In Kommunen kann Gesundheit wachsen
Sichere Rad- und Fußwege, saubere Luft, ausgedehnte Grünzüge, ruhige Wohnquartiere: Die Kommunen haben viel zur Gesundheit der Bevölkerung beizutragen. Dafür müssen sie Strukturen und politisches Handeln so verändern, dass die Widerstandskraft gegen Krisen zunimmt.
Der deutsche Staat investiert viel Geld, um die Bevölkerung im Krankheitsfall zu versorgen. Dennoch sterben Menschen in Deutschland jünger und verbringen die Jahre nach dem 65. Lebensjahr bis zu ihrem Tod auch kränker als alte Menschen in vielen europäischen Staaten. Domantas Jasilionis vom Max-Planck-Institut für Demografische Forschung und Kollegen vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung, die die Überlebensdaten europäischer und außereuropäischer Staaten ausgewertet haben, machen für das mäßig gute Abschneiden die hohe Inzidenz der kardio-vaskulären Sterblichkeit verantwortlich. In Deutschland treten Herz-Kreislauferkrankungen also vergleichsweise häufig auf. Für Jasilionis und seine Coautorinnen und -autoren sind unzureichende Leistungen in der Primärversorgung und der Prävention ursächlich für die erhöhten Erkrankungsraten und das vorzeitige Versterben.
Aber auch in der Prävention betreibt Deutschland einen erheblichen finanziellen Aufwand. Vor allem die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) ist in diesem Bereich engagiert. Die Krankenkassen wollen Menschen motivieren und befähigen, ihre individuelle Resilienz zu stärken. Die Versicherten sollen ihr Verhalten ändern, beispielsweise nicht rauchen, sich mehr bewegen, ausgewogen ernähren und Stress nicht mit Alkohol bewältigen, um so Erkrankungsrisiken zu minimieren.
Die Angebote konzentrieren sich auch dort meistens auf das individuelle Verhalten, wo präventive und gesundheitsförderliche Handlungsfelder in einem Setting, beispielsweise in einem Betrieb, einem Kindergarten oder in einer Schule, bearbeitet werden. Strukturelle Entwicklungen eines Settings, also gesundheitsförderliche „Umbauten“ der Lebens- und Arbeitsbedingungen sind seltener Gegenstand von Präventionsmaßnahmen.
„5,9 Millionen Menschen haben im Jahr 2021 an Präventionsangeboten der Krankenkassen in Lebenswelten teilgenommen.“
Gesundes Verhalten erleichtern
Die Ausrichtung von Prävention und Gesundheitsförderung auf das individuelle Verhalten hat die Anzahl der krank verbrachten Lebensjahre und das vorzeitige Versterben nicht wie erhofft gemindert. Ernüchterung stellt sich auch ein, wenn man feststellt, dass die Prävalenz kardio-metabolischer Risiken wie Adipositas, Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen seit Jahren bereits in der jüngeren Bevölkerung steigt, dass wieder mehr Jugendliche rauchen und die Zahl an Hautkrebserkrankungen angestiegen ist, obgleich immer wieder vor der Gefahr intensiven Sonnenbadens gewarnt wird. Appelle an die Vernunft tragen offenbar nicht lang genug und sind weniger wirksam, als es wünschenswert wäre. Lebensstiländerungen sind oft nur von kurzer Dauer, bevor dann im Alltagstrott das eingeübte Muster der Gewohnheiten wieder die Oberhand gewinnt.
Das Bemühen, die gesundheitliche Lage der Bevölkerung zu verbessern muss daher den Bedingungen gelten, die es dem Individuum ermöglichen, sich gesund zu verhalten und die ihm das leicht machen oder es ihm sogar nahelegen. Aufgabe von Prävention und Gesundheitsförderung ist beides, sowohl die individuelle als auch die Resilienz des Systems zu stärken. Eine systemische Perspektive der Prävention und Gesundheitsförderung zielt darauf ab, Lebenswelten (Kommunen: Städte, Gemeinden, Landkreise) gesund zu entwickeln, indem sie das Entscheidungsverhalten und damit das gesundheitsermöglichende Verhalten der politischen und verwaltenden Akteurinnen und Akteure adressiert. Politik und Verwaltung schaffen, erweitern oder engen Möglichkeitsräume für ein individuelles Verhalten ein, das geeignet ist, die Risiken kardio-metabolischer, aber auch psychischer Erkrankungen zu senken. Möglichkeitsräume wie beispielsweise Radwege, saubere Luft oder Schutz vor Hitze bieten individuelle Verwirklichungschancen für Gesundheit und Wohlbefinden.
„Appelle an die Vernunft sind weniger wirksam, als es wünschenswert wäre.“
Krisen bedrohen das Gemeinwesen
Mit Resilienz ist das Ziel angesprochen, gesellschaftliche Bedingungen transformativ zu wenden, wie es Uwe Schneidewind in seinem Buch „Die große Transformation“ schreibt. Mit den transformativen Wenden soll die Zukunft des Gemeinwesens gesichert werden. Die ist durch gleichzeitige und multiple Herausforderungen bedroht. Dazu gehören die Klimakrise, der demografische Wandel, Viruserkrankungen, Fluchtbewegungen infolge von Hitze und Dürre oder kriegerischer Auseinandersetzungen, Energiekrisen, Verringerung der Artenvielfalt und Bodenerosion. In ihren Konsequenzen betreffen die Herausforderungen die Bevölkerungsgesundheit. Ungelöst verstellen die Auswirkungen Möglichkeitsräume, um sich gesund zu verhalten. Die mentale, seelische und körperliche Gesundheit des Einzelnen wird bedroht und das Gemeinwesen fragil, wenn transformative Wenden, wie die Mobilitäts-, Ressourcen-, Klima-, Energie-, Ernährungswende, urbane und industrielle Wende, misslingen.
Resilienz wird in der politischen und gesellschaftlichen Debatte unscharf verwendet und auch selten als Ziel eines policy-basierten Ansatzes der Prävention und Gesundheitsförderung benutzt. Als psychologisches Konzept ist Resilienz die Fähigkeit eines Individuums, seine mentale und emotionale Gesundheit nach einem inneren oder äußeren Schock wiederzuerlangen und/oder einer Krise robust zu widerstehen. Dieses Resilienz-Konzept ist statisch. Um zu erklären, wie policy-basierte Prävention und Gesundheitsförderung Möglichkeitsräume für gesundes Verhalten öffnen können, braucht es das Verständnis einer dynamischen Resilienz.
„247 Millionen Euro haben die Krankenkassen 2021 für die betriebliche Gesundheitsförderung ausgegeben.“
Möglichkeitsräume schaffen
Für natürliche Systeme (Pflanzen, Tiere) sind Veränderungen immanent herausfordernd. Der Ökologe Crawford Stanley „Buzz“ Holling nannte das Ziel, das natürliche Systeme instinktiv anstreben, ökologische Resilienz. Kehren sie immer nur zum ursprünglichen Zustand zurück, erlahmt mit der Zeit ihre Widerstandsfähigkeit. Sie passen sich den Gegebenheiten aber offenbar über lange Zeit an. Sie streben nach einem dynamischen Gleichgewicht, indem sie sich auch strukturell verändern, um ihre Funktionsfähigkeit(en) aufrechtzuerhalten.
Felix Beer und Stephan Rammler vom Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung sprechen mit Bezug auf soziale Systeme von der transformativen Resilienz. Sie definieren sie als Fähigkeit eines Gemeinwesens, seine Entwicklung nachhaltig voranzutreiben, indem robuste Strukturen und flexible Prozesse aufgebaut werden. Die ökologische oder transformative Resilienz ist ein passendes Leitbild einer policy-basierten Prävention und Gesundheitsförderung, die auf eine nachhaltige Entwicklung von Lebenswelten wie Kommunen zielt.
Statt auf Herausforderungen der Bevölkerungsgesundheit mit mehr Geld und mehr Programmen einer individuellen Risikoprävention zu antworten, sollte stärker darauf hingewirkt werden, kommunale Strukturen und den sozialen Zusammenhalt über policy-basierte Strategien zu adressieren. Kommunalpolitik und Verwaltung sollten motiviert und befähigt werden, Möglichkeitsräume zu schaffen, die Bürgerinnen und Bürger für gesundheitsrelevante Verwirklichungschancen nutzen können.
Wenn die politischen Akteurinnen und Akteure zu gesundheitsermöglichendem Verhalten motiviert und ertüchtigt werden, erleichtern sie den Bürgern individuelles Gesundheitsverhalten. Mit Blick auf das Verhalten der einen wie der anderen Gruppe ist die Trennung von Verhältnis- und Verhaltensprävention nicht mehr passend.
„Möglichkeitsräume wie beispielsweise Radwege, saubere Luft oder Schutz vor Hitze bieten individuelle Verwirklichungschancen für Gesundheit und Wohlbefinden.“
Umgang mit Komplexität üben
Mit den folgenden acht Dimensionen öffnen sich Möglichkeitsräume für gesundes Verhalten: Antifragilität, Robustheit, Intersektoralität, Adaptation und Mitigation, Lern-Ritualisierung, Partizipation, Nachhaltigkeit und datenbasierte kommunale Steuerung. Sie betreffen die Strukturen, die kommunalen Entscheidungs- und Umsetzungsprozesse und die Art und Weise, wie Politik und Verwaltung mit den Bürgerinnen und Bürgern umgehen.
Akteure in Politik und Verwaltung müssen ebenso wie die Bürger mit Unsicherheit leben und mit Komplexität umgehen lernen. Nassim Nikolas Taleb hat mit dem vom ihm in die Debatte um die Zukunftsfähigkeit sozialer Systeme eingeführten Begriff Antifragilität nahegelegt zu akzeptieren, dass jederzeit ein „schwarzer Schwan“ erscheinen kann, „alles immer auch noch viel schlimmer kommen kann“. Taleb hat davon abgeraten, Zukunftspläne zu schmieden, um sich mit standardisierten Operationen (SOP) gegen vermeintlich kalkulierbare Ereignisse zu wappnen. SOP sind für eindeutig vorhersehbare Situationen angemessen, aber kaum geeignete Antworten für komplizierte Verhältnisse. Sie taugen schon gar nicht für komplexe Situationen. Sie machen Sozialsysteme von starren Plänen abhängig und dadurch fragil.
Bei den großen gesellschaftlichen Herausforderungen sind Kipp-Punkte, ab denen es kein Zurück mehr in eine „heilere Welt“ gibt, wahrscheinlich. Kommunen sollten im politischen Handeln „schwarze Schwäne“ (Pandemien, länger andauernde Hitzewellen) antizipieren und sich wappnen, indem sie den Umgang mit Komplexität einüben. Sie müssen sich methodisches Wissen aneignen, das vielfältige Sichtweisen und Meinungen zulässt, wie Krisen zu beurteilen und zu bewältigen sind. Sie brauchen dazu passende Strukturen und Formate wie beispielsweise Bürgerbeteiligungen.
Resilienz als Querschnittsaufgabe
Krisen können gewohnte Strukturen und den Zusammenhalt in der Bevölkerung bedrohen. Selbst grundlegende Elemente der kommunalen Steuerung und Daseinsvorsorge geraten durcheinander, wenn unvorhergesehene Dinge plötzlich über eine Kommune hereinbrechen und SOP versagen. Neben Antifragilität gewährleistet Redundanz der kommunalen Strukturen eine robuste Aufstellung in Krisen. Redundanz ist nicht zu realisieren, indem alle kommunalen Steuerungsinstanzen personell doppelt und dreifach besetzt werden. Eine Lösung ist vielmehr die Intersektoralität.
Ökologische Resilienz ist ein Ziel, das nicht nur von einer oder von wenigen kommunalen Einheiten verantwortet wird. Als Ziel definiert ökologische Resilienz eine Querschnittsaufgabe, die über verschiedene Politikfelder hinweg und damit auch in der Verantwortung verschiedener Akteursgruppen zu lösen ist (Health in all Policies). Entscheidungen beispielsweise über die Straßen- und Wegeführung, die Dichte einer Bebauung oder die Energieversorgung sollten nicht nur auf ihre Umweltverträglichkeit geprüft werden. Der Blick durch eine „Gesundheitslinse“ hilft, Folgen für die Bevölkerungsgesundheit vorab zu bewerten. Gesundheit in allen Politikfeldern mitzudenken, verlangt nach einer koordinierenden Steuerungsfunktion in der Gemeinde (Health in all Governance). Die sollte so in den Beratungs- und Abstimmungsroutinen verankert sein, dass sie auch fachfremde Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anderer Ressorts auf die Folgen von Entscheidungen für die Bevölkerungsgesundheit hinweisen kann.
Für ein neu ausgewiesenes Baugebiet würde dann möglicherweise eine naturnahe Gartengestaltung verlangt und Gründächer würden vorgeschrieben. Für Abstellplätze könnte ein Belag angeordnet werden, der Oberflächenwasser versickern lässt. Für den Verkehr um und durch das neue Quartier würden auch und vor allem mögliche gesundheitliche Konsequenzen für die Bevölkerung berücksichtigt. Das Verbot von Schottergärten könnte zum Erhalt der Artenvielfalt beitragen. Ein hoher Bepflanzungsanteil mit Bäumen und Büschen sowie Trinkwasserbrunnen könnten gesundheitliche Konsequenzen sommerlicher Hitzeperioden abmildern.
Bürgerkommune als Leitbild
Eine Antwort auf gesundheitliche Herausforderungen ist die individuelle Anpassung. Eine policy-basierte Gesundheitsförderung will zusätzlich die Bewältigungskapazitäten einer Kommune stärken, statt darauf zu drängen, die Folgen bereits eingetretener Risiken durch Anpassung des individuellen Verhaltens zu minimieren. Eine pro-aktive Antwort ist Mitigation (Milderung, Abschwächung). Dazu gehören Stadtentwicklungskonzepte, die den fossil angetriebenen Individualverkehr einschränken, oder bauliche Maßnahmen, die Hitze reduzieren. Auch ein Rauchverbot auf öffentlichen Plätzen oder die Entscheidung, landwirtschaftliche Nutzflächen nur an diejeinigen zu verpachten, die eine bodenerhaltende Bewirtschaftung garantieren, wirken mitigierend.
Kommunen haben Pflichten in der Daseinsvorsorge. Ihnen obliegen damit der Schutz und die Förderung der Bevölkerungsgesundheit. Zielführend ist es, lokales Wissen und lokale Fähigkeiten zu stärken, um aus vergangenen Situationen zu lernen und unter komplexen Bedingungen schnell und angemessen zu handeln. Antworten auf komplexe Herausforderungen gelingen über emergente Praxen (Strategien, die spontane Veränderungsprozesse in Gang setzen). Diese schöpfen aus Erfahrungen, die sich in vielen Köpfen manifestieren. Systemisches Lernen wird möglich, wenn Bürgerinnen und Bürger an Entscheidungen beteiligt werden. Mehr Perspektiven ergeben mehr Lösungsvarianten. Auch sind Fehler oft lehrreicher als vergangene Erfolge. Perspektiven, Fehler und Erfolge sollten dokumentiert und de-personalisiert werden.
Für Fehlerbereitschaft braucht es eine Haltung, die das zulässt; für die Dokumentation von Wissen ein Repositorium und für Bürgerbeteiligung Formate, die viele Meinungen sammeln. Kommunen leben durch die Gemeinschaft. In den Gesundheitswissenschaften gilt, man solle „Betroffene zu Beteiligten“ machen, um Prävention und Gesundheitsförderung wirksam zu konzipieren und zu steuern. Bürgerinnen und Bürger sollten zu gleichberechtigten politischen Partnern werden, die das Gemeinwesen mit Einstellungen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Wissen und Können mitgestalten. Leitbild könnte die Bürgerkommune sein. Die Bürgerbeteiligung trägt zum sozialen Frieden in der Kommune bei. Sie motiviert und stärkt das Sozialkapital. Das dient der Bevölkerungsgesundheit.
„7,34 Euro pro Versicherten gaben die Krankenkassen im Jahr 2021 in den drei Feldern der Prävention insgesamt aus.“
Datenbasierte Steuerung
Nachhaltigkeit ist neben Resilienz ein weiterer undeutlicher Begriff, weil er zunächst einmal nur einen Zeitbezug markiert: Etwas ist nachhaltig, wenn es längere Zeit fortbesteht. In der Debatte, wie sich die bestehenden gesellschaftlichen Herausforderungen lösen lassen, ist der Begriff zusätzlich mit der Bedeutung vom „gerechten Handeln“ aufgeladen. Die kommunalen Lebensbedingungen sollten so gestaltet werden, dass Ressourcen auch den nachfolgenden Generationen noch Handlungsspielräume belassen, um sich gesund zu verhalten.
Kommunales Handeln muss dem Gemeinwohl jetziger und zukünftiger Generationen dienen. Wir pflegen in den modernen Gesellschaften stattdessen eine Lebensweise, die planetare Grenzen, ab denen es ein Zurück zu gesundheitsförderlichen Umwelten nicht mehr gibt, bereits an verschiedenen Stellen überschreitet. Davor hat neben anderen der Wissenschaftliche Beirat Globaler Umweltveränderungen schon im vergangenen Jahrzehnt gewarnt.
Die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen und die Verlautbarungen von Initiativen wie Planetare Gesundheit, GeoHealth, One Health und EcoHealth, zusammengefasst in der Canmore Deklaration (siehe Lesetipps), geben die Richtung für nachhaltiges kommunales Handeln vor.
Der Managementgrundsatz „was Du nicht misst, kannst Du nicht steuern“ gilt auch für die Entwicklung zur resilienten Kommune. Zu Beginn des kommunalen Entwicklungsprozesses sollte eine Bestandsaufnahme stehen. Welche Stärken, welche Bedarfe sind in der Kommune vorhanden, welche Bedürfnisse artikulieren die Bürgerinnen und Bürger und welche sollten befriedigt werden? Das zu erfassen und in einen kommunalen Gesundheitsbericht zu überführen, ist aufwendig. Daten liegen oft nur analog vor, sind weder auf Knopfdruck abrufbar noch zentral gespeichert. Um einen Bericht zu erstellen, benötigen vor allem kleinere Kommunen methodische und statistisch-analytische Hilfe von außen. Leisten könnten einen initialen Gesundheitsbericht eine Krankenkasse oder der Öffentliche Gesundheitsdienst. Dazu benötigten aber auch sie analytisch-statistische Expertise.
Lesetipps
Jens Bucksch, Wolfgang Schlicht: Kommunale Gesundheitsförderung. Ein Debattenanstoß zu einer policy-orientierten Transformation der Kommune zur ökologischen Resilienz. Heidelberg: Springer, 2023.
Uwe Schneidewind: Die große Transformation. Eine Einführung in die Kunst gesellschaftlichen Wandels. Fischer-Verlag, Frankfurt/Main, 2018.
Kassen muten sich Neues zu
Die GKV ist legitimiert, Gelder ihrer Versicherten für präventive und gesundheitsförderliche Maßnahmen zu investieren. In einem Leitfaden haben sich die Krankenkassen auf Handlungsziele und Qualitätskriterien ihrer Angebote verständigt (siehe Webtipps). In der aktuellen Fassung stehen die Handlungsfelder Bewegung, Ernährung, Suchtprävention und Stressbewältigung nach wie vor und zu Recht im Angebotsportfolio. Sie zielen darauf, die individuelle Resilienz zu stärken.
Zusätzlich wurden Aufgaben und Zielsetzungen in der kommunalen Gesundheitsförderung in den Leitfaden aufgenommen. Mit der erweiterten Ausrichtung auf die kommunale Gesundheit muten sich die Kassen Neues zu. Sie wollen Städte unterstützen, sich gesund zu entwickeln. Sie lassen mit dem Hinweis auf die kommunale Steuerung und Vernetzung einen policy-basierten Ansatz der Prävention und Gesundheitsförderung erkennen. Das ruft nach einer Personalauswahl und -entwicklung mit Kompetenzen, die über die Kenntnisse in den typischen Handlungsfeldern des GKV-Leitfadens hinausgehen.
Für einen policy-basierten Ansatz mit dem Ziel der ökologischen Resilienz wären unter anderem Expertinnen und Experten aus der Politikwissenschaft, Stadt- und Landschaftsplanung, Verkehrs- und Raumplanung sowie der Gesundheitswissenschaften mit fachlich-koordinierender Aufgabe zusätzlich zu beispielsweise denen aus den Sport- und Ernährungswissenschaften oder der Psychologie passend. Die bestehenden Teams sollten sich einschlägig weiterbilden. Gefordert ist Wissen darüber, wie sozial-ökologische Systeme funktionieren, welche Veränderungsziele vor dem Hintergrund rechtlicher Vorgaben und lokaler Theorien und Mentalitäten machbar sind und wie Kommunen ökologisch-resilient oder transformativ-resilient verändert werden können.
Darüber hinaus bleibt das Diktum der Weltgesundheitsorganisation richtig, dass Gesundheit eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Damit ist also auch die politische Kommune verpflichtet und verantwortlich, einem policy-basierten Ansatz den Weg zu ebnen. Der erste Schritt wäre, die ökologische oder transformative Resilienz in das jeweilige kommunale Leitbild aufzunehmen und eine Steuerungsinstanz personell so zu verankern, dass Health in all Policies und Health in all Governance routiniert praktiziert werden können.
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