Artikel Versorgung

Mehr Durchblick bei der Klinikqualität

17.11.2023 Jürgen Malzahn, Sonja Milde, Marjana Mai 10 Min. Lesedauer

Ob operativer Eingriff oder eine andere notwendige Behandlung im Krankenhaus – welche Klinik welche Leistungen in welcher Qualität bietet, ist für Patienten und einweisende Praxen kaum zu durchschauen. Deshalb hat die Politik dieses Thema zu Recht auf ihre Agenda gesetzt.

Illustration eines älteren Herren mit Krücke, der sich von einer Ärztin anhand eines großen digitalen Bildschirms beraten lässt
Wohin zur OP? Ärztinnen und Ärzte sollten Qualitätsdaten der Kliniken einordnen können.

Der nach dem kürzlich vom Bundestag verabschiedeten Krankenhaus-Trans­parenzgesetz geplante „Klinik-Atlas“ soll die Qualität der Krankenhäuser durchschaubarer machen und die indivi­duelle Entscheidung der Patientinnen und Patienten stärken. Dieses vom Bundesgesundheitsministerium ab Mai 2024 veröffentlichte interaktive Transparenz­verzeichnis soll Fallzahlen von Leistungen differenziert nach Leistungsgruppen, das vorgehaltene ärztliche und pflegerische Personal sowie Kom­plikationsraten für ausgewählte Eingriffe beinhalten. Dafür müssen laut Gesetz die Krankenhäuser die notwendigen Angaben an das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) übermitteln. Die Aufbereitung der Daten erfolgt dann durch das Institut für Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTIG).
 
Das Gesetzesvorhaben setzt auf einer Vielzahl von bereits bestehenden Regelungen auf. Besonders wichtig ist der Bundesregierung, dass Krankenhäusern Versorgungsstufen (Level) zugeordnet werden und die Verteilung von Leistungsgruppen auf die einzelnen Standorte transparent wird.

Kritik kommt aus den Ländern

Kritiker des Vorhabens wie die Bundesländer sehen in dem geplanten Transparenzverzeichnis einen Versuch, die Leveleinstufung der Kliniken zu reaktivieren, die in der geplanten Krankenhausreform inzwischen nicht mehr vorgesehen ist. Aus Sicht der Länder gibt es bereits eine Vielzahl guter Informationsportale, sodass ein weiteres Portal völlig überflüssig ist.

Informationen gibt es zuhauf

Illustration eines Mannes, der eine große Glasfront putzt. Hinter der schmutzigen Scheibe wird ein Krankenhaus sichtbar.
Freie Sicht auf die Klinikqualität will der Gesetzgeber im Zuge der Krankenhausreform herstellen.

Dass es viele Informationen zur Qualität von Kliniken gibt, ist unstrittig: Gesetzlich verpflichtende Qualitätsberichte, Strukturvorgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses, Mindestmengen, Qualitätszertifikate, Ergebnisse von Patientenbefragungen, routinedatenbasierte Auswertungen und weitere Qualitätsinformationen liegen vor. Richtig ist allerdings auch, dass diese vielen Qualitätsinformationen in der bisher vorliegenden Form von Patientinnen und Patienten nicht gut bewertet werden können. Auch Fachleute haben oftmals keinen umfassenden Überblick.

Viele Informationen über die Qualität von Krankenhäusern basieren auf Verfahren des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA), von denen hier nur eine kleine Auswahl näher erläutert wird.

  • Richtlinien zur Strukturqualität:

Strukturrichtlinien des GBA legen für bestimmte Patientengruppen und meist hochkomplexe Versorgungsbereiche Voraussetzungen für die Organisation, die Infrastruktur sowie die personelle Ausstattung fest, um qualitätsgesicherte Leistungen zu erbringen.

  • Mindestmengen:

Mindestmengen definieren für komplexe Eingriffe eine Mindestanzahl an zu erbringenden Leistungen. Risikoreiche und komplexe Eingriffe sollen nur von Kliniken erbracht werden, die ausreichend Erfahrung vorweisen. Bei jenen Leistungen, für die Mindestmengen gelten, liegen wissenschaftliche Be­lege dafür vor, dass die Qualität der Eingriffe steigt, wenn Krankenhäuser diese häufiger durchführen. Die AOK veröffentlicht seit 2020 in der sogenannten Mindestmengen-Transparenzkarte einen bundesweiten Überblick über alle Kliniken, die Mindestmengen-relevante Operationen mit besonders hohen Risiken durchführen dürfen (siehe: Weiterführende Links). In der AOK-Krankenhaussuche werden Versicherten auch nur die Kliniken angeboten, die die Mindestmengenregelung für die geplante Behandlung erfüllen.

  • Strukturierte Qualitätsberichte:

Krankenkassen sind dazu verpflichtet in ihren Internetportalen jährlich standortbezogene strukturierte Qualitätsberichte der Krankenhäuser zu veröffentlichen. Diese umfassen sämtliche As­pekte der Qualitätssicherung: Struktur-, Prozess-, Er­gebnis- und punktuell sogar Indikationsqualität. In den Berichten sind neben Struktur- und Leistungsdaten 411 Qualitätsindikatoren und Trans­parenzkennzahlen in 15 Leistungsbereichen erfasst. Im Leistungsbereich Lungenentzündung beispielsweise ist der Indikator „Der Sauerstoffgehalt im Blut wurde möglichst früh nach Aufnahme in das Krankenhaus gemessen“ ausgewiesen – für Laien kaum verständlich.

Krankenhäuser können bei auffälligen Werten einem Fachgremium eine Stellungnahme zukommen lassen, um Auffälligkeiten zu erklären. Qualitätsdefizite werden allerdings kaum sichtbar, auch weil die Qualitätsmessung überwiegend auf den reinen Krankenhausaufenthalt beschränkt ist. Dies jedoch wird der ständig abnehmenden Krankenhausverweildauer nicht gerecht.

Befragung: Große Wissenslücken bei Patienten

Tortendiagramm zur Frage: Wissen Sie, wo Sie sich über die Behandlungsqualität einzelner Krankenhäuser gezielt informieren können? Rund 62 Prozent der 5.000 befragten Menschen ab 18 Jahren wissen nicht, wo sie sich über die Behandlungsqualität von Krankenhäusern gezielt informieren können.
Quelle: Civey-Befragung Oktober 2023

Darüber hinaus gibt es Initiativen von Akteuren im Gesundheitswesen. Zertifikate von Fachgesellschaften sind meist auf den Internet­seiten der Krankenhäuser zu finden. Da aber die mit der Zertifizierung nachgewiesenen Kriterien und deren Evidenz zu unterschiedlich sind, lässt sich daraus die Qualität nicht ohne Weiteres ableiten. Daher benötigen Patientinnen und Patienten verlässliche Quellen, die den Zertifikaten die „fachliche Güte“ attestieren.
 
Für das Zertifizierungsverfahren der Deutschen Krebsgesellschaft hat das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) in Zusammenarbeit mit einigen klinischen Krebsregistern und weiteren Partnern beispielsweise nachgewiesen, dass Krankenhäuser, die diese Verfahren durchlaufen, eine geringere Sterblichkeitsrate haben als nicht zertifizierte Einrichtungen (siehe: Weiterführende Links, Schoffer).
 
Mittlerweile rückt auch die Bewertung durch Patientinnen und Patienten verstärkt in den Fokus. Doch Patientenbefragungen, die den Behandlungserfolg aus Sicht der Patientinnen und Patienten strukturiert abbilden, sogenannte Patient Reported Outcome Measures (PROMs) und Patient Reported Experience Measures (PREMs), finden bisher in der öffentlichen Qualitätsberichterstattung kaum Anwendung. Ein Umsetzungshemmnis für Patientenbefragungen ist der hohe Aufwand der Datenerfassung. Auch sind sie wegen der datenschutzrechtlichen Anforderungen nur eingeschränkt möglich.

„Wissenschaftlich ist belegt, dass Mindestmengen zu besseren Behandlungsergebnissen führen.“

Mit Routinedaten Qualität gemessen

Die AOK-Gemeinschaft hat ihren Schwerpunkt auf die Ergebnisqualität gelegt. Das WIdO ermittelt für 13 planbare Leistungsbereiche, wie erfolgreich Kliniken arbeiten. Mit dem QSR-Verfahren (Qualitätssicherung mit Routinedaten) wird auf Basis der AOK-Abr­echnungsdaten ausgewiesen, wie häufig unerwünschte Folgeereignisse oder Komplikationen auftreten. Die Ergebnisse werden in der AOK-Krankenhaussuche veröffentlicht. Über die Anzahl der angezeigten Lebensbäume wird sichtbar, ob ein Krankenhaus eine überdurchschnittliche, durchschnittliche oder unterdurchschnittliche Qualität aufweist (siehe: Weiterführende Links, Qualitätssicherung mit Routinedaten).

Qualitätsmessung weiterentwickeln

Insgesamt zeigen die Beispiele: Informationen zur Qualität von Kliniken gibt es zuhauf. Doch die Instrumente messen unterschiedliche Qualitätsaspekte und folgen keinem Gesamtkonzept. Daher ist die Qualitätsmessung systematisch weiterzuentwickeln, um die optimalen Voraussetzungen für eine Behandlung zu identifizieren und dann auch durchzusetzen. Denn Patienten und Ärzte müssen sich darauf verlassen können, dass Kliniken die qualitätsrelevanten Struktur- und Prozessanforderungen erfüllen. Daher ist der Ansatz, der in den aktuellen Eckpunkten der Ampelregierung formuliert ist, richtig: Ein Krankenhaus darf Leistungen nur dann erbringen, wenn es definierte Qualitätskriterien erfüllt.

Für eine informierte Wahlentscheidung benötigen Patientinnen und Patienten sowie einweisende Ärztinnen und Ärzte darüber hinaus weitere Informationen. So interessiert Patientinnen und Patienten, ob die Notwendigkeit einer Behandlung oder Operation sorgfältig geprüft wird. Auch wollen sie wissen, ob das Entlassmanagement funktioniert, damit eine notwendige Medikation zumindest für die ersten Tage nach ihrer Entlassung gesichert ist. Vor allem wollen sie sich darüber informieren können, wie gut die langfristigen Behandlungsergebnisse einer Einrichtung sind.
 
All diese für die Krankenhauswahl relevanten Informationen liegen bislang nur teilweise vor. Hier ist Entwicklungsarbeit nötig. Um künftig aufwandsarm weitere Qualitätsinformationen zu gewinnen, sollten existierende Datenflüsse besser genutzt beziehungsweise nutzbar gemacht werden.

Informationen müssen verständlich sein

Illustration einer Hand mit Spielkarten, die ein Krankenhausquartett abbilden
Informierte Entscheidung: Eine transparente Qualitätsdarstellung erleichtert die Kliniksuche.

Dass der Informationsbedarf der Bevölkerung zur Behandlungsqualität groß ist, belegen Studien. So hat beispielsweise jüngst die von der AOK in Auftrag ­gegebene Civey-Befragung von 5.000 Menschen ab 18 Jahren ergeben, dass circa zwei Drittel nicht wissen, wie sie sich gezielt über die Behandlungsqualität von Krankenhäusern informieren können (siehe Grafik „Befragung: Große Wissenslücken bei Patienten“). Gleichzeitig fordern fast 90 Prozent der Befragten mehr und leichter verständliche Informationen über die Behandlungsqualität der Krankenhäuser (siehe Grafik: „Befragung: Patienten wollen leichter an Informationen kommen“).

Zugleich machen Analysen deutlich: Bei der Krankenhauswahl und -einweisung spielen digital verfügbare Informationen bisher nur eine untergeordnete Rolle – obwohl das Internet für eine Mehrheit der Bevölkerung eine wichtige Informationsquelle ist. So hat beispiels­weise eine Befragung des Bundesverbandes Verbraucherzentrale im April 2023 ergeben, dass über ein Drittel der Befragten aktuell oder zukünftig medizinisches Personal oder medizinische Einrichtungen online sucht.
 
Es gibt bereits einige Angebote, die eine Onlinesuche nach Kliniken ermöglichen: das Nationale Gesundheitsportal, die Weiße Liste, Portale der Kranken­kassen wie zum Beispiele die AOK-Krankenhaussuche (siehe: Weiterführende Links) und weitere Portale. Mit dem Krankenhaus-Transparenzverzeichnis kommt 2024 ein weiteres Onlineangebot hinzu.

Informationsangebote nicht bekannt

Patientinnen und Patienten ist teilweise gar nicht bekannt, dass sie in der Wahl des Krankenhauses frei sind, dass es Qualitätsunterschiede zwischen Krankenhäusern gibt oder dass die Wahl des Kranken­hauses einen Einfluss auf das Behandlungsergebnis haben kann. Um die Entscheidung informiert treffen zu können, muss Patientinnen und Patienten bekannt sein, wie sie an relevante Informationen gelangen. Außerdem müssen Portale auch einweisende Ärztinnen und Ärzte adressieren. Die fachärztliche Beratung hat nach wie vor den größten Einfluss auf die Krankenhauswahl.

Befragung: Patienten wollen leichter an Informationen kommen

Säulendiagramm zur Frage: Sollte es Ihrer Meinung nach mehr und leichter verfügbare Informationen über die Behandlungsqualität in Krankenhäusern geben? Rund 87 Prozent der Befragten sind der Ansicht, dass es mehr und leichter verfügbare Informationen zur Behandlungsqualität von Krankenhäusern geben soll.
Civey-Befragung Oktober 2023

Onlineportale müssen glaubwürdig sein

Onlineportale können bei der Suche nach einem Krankenhaus ein effektives Instrument sein. Wesentliche Anforderungen an die Portale sind Bekanntheit, Relevanz der Informationen, Glaubwürdigkeit, Verständlichkeit sowie Nutzerfreundlichkeit. Dabei hängt die geeignete Darstellungsform auch von den Nutzerinnen und Nutzern selbst ab, das heißt von ihrer Digital- und Gesundheitskompetenz. Die existierenden Por­tale adressieren verschiedene Zielgruppen und nutzen unterschiedliche Darstellungsformen für die Qualitätsergebnisse der Kliniken. Denn die anspruchsvollen und vielfältigen Verfahren verständlich darzustellen, ist herausfordernd.

Gleichzeitig zeigt sich, dass sich das Nutzer­verhalten immer wieder ändert – neue technische Möglichkeiten wie Chatbots oder die hohe Marktdurchdringung einzelner Anwendungen haben Einfluss darauf, welche Darstellungsformen gut verstanden werden.

Inhalte erweitern

Das neue Transparenzverzeichnis ist zu begrüßen. Es kann eine weitere wertvolle Orientierungshilfe sein. Damit wird Qualität als relevantes Entscheidungskriterium bei der Krankenhaussuche anerkannt. Wichtig ist, dass mit dem Transparenzverzeichnis Patientinnen und Patienten und einweisende Praxen verstärkt angesprochen werden.

Das Verzeichnis startet mit Strukturkriterien. Das ist gut. Dabei darf es aber nicht bleiben. Wünschenswert wäre, wenn über ein transparentes wissenschaftliches Verfahren zusätzliche patientenrelevante Inhalte wie arztbezogene Mindestmengen aufgenommen würden und die Abbildung von Ergebnisqualität stärker ausgebaut wird. Methodische Erfahrungen wurden mit dem QSR-Verfahren gesammelt.  

Darüber hinaus wird der Erfolg des Gesetzesvorhabens daran zu messen sein, dass es Patientinnen und Patienten und einweisenden Praxen ermöglicht wird, die Entscheidung für ein Krankenhaus auf Basis objektiver Versorgungsqualität zu treffen. Das heißt: Portale in der Bevölkerung bekannt zu machen, patientenrelevante Qualitätsergebnisse zu ermitteln und verständlich abzubilden – zum Wohle der Patientinnen und Patienten.

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