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Gewalt gegen Pflegepersonal: Tausende Fälle jedes Jahr

27.02.2024 Solveig Giesecke 4 Min. Lesedauer

Immer häufiger gibt es Berichte über Angriffe und Drohungen gegen Ärzte, Sanitäter und Pflegepersonal. DBfK-Präsidentin Christel Bienstein fordert Schutzkonzepte, sieht aber vor allem die Politik in der Pflicht zu handeln.

Ein älterer Mann erhebt seinen Gehstock gegen einen jüngeren Mann in blauer Pflegekleidung.
Die Fälle von Gewalt gegen medizinisches Personal haben in den letzten Jahren zugenommen.

Hamburg, Bremen und Niedersachsen haben aktuelle Berichte zu Übergriffen gegen medizinisches Personal vorgelegt. So gab es laut Hamburger Senat in den letzten fünf Jahren jeweils etwa 100 Übergriffe allein in Kliniken. Die Krankenhausgesellschaften Niedersachsen berichten von Aggression etwa in den Notaufnahmen, wo oft eine lange Wartezeit der Auslöser sei. Entsprechende Vorfälle beschreibt auch die Krankenhausgesellschaft Bremen und stellt eine Zunahme aggressiven Verhaltens fest. Es sei untragbar, dass Patienten und Angehörige ihren Frust an den Kollegen in den Gesundheitseinrichtungen ausließen, erklärte Christel Bienstein, Präsidentin des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe (DBfK), gegenüber G+G.

Fälle von Gewalt haben „politische Dimension"

Die DBfK-Präsidentin betonte aber, dass die Fälle auch „eine politische Dimension“ haben. „Es kann nicht sein, dass Gesundheitspersonal ausbaden muss, was an notwendigen Reformen versäumt wurde“, sagte Bienstein. Neben Gewaltschutzkonzepten, Notruf-Systemen und Deeskalationsschulungen für das Personal komme es vor allem auf eine Reform des Gesundheitssystems an, so Bienstein. Die „gravierenden Mängel in der Primär- und Notfallversorgung“ führten zu überlasteten Notaufnahmen und unzufriedenen Patienten. Das Potenzial für Eskalationen sei dann entsprechend hoch. „Bessere Primärversorgung und mehr Gesundheitskompetenz entlasten nachhaltig die Notaufnahmen und damit auch das Personal in den Einrichtungen“, sagte sie.

„„Es kann nicht sein, dass Gesundheitspersonal ausbaden muss, was an notwendigen Reformen versäumt wurde."“

Christel Bienstein

Präsidentin des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe (DBfK)

Auch in Berliner Krankenhäusern war Gewalt gegen Beschäftige des Gesundheits- und Pflegebereichs Ende Januar Thema im Innenausschuss des Senats. 194 Fälle von Körperverletzungen und Übergriffen registrierte die Berliner Polizei im vergangenen Jahr, 2022 waren es 162 solcher Taten. Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD) erklärte bei der Sitzung, in fünf Jahren sei die Zahl der Polizeieinsätze in und vor Kliniken um 40 Prozent gestiegen.

BGW registriert rund 5.300 Übergriffe pro Jahr

Bundesweite Zahlen hat die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) erhoben. Die Studie mit dem Titel „Gewalt und Aggression in den Branchen des BGW“ wurde Ende 2023 vorgelegt. Im Rahmen der Auswertung von 353.857 Arbeitsunfällen, die in den Jahren 2018 bis 2022 aus den Branchen der Berufsgenossenschaft gemeldet wurden, wurden 26.500 Vorfälle von Aggression oder Gewalt registriert. Berücksichtigt wurden dabei allerdings nur Ereignisse, die zu einem Arbeitsausfall von mindestens drei Tagen führten.

Demnach kommt es rund 5.300 Mal pro Jahr in den Branchen der BGW zu gewalttätigen Übergriffen oder zu sexualisierter Gewalt gegen Gesundheits- und Pflegepersonal - mit anschließender mindestens dreitägiger Fehlzeit. Dabei werden „neun von zehn Beschäftigte vorwiegend körperlich, eine Person von zehn Personen vorwiegend seelisch verletzt“, heißt es in dem Bericht. Besonders betroffen von den Übergriffen seien vor allem Beschäftigte in den Branchen Beratung und Betreuung sowie Alten- und Krankenpflege. Hier ereigneten sich fast zwei Drittel der Vorfälle. Die BGW bietet ihren Mitgliedsbetrieben und auch den Versicherten unter der Rubrik „Umgang mit Gewalt“ Unterstützung an.

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