Blickwinkel Gesundheitssystem

Kommentar: Schwache Halbzeitbilanz

23.10.2023 Christian Geinitz 3 Min. Lesedauer

Karl Lauterbach scheitert immer mehr an der Realität und den Grenzen der Ampel-Koalition. Ein Kommentar von Dr. Christian Geinitz.

Symbolbild einer Stoppuhr mit medizinischen Symbolen und einem Stethoskop im Hintergrund
Bei Gesundheitsreformen sind die Spielräume oft eng.

In der ersten Hälfte seiner Amtszeit hat Karl Lauterbach (SPD) viel versprochen. Zum Beispiel, keine Leistungen zu kürzen und dennoch Effizienzgewinne zu heben. Zunächst vermied es der Gesundheitsminister, seinen Vorgänger Jens Spahn (CDU) für Versäumnisse in der Coronapolitik und anderen Fragen anzugreifen.

Lauterbach macht schon lange Gesundheitspolitik

Jetzt, wo Lauterbach in vielen Feldern nicht vorankommt, schiebt er die Verantwortung doch ab: Weil zehn Jahre lang nichts passiert sei, müsse er viele Gesetze nachholen, zu Lieferengpässen etwa, zur Digitalisierung, Klinikreform oder Notfallversorgung. Doch Lauterbach gestaltet die Gesundheitspolitik seit langem mit. Unter Ulla Schmidt (SPD) ersann er vor 20 Jahren die elektronische Patientenakte – ohne Erfolg. Jetzt feiert er sich für deren Einführung 2024. Spahns Terminservice- und Versorgungsgesetz hat er wortreich vorangetrieben, ließ aber die Neupatientenregelung streichen, um Geld zu sparen. Ärzte und Kranke sehen darin Leistungseinbußen.

„Auch diese Reformen werden am Ende verwässert sein.

Dr. Christian Geinitz

Wirtschaftskorrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

Koalitionspartner oder Lobbyisten können querschießen

Porträt von Dr. Christian Geinitz, Wirtschaftskorrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung
Dr. Christian Geinitz, Wirtschaftskorrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung

Wie einst Spahn, so erfährt jetzt Lauterbach, wie eng die Spielräume sind, wenn der Koalitionspartner oder die Lobbyisten querschießen. In der Klinikreform haben die Länder die sinnvolle Level-Einteilung hintertrieben. Auch an den Leistungsgruppen zur Steigerung der Versorgungsqualität gab es Abstriche. Die Idee, Fall- durch Vorhaltepauschalen zu ersetzen, ist richtig, schießt aber übers Ziel hinaus. Ein Gutachten ergab, dass Zahlungen für das bloße Bereithalten von Kapazitäten zu weniger Vorsorge, weniger ambulanten Behandlungen und OPs führen könnten: Das Honorar fließt ja trotzdem.

Es war und ist voreilig von Lauterbach, Dinge zu versprechen, die er weder halten noch bezahlen kann. Seine Reformen werden genauso verwässert wie die seiner Vorgänger. Vermutlich wird sein Nachfolger ihm ebenfalls Saumseligkeit vorwerfen. Wenn Lauterbach scheitert, kann er das jedenfalls nicht der Vorgängerregierung anlasten.

Foto von aufsteigenden Münzstapeln in einem Stethoskop, das auf einem Tisch liegt. Darin befindet sich auch ein kleines rotes Herzmodell.
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