Die Haut zeigt, wenn es zu viel wird
Die Haut und die Psyche sind eng miteinander verbunden. Menschen bekommen eine Gänsehaut, wenn sie Angst haben. Sie erröten, wenn sie sich schämen und erblassen, wenn sie wütend sind. Dieses Wechselspiel von Körper und Seele zeigt sich besonders deutlich, wenn der Stresspegel steigt. Ungelöste Konflikte, negative Emotionen, Schicksalsschläge oder Alltagsbelastungen können die Haut krank machen und sogenannte psychosomatische Beschwerden auslösen.
In der Pflege ist der Stresspegel schon seit Jahren zu hoch. Der Beruf ist nicht nur besonders anspruchsvoll, er verlangt den Pflegekräften auch viel ab. Das liegt an den Arbeitsbedingungen, etwa wechselnden Schichtdiensten, fehlenden Erholungsphasen und hoher Arbeitslast. Der chronische Stress macht sich in den steigenden Fehltagen bemerkbar. So zeigt eine aktuelle Analyse der Arbeitsunfähigkeitsdaten des AOK-Bundesverbandes, dass Angehörige von Pflegeberufen im Jahr 2023 durchschnittlich 31 Tage je AOK-Mitglied krank waren und damit fünf Tage mehr als 2021. Im gleichen Zeitraum fehlten alle AOK-versicherten Berufstätigen durchschnittlich 24 Tage je Mitglied. Das sind vier Tage mehr im Vergleich zu 2021. Im Durchschnitt fiel jede der etwa 700.000 Pflegekräfte, die bei der AOK versichert sind, knapp sieben Tage wegen psychischer Probleme aus. Bei allen anderen Berufen waren es knapp vier Tage.
Haut und Psyche stehen in einer wechselseitigen Beziehung
Psychische und körperliche Erkrankungen gehen oft Hand in Hand. Besonders sichtbar ist diese wechselseitige Beziehung an der Haut. Eine seelische Erkrankung kann Hautprobleme begünstigen und Hauterkrankungen können psychische Störungen auslösen. Welche Faktoren das Hautbild beeinflussen, damit beschäftigt sich das Fachgebiet der Psychodermatologie. Es basiert auf der Annahme, dass biologische, psychologische und soziale Faktoren – alle zusammen – an der Entstehung und dem Verlauf von Krankheiten beteiligt sind.
Neueste Forschungsergebnisse zeigen, dass die Haut und das Nervensystem eng miteinander verbunden sind. Daraus folgern Expertinnen und Experten, dass Stress und Emotionen die Haut direkt beeinflussen können. In einem Fachartikel, der Ende 2020 im Journal der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft erschienen ist, heißt es, der Stress könne das Immunsystem beeinflussen und dadurch Hautkrankheiten verschlimmern. Dies geschehe durch komplexe Wechselwirkungen zwischen Nerven, Hormonen und Immunzellen.
Da Haut an vielen Stellen für alle sichtbar ist, lassen sich Hauterkrankungen meist schlecht verbergen. Das kann zur Stigmatisierung führen und zusätzliches Leid verursachen – neben den Beschwerden, die die Erkrankung mit sich bringt. So zeigen Studien, dass etwa jede vierte Person mit Hautkrankheiten auch unter Depressionen, Angst oder anderen psychischen Problemen leidet. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gehen davon aus, dass die sichtbare Natur der Hautkrankheiten und die damit verbundenen erlebten oder gefühlten Diskriminierung und Ausgrenzung diese psychischen Probleme verstärken.
Chronischer Stress begünstig das Risiko für Hauterkrankungen
Bei den meisten Hautkrankheiten sind psychische Belastungen zwar nicht die einzige Ursache. Sie können jedoch einen maßgeblichen Teil dazu beitragen. Wer beispielsweise unter einer depressiven Verstimmung leidet, seit längerer Zeit chronisch erschöpft ist oder seelischen Belastungen, wie sie in der Pflege an der Tagesordnung sind, ausgesetzt ist, hat ein signifikant höheres Risiko, eine Hautkrankheit zu entwickeln. Das belegen zahlreiche Studien.
Auswertungen des AOK-Bundesverbandes zufolge stieg 2023 die Anzahl der Fehltage in der Pflege aufgrund depressiver Episoden auf durchschnittlich 231 Tage je 100-Mitglieder. Sie lag damit 100 Tage über dem Durchschnitt aller AOK-versicherten Beschäftigten. Erkrankungen im Zusammenhang mit der Diagnose Burnout verursachten bei Pflegekräften im vergangenen Jahr im Schnitt 32 Arbeitsunfähigkeitstage je 100 AOK-Mitglieder, fast doppelt soviel wie in anderen Berufen mit 18 Tagen. Auch bei psychosomatischen Störungen lag die Anzahl der durchschnittlichen Ausfalltage je AOK-Mitglied in der Pflege 2023 mit 74 Tagen um zwei Drittel höher als bei allen AOK-versicherten Beschäftigten (44 Tage).
Neurodermitis und Psoriasis haben psychosomatische Komponenten
Die häufigsten Hauterkrankungen, die mit Stress und psychischen Belastungen zusammenhängen, sind Neurodermitis und Psoriasis. Fachleute sprechen von sogenannten psychosomatischen Dermatosen, also Hautkrankheiten, die durch die Psyche beeinflusst werden. Neurodermitis ist eine chronische, nicht ansteckende Hauterkrankung. Typische Anzeichen sind Hautausschlag und starkes Jucken. Eine Neurodermitis kann die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Vor allem der Juckreiz ist belastend. Er kann den Schlaf und die Konzentrationsfähigkeit stören. Vielen Betroffenen sind ihre sichtbaren Ausschläge zudem unangenehm. Die Wissenschaft geht heute davon aus, dass circa 20 bis 25 Prozent aller Patientinnen und Patienten mit Neurodermitis eine psychosomatische Komponente aufweisen. Psychische Faktoren wie belastende oder lebensverändernde Ereignisse, sozialer Stress oder Interaktionsprobleme können Symptome auslösen sowie den Juckreiz und die Schwere der Neurodermitis verschlimmern.
Auch bei Psoriasis, umgangssprachlich Schuppenflechte genannt, spielen soziale und psychische Probleme eine große Rolle. Die Psoriasis ist eine entzündliche, nicht ansteckende Erkrankung. Die chronische Erkrankung macht sich vor allem durch rötliche, schuppende Hautveränderungen bemerkbar, die jucken können. Psoriasis tritt meistens in Schüben auf, die durch psychischen Stress ausgelöst werden können.
Entspannungstechniken helfen bei Hautproblemen
Um den Teufelskreis aus psychischen Belastungen und Hautproblemen zu durchbrechen, raten Expertinnen und Experten für psychosomatische Medizin und Psychotherapie dazu, sich präventiv vor zu viel Stress und negativen Gedanken zu schützen. Wissenschaftliche Untersuchungen haben mehrfach gezeigt, dass sich eine Verminderung des Stresspegels sowohl bei chronischen als auch bei akuten Problemen positiv auf die Hautgesundheit auswirken kann. Nach Meinung von Fachleuten können Entspannungstechniken wie autogenes Training oder progressive Muskelentspannung den Stress und psychische Belastungen reduzieren. Außerdem unterstützen Programme, die medizinische Informationen mit psychologischen Modulen kombinieren, Patientinnen und Patienten dabei, besser mit ihrer Krankheit umzugehen.
AOK hilft, Ressourcen von Pflegekräften zu stärken
Eine deutschlandweite Studie aus dem Jahr 2016 ergab, dass der Hauptauslöser für Stress der Job beziehungsweise die Ausbildung ist, gefolgt von hohen Ansprüchen an sich selbst. „Wir wissen aus Befragungen und zahlreichen Untersuchungen, dass der Pflegeberuf viele Stressoren mit sich bringt. Dazu zählen eine hohe Arbeitslast, die Schichtarbeit, aber auch Konflikte und Aggressionen. Alle diese Faktoren erhöhen das Stressempfinden und das Burnout-Risiko für Beschäftigte in Pflegeberufen. Das zeigt sich auch in den Zahlen zur Arbeitsunfähigkeit mit der Diagnose „Burnout“. Der Stress wirkt sich auch negativ auf die Arbeitszufriedenheit und die Zufriedenheit mit dem eigenen Leben aus“, sagt Petra Homberg, Expertin für Betriebliche Gesundheitsförderung (BGF) im AOK-Bundesverband. Deshalb sei es wichtig, nicht nur die Ressourcen und den Umgang mit Stress bei jeder einzelnen Person zu stärken, sondern auch die Belastungen im beruflichen Umfeld zu reduzieren. Mit kostenfreien Präventions- und Beratungsleistungen unterstützen die AOKs die Pflegeeinrichtungen und Krankenhäuser in Deutschland dabei, maßgeschneiderte Lösungen zu finden und versetzen sie in die Lage, Arbeit gesundheitsgerechter zu gestalten.
Petra Homberg weiß aus ihrer Erfahrung, dass Unternehmen ihre Belegschaften stärken können, indem sie für gesunde Rahmenbedingungen sorgen. Dazu können AOK-Angebote zur Betrieblichen Gesundheitsförderung beziehungsweise das Betriebliche Gesundheitsmanagement einen wirkungsvollen Beitrag leisten. Mit Beratung und einer Fülle an Analyseinstrumenten steht die AOK den Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern zur Seite, die wissen wollen, welche Ressourcen im Unternehmen sind und was Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter belastet und bewegt. Bei der Arbeitssituationsanalyse geht es beispielsweise darum, Ressourcen aus Sicht der Beschäftigten zu identifizieren, Ursachen für Faktoren zu finden, die den Beschäftigten besonders zusetzen und diese anzugehen. Homberg zufolge kommen die besten und tragfähigsten Lösungen meistens von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern selbst. Denn sie wüssten am besten, was hilfreich sei und die Situation nachhaltig verbessere. Im AOK-Seminar „Fit für die Pflegeschicht“ erhalten Pflegekräfte umfangreiche Informationen und praxisnahe Tipps zu den Themen Schlaf, Stress, Bewegung und Ernährung. Sie helfen ihnen dabei, mit wechselnden Arbeitszeiten besser zurechtzukommen.
Das Online-Training RESIST hilft beruflich Pflegenden, ihre psychische Widerstandskraft – ihre Resilienz – zu stärken. Resilienz bezeichnet die individuelle Fähigkeit, auch in schwierigen Lebenssituationen gesund und leistungsfähig zu bleiben. „Das Resilienz-Training richtet die Aufmerksamkeit eigene Stärken und auf die positiven Situationen im Leben, die gelingen und in denen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer stark und kompetent fühlen. Sie lernen dabei, was sie in schwierigen und stressigen Situationen unterstützen kann – und resilient macht“, erläutert die BGF-Expertin.
Wie wichtig Resilienz für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Beschäftigten ist, hat der Fehlzeiten-Report 2021 des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) deutlich gemacht. Dem WIdO-Report zufolge berichten Menschen mit hoher individueller Resilienz deutlich seltener über emotionale und psychosomatische Beschwerden. RESIST ist ein Baustein des Programms Care4Care, das die AOK gemeinsam mit renommierten Hochschulen für die Pflegebranche entwickelt hat. Die Trainings helfen unter anderem, das Selbstmitgefühl zu stärken, den Stress zu reduzieren, die Führungskultur zu verbessern oder die Arbeitsorganisation stärker an den Bedürfnissen der Mitarbeiter auszurichten. „Oft reichen schon einfache Maßnahmen aus, um Stress in der Pflege zu bewältigen und damit die Gesundheit, Zufriedenheit und Motivation von Beschäftigten in der Pflege zu erhalten und zu fördern. Ein Beispiel für eine solche Maßnahme sind regelmäßige Pausen und die Möglichkeit, sich auch während der Arbeitszeit ausreichend zu erholen“, ergänzt Homberg.
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