Recht: Keine Unterschrift des Patienten bei Zahnersatz erforderlich
Ist ein Heil- und Kostenplan für andersartigen Zahnersatz vom Patienten nicht unterzeichnet, gilt dieser trotzdem. Die Kosten dafür muss der Patient tragen.
Urteil vom 2. Mai 2024
– III ZR 197/23 –
Bundesgerichtshof
Ob eine Brücke, ein Implantat oder eine Krone – vor einer Zahnersatz-Behandlung erstellt der Zahnarzt einen Heil- und Kostenplan und reicht diesen bei der Krankenkasse des Versicherten zwecks Prüfung, Bewilligung und Festsetzung des Festzuschusses ein. Der Heil- und Kostenplan zeigt auf, welche zahnmedizinische Versorgung geplant ist und wie hoch die voraussichtlichen Kosten sind, die der Versicherte selbst zu tragen hat. Aber muss der Heil- und Kostenplan vom Patienten unterschrieben sein? Diese Frage lag dem Bundesgerichtshof (BGH) zur Entscheidung vor.
„Die obersten Zivilrichter unterscheiden stringent zwischen den – nicht immer einfach voneinander abzugrenzenden – Formalita bei der Versorgung mit Zahnersatz.“
Justiziarin im AOK-Bundesverband
Plan geprüft und genehmigt
Bei dem Fall ging es um einen gesetzlich versicherten Patienten, der sich in den Jahren 2018 und 2019 in umfangreicher zahnärztlicher Behandlung befand. Der Heil- und Kostenplan, auf dessen Grundlage die Behandlung erfolgte, sah zur Versorgung des zahnlosen Ober- und Unterkiefers des Patienten jeweils eine totale Prothese unter Verwendung eines zweiphasigen Implantatsystems für acht Zähne vor. Die voraussichtlichen Gesamtkosten waren mit 13.685 Euro angegeben. Der Eigenanteil des Patienten belief sich auf 12.678,46 Euro. Der Patient unterschrieb diesen Heil- und Kostenplan nicht.
Seine Krankenkasse prüfte den vorgelegten, vom Versicherten aber nicht unterschriebenen Heil- und Kostenplan und bewilligte den darin vorgesehenen Festzuschuss. Nach der Behandlung verlangte der Zahnarzt vom Patienten, die Rechnung zu begleichen. Der Versicherte kam der Zahlungsaufforderung nicht nach. Daraufhin machte ein Abrechnungsunternehmen aus abgetretenem Recht den Honoraranspruch des Zahnarztes auf dem Klageweg geltend.
Das Landgericht verurteilte den Patienten zur Zahlung von rund 4.300 Euro nebst Zinsen und wies die Klage im Übrigen ab. Die Unterschrift des Patienten sei nach der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) erforderlich. Das Berufungsgericht verneinte dies zwar, lehnte den zahnärztlichen Anspruch jedoch mit der Begründung ab, nach Paragraf 8 Absatz 7 Bundesmantelvertrag-Zahnärzte (BMV-Z) sei die Schriftform erforderlich.
Daraufhin legte das Abrechnungsunternehmen Revision beim BGH ein und hatte damit Erfolg. Die obersten Zivilrichter widersprachen der Auffassung der Vorinstanz, wonach der Heil- und Kostenplan der Schriftform bedurfte. Sie hoben das Urteil auf und wiesen den Fall zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.
Kosten transparent machen
Der BGH stellte zunächst klar, dass ein Zahnarzt Vergütungen nur für solche Leistungen berechnen dürfe, die nach den Regeln der ärztlichen Kunst für eine zahnmedizinisch notwendige Versorgung erforderlich seien (Paragraf 1 GOZ). Darüber hinaus könnten auf Wunsch des Patienten auch Leistungen erbracht und berechnet werden, die über das Maß einer zahnmedizinisch notwendigen Versorgung hinausgehen (zum Beispiel ärztlich nicht indizierte Leistungen zu ästhetischen Zwecken). Nur in einem solchen Fall müsse die das Maß des medizinisch Notwendigen übersteigende Versorgung in einem Heil- und Kostenplan schriftlich zwischen Zahnarzt und Patient vereinbart werden (Paragraf 2 Absatz 2 GOZ). Eine solche schriftliche Vereinbarung diene dazu, dem Patienten die von ihm zu tragenden Kosten transparent zu machen und ihn vor Leistungen zu schützen, die über das Maß des medizinisch Notwendigen hinausgehen.
Patient hat die Wahl
Für die Frage der Notwendigkeit sei auf die zahnmedizinischen Aspekte abzustellen und nicht auf wirtschaftliche, so die obersten Zivilrichter. Der Begriff der „medizinisch notwendigen Versorgung“ werde in Paragraf 55 SGB V nicht definiert, sondern vorausgesetzt. Nach dieser Rechtsnorm hätten Patienten Anspruch auf befundbezogene Festzuschüsse bei einer medizinisch notwendigen Versorgung mit Zahnersatz. Welche medizinisch notwendige Versorgung mit Zahnersatz dann erfolge, sei letztendlich die Entscheidung des Versicherten gemeinsam mit seinem Zahnarzt. Der Patient könne eine Behandlung nach der vorgesehenen Regelversorgung (Paragraf 56 Absatz 2 SGB V) durchführen lassen, sei aber da-rauf nicht festgelegt. Aus den Bestimmungen der GOZ und des SGB V ergebe sich nicht, dass der Heil- und Kostenplan der Schriftform im Sinne der Paragrafen 125 und 126 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) genügen müsse. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sei auch nach Paragraf 8 BMV-Z die Schriftform nicht erforderlich. Die Norm gelte nur für Leistungen der GKV, nicht aber für eine andersartige Versorgung außerhalb des GKV-Leistungskatalogs.
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