Interview Versorgung

„Hebammen wissen, was Familien brauchen“

18.12.2024 Silke Heller-Jung 3 Min. Lesedauer

In der Rubrik „Neues aus der Uni" stellt G+G-Digital Institute und Lehrstühle vor. Dieses Mal mit drei Fragen an Prof. Dr. Barbara Fillenberg, Inhaberin der Professur für Hebammenwissenschaft an der Universitätsmedizin an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz.

Foto: Blick in einen Hörsaal, in dem viele Studierende sitzen. Vorne steht ein Mikrofon.
Wo steht die Forschung, welche neuen Erkenntnisse gibt es – G+G interviewt jeden Monat Institutsleiter und Lehrstuhlinhaber von Universitäten und Hochschulen.
Foto: Prof. Dr. Barbara Fillenberg, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Hebammenwissenschaft e.V.
Prof. Dr. Barbara Fillenberg ist Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Hebammenwissenschaft e.V.

Frau Professor Fillenberg, was ist derzeit Ihre wichtigste wissenschaftliche Fragestellung?

Prof. Dr. Barbara Fillenberg: Als Hebammenwissenschaftlerin gehöre ich einer vergleichsweise jungen Disziplin an, die zu den „Kleinen Fächern“ gezählt wird. Das bedeutet auch, dass ich meinen Bereich an der Unimedizin in Mainz derzeit noch weiter auf- und ausbauen werde. Unser Forschungsschwerpunkt liegt auf der Gesundheitsförderung und Prävention. Hierzu sind wir, unter anderem, einerseits im Bereich der Grundlagenforschung aktiv, zum Beispiel mit dem Schwerpunkt der frühkindlichen Allergieprävention, andererseits aber auch, im Kontext der Planetary Health, in der Curriculumsentwicklung.

Außerdem bin ich Mitglied in einer Gruppe, die sich mit der Entwicklung einer hebammenwissenschaftlichen Forschungsagenda befasst. Mein langfristiges Ziel ist es, mit meinem Team vermehrt immunologische Fragestellungen aus hebammenwissenschaftlicher Perspektive zu beleuchten, deren Ergebnisse mittelbar in der Begleitung und Versorgung von Frauen und Familien Anwendung finden können. Dank der großartigen Unterstützung, die ich an der Universitätsmedizin und seitens der Universität in Mainz erfahren darf, können wir bereits jetzt eng mit sehr erfahrenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus unterschiedlichsten Disziplinen zusammenarbeiten.

Wie fördern Sie an Ihrer Einrichtung die Kooperation wissenschaftlicher Disziplinen und die Netzwerkbildung?

Fillenberg: Im Internationalen Ethik-Codex für Hebammen, dem International Code of Ethics for Midwives, der weltweit für alle Hebammen gilt, ist verankert, dass unsere Arbeit stets interprofessionell und interdisziplinär ausgerichtet sein soll. In Netzwerken zu denken und kooperativ zu arbeiten, ist somit fester Bestandteil unseres Berufslebens und spiegelt sich sowohl in der Berufspraxis als auch in der Forschung wider. Wir tragen alle Verantwortung, dass dies gelingt und engagieren uns im Laufe des Berufslebens deshalb größtenteils auch ehrenamtlich. Ich habe derzeit die Funktion der Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Hebammenwissenschaft e.V. inne, die wiederum gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF) an medizinischen Leitlinien arbeitet und sich, gemeinsam mit anderen Berufsverbänden, wissenschafts- und berufspolitisch engagiert.

Zur Person

Prof. Dr. Barbara Fillenberg absolvierte eine Ausbildung zur Hebamme an der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen, studierte Midwifery in Osnabrück und Glasgow, Gesundheitsökonomie sowie Leitung und Kommunikationsmanagement in Regensburg und promovierte in Vechta in Soziologie. Neben ihrer langjährigen Tätigkeit als Hebamme hat sie auch in der Öffentlichkeitsarbeit und Forschung gearbeitet. 2021 übernahm sie als Professorin die Studiengangleitung für Hebammenwissenschaft (HebWi) an der Ostbayerischen Technischen Hochschule. Seit ihrem Ruf an die Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz verantwortet sie dort den Bereich HebWi und leitet den neuen Studiengang.

Ist die Politik gut beraten, wenn sie auf die Wissenschaft hört?

Fillenberg: Ja, die Politik ist sehr gut beraten, auf die Hebammenwissenschaft zu hören. Hebammen tragen nicht nur entscheidend zur Geburtshilfe und Gesundheit von Müttern und Neugeborenen sowie Familien bei, sondern ihre Expertise umfasst auch die wichtigen Bereiche der Gesundheitsförderung und Prävention, der Beratung und der Unterstützung während der Schwangerschaft und Geburt, im Wochenbett und in der Stillzeit beziehungsweise bis zum neunten Lebensmonat des Kindes. Hebammen haben eine Sonderstellung, denn sie arbeiten eigenständig und leisten auch aufsuchende Hilfe im häuslichen Umfeld der Familien. Das heißt: Sie wissen, wie Familien leben und was sie brauchen, um gut durch diese Lebensphase zu kommen, die mit massiven Änderungsprozessen einhergeht. Entsprechend weit gefächert sind auch die hebammenwissenschaftlichen Forschungsfragen und -ansätze.

Eine Politik, die die Hebammenwissenschaft fördert und ernst nimmt, passt das Gesundheits- und das Wissenschaftssystem strukturell an, um möglichst viele positive Effekte zu erzielen, wie zum Beispiel:

  • eine verbesserte, interprofessionelle Gesundheitsversorgung
  • eine Reduzierung von Komplikationen
  • eine Kosten- und Ressourcenersparnis
  • eine Förderung der familienzentrierten und hebammengeleiteten Geburtskultur
  • eine Ausweitung der evidenzbasierten Versorgung durch hebammenwissenschaftliche Forschung

Kurz: Indem die Politik auf die Empfehlungen von Hebammenwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler hört und ihre Expertise frühzeitig einbezieht, zum Beispiel auch in das geplante Bundesinstitut für Prävention und Aufklärung in der Medizin (BIPAM), ist es möglich, sowohl die Qualität der Gesundheitsversorgung zu verbessern als auch langfristig gesellschaftliche Kosten zu senken.

Forschungsschwerpunkte:

  • Themen zur Gesundheitsförderung und Prävention
  • Immunologische Fragestellungen
  • Planetary Health
  • Katastrophenschutz und Kommunikation
  • Methodik und Didaktik in der Hebammenwissenschaft

Jahresetat:

keine Angabe

Zahl und Qualifikation der Mitarbeitenden:

  • eine Universitäts-Professorin
  • sechs Hebammen (Lehrkräfte und wissenschaftliche Mitarbeiterinnen)
  • eine Post-Doc-Stelle (Schwerpunkt Immunologie)
  • zwei Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen
  • drei Doktorandinnen 

Kontaktdaten:

Universitätsmedizin der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz
Hebammenwissenschaft​​​​​​​

Am Pulverturm 13
55131 Mainz
Telefon: 06131 173902 oder 06131 178825
E-Mail

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