unklaren Nutzens zunächst nur zur Probe gelistet werden. Ungeachtet dessen werden im ersten Jahr von den Herstellern unverhältnismäßig hohe Preise aufgerufen. Das ist Wirtschaftsförderung auf Kosten der Beitragszahlenden und ein No-Go.
Damit DiGA in Zukunft die Versorgung maßgeblich verbessern, dürfen erstens ausschließlich DiGA mit einem nachgewiesenen medizinischen Nutzen aufgenommen werden. Zweitens müssen vom ersten Tag der Aufnahme der Apps in die Versorgung angemessene, am Patientennutzen orientierte Preise gelten. Und drittens muss das Digitalisierungspotenzial bei der Vernetzung über Leistungssektoren hinweg genutzt werden.
DiGA mit Risiken für Patientensicherheit verbunden
Psychotherapeutinnen und -therapeuten sind eher zögerlich bei der Verordnung von DiGA, denn bislang sind die Anforderungen an Datenschutz und Produktqualität aus unserer Sicht zu gering. So ist etwa die Bereitstellung mancher DiGA über die Stores von Google oder Apple datenschutzrechtlich ein Problem. DiGA bieten in erster Linie elektronisch aufbereitete Informationen zu Erkrankungen und Selbsthilfeanleitungen mit teils mehr oder weniger smarter Nutzung. Teils angekündigte therapieersetzende Funktionen oder übertriebene Versprechungen sind verordnungshemmend. Zudem sind sie mit Risiken für die Patientensicherheit verbunden.
Auch das „Fast-Track-Verfahren“ im Zulassungsprozess ist für Verordner ungewohnt. Sie riskieren damit, ein elektronisches Produkt zu verschreiben, das zu Beginn keine Wirksamkeit nachweisen musste. Weitere Forschung, besonders zum Einsatz von DiGA während der Wartezeit auf eine Psychotherapie, ist unbedingt notwendig.
Bewährte Evidenzkriterien über Bord geworfen
Die DiGA sind mit großen Ankündigungen und vielen Vorschusslorbeeren gestartet. Mehrere Jahre später sieht die Realität deutlich nüchterner aus. Es steht außer Frage, dass es DiGA gibt, die einen positiven Beitrag zur Versorgung leisten können. Dies rechtfertigt jedoch nicht, die bewährten Evidenzkriterien, die vor einer Aufnahme in die Regelversorgung eigentlich erfüllt werden müssen, über Bord zu werfen. Genau das geschieht jedoch.
Ein weiteres Ärgernis waren die zum Teil hohen Preise, die aufgerufen wurden. Das Prinzip der Wirtschaftlichkeit ist ein wichtiges Kriterium bei der Arbeit in den Praxen. Leider spielt es im ärztlichen Alltag häufig sogar eine zu große Rolle. Wenn ich mich als Ärztin oder Arzt auf der einen Seite wegen Ausgaben von wenigen Euro für ein nachgewiesen wirksames Medikament oder ein dringend benötigtes Hilfsmittel rechtfertigen muss, zugleich einige DiGA-Hersteller aber Mondpreise für ihre Anwendungen aufrufen dürfen, dann ist das nicht zu rechtfertigen.
Informationsdefizit hinsichtlich Anwendungsspektrum, Nutzen und Wirksamkeit
Im August waren 35 DiGA dauerhaft und 20 vorläufig in das DiGA-Verzeichnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte aufgenommen. Neun sind bereits wieder von der Liste gestrichen, weil ein positiver Versorgungseffekt nicht nachgewiesen wurde. DiGA sollen traditionelle Therapien sinnvoll unterstützen und ergänzen, so beispielsweise bei der psychischen Gesundheit, wo es bislang die meisten Apps gibt. Nach wie vor herrscht bei Verordnern sowie Patientinnen und Patienten ein Informationsdefizit hinsichtlich Anwendungsspektrum, Nutzen und Wirksamkeit der Produkte.
Künftig sollen auch digitale Medizinprodukte der Risikoklasse IIb als DiGA verordnet werden können. Für diese wird der Nachweis des medizinischen Nutzens verpflichtend, alleinige Strukturverbesserungen reichen nicht aus. Im Sinne des Patientennutzens und der Patientensicherheit sowie angesichts der vergleichsweise hohen Kosten der DiGA für die Beitragszahlerinnen und -zahler ist dies auch zwingend erforderlich.
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