Arme Kinder im reichen Land
Wenn das Geld in Familien knapp ist, leiden darunter nicht zuletzt die Kinder. Wie ihre Zukunftschancen verbessert werden können, diskutierten Fachleute aus Politik und Verwaltung auf dem Bundeskongress „Präventionsketten“.
Rund ein Fünftel aller Kinder und Jugendlichen in Deutschland gilt als armutsgefährdet. Viele von ihnen leben bei ihren alleinerziehenden Müttern. Anni W. ist alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern und gibt der Armut in den Sozialen Medien ein Gesicht. Auf dem 2. Bundeskongress „Präventionsketten“ in Hannover berichtete W., was es bedeutet, in Deutschland arm zu sein. Für Unterstützung und Teilhabe, beispielsweise an Schulausflügen oder im Sport, müsse sie sich bei Anträgen „regelrecht nackt machen“. Wie knapp das Bürgergeld bemessen sei, machte sie daran deutlich, dass es kaum für den Schwimmbad-Eintritt oder den Appetit eines 13-Jährigen reiche. „Wie kommt man bei der Bürgergeld-Berechnung darauf, dass ein Teenager weniger fürs Essen braucht als ein Erwachsener?“ fragte W.
Kommunen sensibilisieren
Mit der Etablierung von sogenannten Präventionsketten wollen Kommunen „allen Kindern umfassende Teilhabechancen und ein gesundes Aufwachsen unabhängig von ihrer Herkunft“ ermöglichen. In Niedersachsen beispielsweise läuft das Programm seit fünf Jahren unter Leitung der Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen/Bremen (LVG & AFS). Gemeinsam mit der Auridis Stiftung richtete sie den diesjährigen Bundeskongress aus. „Eine Kommune muss armutssensibel sein“, betonte Thomas Altgeld, Geschäftsführer der LVG & AFS. In Niedersachsen gibt es die Präventionsketten seit 2017, bisher ohne öffentliche Förderung. Dennoch seien Instrumente entwickelt worden, die für eine Ausweitung des Konzepts genutzt werden könnten. Nordrhein-Westfalen habe bereits umfangreiche Erfahrungen mit Präventionsketten gesammelt, wie Joachim Feldmann, Referatsleiter im Landesfamilienministerium berichtete. Mit insgesamt 15 Millionen Euro jährlich fördere das Land Programme wie beispielsweise „Kinderstark NRW“ und das Familienportal „Guter Start“. Feldmann: „Wir müssen die Flagge der Prävention hochhalten und das Thema immer wieder politisch platzieren.“
Marc Nellen, Abteilungsleiter im Bundesfamilienministerin, verwies auf den Nationalen Aktionsplan „Neue Chancen für Kinder in Deutschland“, der bis 2030 Chancengerechtigkeit für armutsgefährdete Kinder schaffen solle. Doch die Zeiten für ambitionierte sozialpolitische Ziele seien „nicht einfach“, so Nellen. Dass die Kindergrundsicherung in dieser Legislatur nicht kommen werde, sei „ein Stück weit bitter“. Die Diskussion darüber habe aber zumindest die Aufmerksamkeit für das Thema erhöht.
Anni W. wünschte sich auf dem Kongress vor allem eines: „Dass die Suche nach der Individualschuld bei Bürgergeld-Empfängerinnen aufhört.“
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