Knappe Vorräte bei Arzneien?
Die Erkältungssaison ist in vollem Gange und mit ihr wächst die Sorge vor Lieferengpässen bei Medikamenten. Wie knapp sind Fiebersäfte, Antibiotika, Kochsalzlösungen und Präparate zur Krebstherapie wirklich?
Nutzen des Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungsgesetzes ist verpufft
Drei Jahre in Folge beschäftigt uns das Thema schon – ein politisches Unding. Wir haben rund 500 gemeldete Präparate, darunter Antibiotika, Asthma-, Diabetes-, HIV- und Krebs-Medikamente. Für vieles gibt es Alternativen, doch es gibt auch versorgungsrelevante Ausfälle.
Eigentlich wollte die Politik das mit dem Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungsgesetz ändern, doch der Nutzen ist nahezu wirkungsfrei verpufft. Von vornherein wurde der Wirkungsbereich eingeschränkt; das Gesetz hat neue Regelungen für Kinderarzneimittel, Antibiotika und einige Krebstherapien erlassen. Das klingt gut, betrifft aber nur etwa zwei Prozent aller Arzneimittel. Für die restlichen 98 Prozent gibt es solche Regelungen nicht. Hinter dieser Zahl stehen auch Menschen mit chronischen Erkrankungen, die nur schwierig an ihre Medikamente kommen. Immerhin hat die Politik durch Lieferengpässe erkannt, wie wichtig die pharmazeutische Industrie für die Versorgung, Fortschritt, Arbeitsplätze und Wohlstand ist. Auf wirksame Lösungen warten wir aber bislang vergeblich.
Apotheken brauchen mehr Entscheidungsfreiheiten
Lieferengpässe von lebenswichtigen Medikamenten gehören leider schon seit Jahren zu den größten Ärgernissen im Alltag der Apotheken – und somit auch zu den wichtigsten Herausforderungen für die Versorgung der Patientinnen und Patienten. Daran hat auch das vor einem Jahr beschlossene Lieferengpassgesetz nicht viel geändert.
Die Apothekenteams geben tagtäglich ihr Bestes, um durch zeitaufwendige Kommunikation mit Herstellern, Großhändlern und Arztpraxen in jedem einzelnen Problemfall eine Lösung für die Menschen in der Offizin zu finden. Dazu brauchen die Apotheken mehr Entscheidungsfreiheiten für den Austausch der Medikamente – und ein spürbares Engpasshonorar, das den zusätzlichen Personalkosten gerecht wird. Grundsätzlich ist Versorgungssicherheit in Zeiten der Globalisierung nicht zum Nulltarif zu haben. Politik und Krankenkassen müssen Geld dafür ausgeben, damit die Produktion von Antibiotika und anderen wichtigen Wirkstoffen wieder in Europa statt in Fernost stattfindet.
Mehr Produktionsstätten in Europa gefordert
Derzeit sind über 500 Medikamente für Erwachsene und Kinder nicht verfügbar. Erhebliche Versorgungslücken haben wir beispielsweise bei krampflösenden Mitteln für Kinder mit Anfallsleiden. Auch bei Antibiotika zeichnen sich erneut Engpässe ab. Noch ist die Infektzeit vergleichsweise milde, aber sollten die Fallzahlen steigen, erwarten wir wieder eine Verschärfung der Lage, was uns große Sorgen bereitet.
Die Politik trägt eine große Verantwortung, um Lieferengpässe nachhaltig zu bewältigen. Das Lieferengpass-Gesetz war ein wichtiger Schritt, löst aber die strukturellen Probleme nicht. Wir brauchen mehr Produktionsstätten in Europa, um unabhängiger von globalen Lieferketten zu werden. Auch die Preispolitik der Krankenkassen trägt zu den Engpässen bei, da sie für Hersteller unattraktive Bedingungen schafft. Es müssen Lösungen gefunden werden, die einen gesunden Wettbewerb ermöglichen und die Versorgungssicherheit langfristig gewährleisten.
Frühwarnsystem für Lieferausfälle notwendig
Die gute Nachricht: Trotz vieler Erkrankungen sind genügend Medikamente im Umlauf. Laut Wissenschaftlichem Institut der AOK sind derzeit 735 Arzneimittel als nicht lieferbar gemeldet. Bei 63.000 zugelassenen Arzneimitteln sind also weiterhin 98,8 Prozent aller Medikamente verfügbar. Natürlich ist jedes fehlende Medikament eines zu viel, in den meisten Fällen stehen allerdings Alternativen zur Verfügung.
Die aktuelle Diskussion und die Warnungen von Apotheken zeigen allerdings, was es wirklich braucht: mehr Transparenz. Von der Produktion bis zur Distribution brauchen wir Klarheit, ob Arzneimittel ausreichend vorhanden sind, und ein Frühwarnsystem für Lieferausfälle. Das würde nicht zuletzt der Debatte um mögliche Engpässe eine empirische Datengrundlage geben. Zudem sollte die Bevorratungspflicht für rabattierte Arzneimittel auf weitere Arzneimittel ausgeweitet werden, da eine Vielzahl von Lieferproblemen außerhalb der Rabattverträge stattfinden. In Anbetracht globaler Lieferwege wäre das sehr sinnvoll.
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