Klimawandel: „Hitzewellen sind stille Killer“
Beim Hitzeschutz geht es um mehr als eine Parkbank im Schatten oder Trinkbrunnen. So müssten etwa Kliniken nachhaltiger gebaut werden, sagt Umweltmedizinerin Claudia Traidl-Hoffmann.
Frau Professorin Traidl-Hoffmann, wie gut ist das deutsche Gesundheitswesen auf die Erderhitzung vorbereitet?
Prof. Dr. Claudia Traidl-Hoffmann: Dass der Klimawandel krankmachen kann, ist heute viel bekannter als noch vor fünf Jahren. Am meisten ist dabei in der Ärzteschaft passiert. Aber was konkrete Vorbereitungen angeht, sind wir erst am Anfang. Und zu viel hängt noch von engagierten Einzelpersonen ab. In der Fläche muss sich deutlich mehr tun.
Aber beim Hitzeschutz passiert doch schon einiges?
Prof. Dr. Traidl-Hoffmann: Klar, und das ist auch gut, Hitzewellen sind die größte Bedrohung, sie sind stille Killer. Dieses Thema ist für die Menschen auch relativ leicht zu verstehen und für die Politik populär – eine Parkbank im Schatten oder einen Trinkbrunnen aufzustellen, das gibt schöne Pressefotos. Dabei darf es aber nicht bleiben.
Sondern?
Prof. Dr. Traidl-Hoffmann: Ich denke zum Beispiel an den Bau von Krankenhäusern. Wir müssten viel nachhaltiger bauen, weniger Emissionen verursachen, ein Krankenhaus sollte am besten energetisch autark sein. Klimaresilienz bedeutet zum Beispiel, dass man auch im Dachgeschoss selbst bei massiver Hitze noch arbeiten kann. Wenn wir das jetzt nicht angehen, fällt uns das spätestens 2050 mächtig auf die Füße.
Was ist mit Klimafolgen jenseits von Hitze? Was muss dort passieren?
Prof. Dr. Traidl-Hoffmann: Beim Thema Allergien hat sich auch schon einiges getan. Zum Beispiel in Bayern haben wir die Frühwarnsysteme verbessert, man kann sich online alle drei Stunden informieren, wie der Pollenflug gerade ist. Das ist wichtig für Allergiker, um etwa zu entscheiden: Geh‘ ich morgens oder abends joggen? Wann mache ich das Fenster auf? In einem aktuellen Forschungsprojekt arbeiten wir an Kombi-Warnungen. Eigentlich muss man ja Pollen, Hitze, Luftfeuchte, bodennahes Ozon und andere Schadstoffe zusammen betrachten – alles, dem wir exponiert sind. Je umfassender die Menschen informiert sind, desto mehr können sie sich anpassen, desto geringer sind die Symptome und Krankheitszahlen. Aber manches ist auch ganz einfach: Das Sportfest in der Schule, das sollte mit Blick auf Hitze und Ozonwerte heute nicht mehr im Juli stattfinden, sondern im März.
Wie sollten wir uns auf tropische Krankheiten vorbereiten, die sich ausbreiten?
Prof. Dr. Traidl-Hoffmann: Bei vektorassoziierten Infektionen ist ebenfalls schon etwas passiert, etwa beim Monitoring. Wir schauen intensiver, welche Parasiten sind in welchen Zecken, welche Bakterien sind in welchen Mücken? Und es gibt bessere Aufklärung, damit man weniger Brutplätze bietet für Mücken. Beim Thema FSME wären Impfungen die beste Prävention – 98 Prozent der Erkrankten, die wir sehen, waren ungeimpft. Aber das Thema Impfung ist momentan in Deutschland leider nicht so en vogue.
Gegen das West-Nil-Virus zum Beispiel gibt es noch keine Impfstoffe für Menschen. Brauchen wir mehr Forschung?
Prof. Dr. Traidl-Hoffmann: Natürlich, mehr Forschung ist immer gut. Aber das allein wird uns nicht retten. Der Ruf nach Forschung oder nach neuen Technologien darf nicht dazu führen, all das zu unterlassen, was man heute schon machen kann. Unsere aktuelle Lebens- und Wirtschaftsweise macht krank und zerstört die natürlichen Lebensgrundlagen. Im aktuellen Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats Globale Umweltveränderungen haben wir umfassende Forschungsempfehlungen formuliert. Ich hoffe, dass die im zuständigen Ministerium Gehör finden.
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