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Debatte: Ärzte weiten den Blick für soziale Probleme

18.12.2024 Martin Scherer 3 Min. Lesedauer

Die soziale Dimension von Gesundheit wird häufig ignoriert, sagt Allgemeinmediziner Martin Scherer. Er fordert, mehr Ressourcen für Menschen mit niedrigem sozioökonomischen Status aufzuwenden.

Foto: Eine alte Dame steht im abgedunkelten Zimmer und schaut aus dem Fenster, vor dem aber ein Rollo runtergefahren ist.
Menschen dürfen mit ihren sozialen Problemen nicht allein gelassen werden.
Foto: Martin Scherer, ist Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familien­medizin (DEGAM).
Prof. Dr. Martin Scherer ist Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familien­medizin (DEGAM).

Seit Jahren wächst die gesundheitliche Ungleichheit. Menschen mit sozialen Pro­­blemen leiden häufiger unter psychischen Beeinträchtigungen, kardiovaskulären Erkrankungen und Multimorbidität. Der einkommensabhängige Unterschied der Lebenserwartung von Frauen beträgt 4,4 Jahre und bei Männern sogar 8,6 Jahre. Anders gesagt: Armut macht krank. 

Obwohl dieser Zusammenhang bekannt ist, wird die soziale Dimension von Gesundheit und Krankheit auch heute noch häufig ignoriert. Wir leisten uns ein vergleichsweise teures Gesundheitssystem, in dem Menschen mit sozialen Problemen – zum Beispiel aufgrund von Sprachbarrieren, finanziellen Schwierigkeiten, familiären oder beruflichen Konflikten – oft durchs Raster fallen. Gleichzeitig werden die Ressourcen im Gesundheitswesen überwiegend von denen in Anspruch genommen, die in Bezug auf Bildung, Einkommen, Wohnsituation privilegiert sind und oft weniger gesundheitliche Risiken haben.

„Die Herausforderung, soziale Gesundheit zu stärken, geht uns alle an.“

Prof. Dr. Martin Scherer

Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familien­medizin (DEGAM).

Damit darf sich ein hochentwickeltes Land wie Deutschland nicht abfinden. Politisches Handeln ist gefragt, damit die vorhandenen Ressourcen effizienter und gerechter verteilt werden. Es muss intensiver als bisher nach Wegen gesucht werden, um medizinische und soziale Gesundheit gemeinsam zu denken. Politik, Kommunen, Selbstverwaltung, Krankenkassen, Klinik und Praxis müssen sich gleichermaßen für die Gesundheitsversorgung von Menschen mit niedrigem Sozialstatus einsetzen. 

Zunächst müssen soziale Probleme wahr­genommen und angesprochen werden. Um Unterstützung zu vermitteln, können Ärztinnen und Ärzte Kontakte zu sozialen Einrichtungen im Stadtteil oder in der Region aufnehmen und ein regionales Netzwerk aufbauen. Sinnvoll ist es auch, das gesamte Praxis-Team für die Thematik zu sensibilisieren und die Medizinischen Fachangestellten einzubinden, die oft direkten Kontakt zu den Patientinnen und Patienten haben. 

Die Herausforderung, soziale Gesundheit zu stärken, geht uns alle an. Das Bemühen um eine stärkere Umverteilung vorhandener Ressourcen benötigt eine breite gesellschaftliche Unterstützung und dauerhaftes politisches Engagement.

Mitwirkende des Beitrags

Portrait: Martin Scherer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin

Martin Scherer

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