Artikel Pflege

Mangel an Heimplätzen verlängert Klinikaufenthalte

22.04.2025 Änne Töpfer 3 Min. Lesedauer

Weil es zu wenig Plätze für die Kurz- und Langzeitpflege gibt, bleiben pflegebedürftige Menschen nach einer stationären Behandlung länger als geboten im Krankenhaus. Das zeigen Ergebnisse einer Studie des RWI – Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung. Mitautorin Lea Bergmann macht im Gespräch mit G+G den Personalnotstand in der Pflege dafür verantwortlich und fordert, die Attraktivität des Pflegeberufs zu erhöhen.

Eine ältere Dame liegt auf einem Krankenhausbett und schaut eine Pflegerin an.
Nach einem Krankenhausaufenthalt haben pflegebedürftige ältere Menschen häufig Schwierigkeiten, einen Platz in einem Pflegeheim zu finden.
Foto: Lea Bergmann ist Wissenschaftlerin im Kompetenzbereich „Gesundheit“ am RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung.
Lea Bergmann ist Wissenschaftlerin im Kompetenzbereich „Gesundheit“ am RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung.

Nach einem Krankenhausaufenthalt haben pflegebedürftige ältere Menschen häufig Schwierigkeiten, einen Platz in einem Pflegeheim zu finden. Der Grund: Es fehlt in regional unterschiedlichem Ausmaß an Einrichtungen und Personal für die stationäre Langzeitpflege. In der Folge verlängert sich laut einer Studie des RWI – Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung die Verweildauer der entsprechenden Patientinnen und Patienten in den Krankenhäusern um bis zu 40 Prozent. Dadurch sind nicht nur Betten für notwendige Krankenhausbehandlungen blockiert. Damit verbunden sind den Ergebnissen der RWI-Studie zufolge auch zusätzlich abgerechnete Krankenhauskosten in Höhe von durchschnittlich 400 Euro pro Patienten.

Zudem erhöhe der längere Klinikaufenthalt das Risiko für einen Abbau körperlicher und kognitiver Fähigkeiten sowie für die Infektion mit Krankenhauskeimen, so die Studienautorinnen. „Die Personalengpässe in der Pflege beeinträchtigen das Wohlergehen der Betroffenen erheblich. Betroffen sind insbesondere Personen mit einem hohen Pflegegrad, die ohnehin schon stärker benachteiligt sind“, sagt Lea Bergmann, Gesundheitsökonomin und Mitautorin der Studie.

Repräsentative Stichprobe mit zwei Kontrollgruppen

Die Studie basiert nach Angaben des RWI-Instituts auf umfangreichen Gesundheitsdaten einer großen deutschen Krankenversicherung, Daten der Pflegestatistik sowie regionalen Daten auf Kreisebene. Der Untersuchungszeitraum reicht von 2011 bis 2019. Die Stichprobe ist repräsentativ und deckt zehn Prozent der Bevölkerung ab. Im Fokus standen Menschen im Alter ab 65 Jahren, die vor der Klinikbehandlung noch im häuslichen Umfeld lebten und nach ihrem ersten Krankenhausaufenthalt für die Kurzzeit- oder Langzeitpflege in ein Heim übersiedelten. Diese Gruppe wurde verglichen mit zwei Kontrollgruppen aus Patienten, die schon vor dem Klinikaufenthalt im Heim lebten und dorthin zurückkehrten, sowie Patienten, die zuvor zu Hause lebten und nach dem Klinikaufenthalt direkt dorthin zurückkehrten. Informationen zum sozioökonomischen Hintergrund und der Familiensituation der Patientinnen und Patienten lagen nicht vor.

Liegezeit verlängert sich um drei bis vier Tage

Bei der Auswertung der Daten stellte sich heraus, dass infolge des Mangels an Pflegeheimplätzen pflegebedürftige Patientinnen und Patienten, die vor dem Klinikaufenthalt im häuslichen Umfeld lebten, im Durchschnitt drei bis vier zusätzliche Tage im Krankenhaus verbringen. Die in der Studie errechneten höheren Kosten von durchschnittlich 400 Euro pro Patienten könnten laut RWI-Forscherinnen tatsächlich noch deutlich höher liegen, denn aufgrund der Fallpauschalen verringerten sich die abrechenbaren Kosten mit steigender Verweildauer. Zudem gehe es nicht nur um Geld: „Die verlängerten Krankenhausaufenthalte können für die Betroffenen gravierende gesundheitliche Nachteile wie erhöhte Infektionsrisiken bedeuten – ein Aspekt, der volkswirtschaftlich zwar schwer zu beziffern ist, aber nicht vernachlässigt werden darf“, so Studienautorin Bergmann.

„Die Personalengpässe in der Pflege beeinträchtigen das Wohlergehen der Betroffenen erheblich. “

Lea Bergmann

Gesundheitsökonomin

Corona-Krise hat das Problem verschärft

„Unsere Studienergebnisse zeigen, dass der Mangel an Pflegeheimplätzen und qualifiziertem Pflegepersonal nicht nur die Verweildauer von Krankenhauspatienten verlängert, sondern auch die Krankenhauskosten erheblich erhöht“, betont Lea Bergmann. Die Studie ende bewusst vor der Pandemie, um Verzerrungen zu vermeiden, erläutert die Gesundheitsökonomin. Beobachtungen aus der Praxis deuteten jedoch darauf hin, dass sich die Situation seitdem weiter zugespitzt habe: „Die Corona-Krise hat einerseits zu Personalengpässen und Heimschließungen geführt, andererseits den Reformdruck erhöht.“ Parallel treibe der demografische Wandel den Bedarf an Pflegeplätzen weiter nach oben, während die Personalknappheit in beiden Sektoren zugenommen habe. „Wir sehen also tendenziell eine Verschärfung des Problems.“

Der Pflegeberuf muss attraktiver werden

„Um dem Pflegenotstand entgegenzuwirken und die überlasteten Krankenhäuser zu entlasten, sollten dringend Maßnahmen zur Ausbildung und Rekrutierung von Pflegekräften ergriffen werden – auch aus dem Ausland“, so Bergmann. Die gezielte Anwerbung ausländischer Fachkräfte müsse praktikabler werden. Die aktuellen bürokratischen Hürden seien viel zu hoch, die Verfahren zu langwierig. „Gleichzeitig brauchen wir bessere Unterstützung bei Spracherwerb und Integration, um die Verweildauer der Fachkräfte zu erhöhen.“

Zudem müssten die Arbeitsbedingungen in der Pflege grundlegend verbessert werden. Bessere Bezahlung sei wichtig, reiche allein aber nicht. Es brauche familienfreundlichere Arbeitszeiten, weniger Bürokratie und mehr technische Unterstützung, um körperliche Belastungen zu reduzieren. Bergmann: „Wer die Personalkrise in der Pflege lösen will, muss den Beruf attraktiver machen – für einheimische wie für zugewanderte Fachkräfte.“

Grafik: Zwei Personen halten eine Zahlenreihe in Milliardenhöhe, in der sich die Ziffern schnell verändern. Darüber sind verschiedene Symbole abgebildet: Eine Gruppe älterer Menschen an Gehwagen und Gehstöcken, ein Tresor, aus dem Geldscheine quillt und eine Waage, die zwischen Geld und medizinischen Leistungen abwägt.
Die gesetzliche Krankenversicherung und die soziale Pflegeversicherung stehen von zwei Seiten unter Druck. Regelmäßig übersteigen die Leistungsausgaben die Einnahmen. Und eine sprunghafte Politik gefährdet eine nachhaltige Finanz- und Versorgungsplanung.
14.02.2025Thomas Rottschäfer7 Min

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