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Pflegende Beschäftigte haben häufiger gesundheitliche Beschwerden

05.08.2024 Solveig Giesecke 4 Min. Lesedauer

Mehr als acht von zehn pflegebedürftigen Menschen in Deutschland werden zuhause betreut. Wie kommen pflegende Angehörige, die berufstätig sind, mit der Doppelbelastung klar und was hilft ihnen? Darauf gibt eine aktuelle Analyse des Instituts für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabilitation an der Deutschen Sporthochschule Köln Antworten.

Foto: Eine jüngere Frau sitzt neben einem älteren Mann und hält seine Hand.
Die meisten Pflegebedürftigen werden zuhause gepflegt – von Angehörigen, Freunden und Nachbarn.

Immer mehr Menschen übernehmen privat Pflegeaufgaben. Ein Sturz, ein Unfall, eine Behinderung oder die Folgen von Krankheit und Alter: Millionen Menschen brauchen regelmäßig eine Betreuung, um in den eigenen vier Wänden bleiben zu können. Rund 84 Prozent der Menschen, die einen anerkannten Pflegegrad haben, werden zuhause gepflegt. Die informelle Pflege übernehmen oft Verwandte, Freunde oder Nachbarn. Viele der Helfenden sind berufstätig. An diesem Punkt trifft die Pflegekrise auf die Fachkräftekrise. Es ist also nicht nur im Interesse von privat pflegenden Berufstätigen, sondern auch im Interesse von Arbeitgebern, dass für das Thema sensibilisiert und Vereinbarkeitslösungen geschaffen werden.

Wohlbefinden von informell pflegenden Berufstätigen


Eine aktuelle Analyse von Mathis Elling und Christian Hetzel vom Institut für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabilitation (iqpr) an der Deutschen Sporthochschule Köln zeigt, wie sich die Balance zwischen Beruf und Pflege auf das Wohlbefinden, die Arbeitszeit oder die Produktivität von informell pflegenden Berufstätigen auswirkt. Zudem wirft die Studie einen Blick auf die Soziodemografie dieser Gruppe und auf Betriebsstrukturen, in denen pflegende Erwerbstätige beschäftigt sind. 

Elling und Hetzel haben im Auftrag des Kuratoriums Deutsche Altershilfe (KDA) die Gruppe der pflegenden Erwerbstätigen anhand der BIBB-/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2018 für das Landesprogramm „Vereinbarkeit von Beruf & Pflege NRW“ analysiert. Die Erwerbstätigenbefragung des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) 2018 ist ein repräsentativer Datensatz für erwerbstätige Menschen in Deutschland mit rund 20.000 befragten Personen. Die Forscher untersuchten die Antworten von mehr als 1.500 Erwerbstätigen, die parallel zum Job eine private Pflegeverantwortung tragen. Dabei haben sie sowohl den Bereich der Arbeits- als auch den der Pflegesituation in ihre Befragung einbezogen.

Pflegeumfang und Arbeitszeit stehen in Verbindung

Die Ergebnisse der Sekundärdatenanalyse zeigen, dass Pflegeumfang und Arbeitszeit miteinander in Verbindung stehen. Beide Umfänge stehen wiederum in Korrelation zum Wohlbefinden. So haben pflegende Beschäftigte häufiger gesundheitliche Beschwerden als Erwerbstätige ohne Pflegeverantwortung. Zu den häufigen gesundheitlichen Beschwerden zählen unter anderem Nacken-, Kreuz- und Kopfschmerzen.

Innerhalb der Gruppe der pflegenden Beschäftigten sind erwartungsgemäß Personen mit einer langen Arbeitszeit in Kombination mit einem hohen Pflegeumfang besonders betroffen. Bei den Krankheitstagen zeigt sich ein ähnliches Bild, wobei es jedoch eine bemerkenswerte Ausnahme gibt: Personen mit hoher Arbeitszeit und geringem Pflegeumfang haben erstaunlich wenig Fehltage.

Vorwiegend Frauen stemmen Doppel- oder Dreifachbelastung

Von den mehr als 1.500 Befragten, die angaben, Beruf und private Pflege unter einen Hut bekommen zu müssen, sind 62 Prozent Frauen und 38 Prozent Männer. 63 Prozent der informell pflegenden Beschäftigten sind verheiratet, 13 Prozent geschieden. 21 Prozent gaben an, ledig und 2,9 Prozent verwitwet zu sein. 77 Prozent der privat pflegenden Erwerbstätigen haben Kinder – bei 27 Prozent leben die Kinder noch mit im Haushalt und sind nicht volljährig.

Die Hälfte der rund 1.500 für diese Studie untersuchten Berufstätigen arbeitet im sekundären Dienstleistungsbereich (50 Prozent), 14 Prozent sind in produktionsbezogenen Bereichen. Knapp ein Drittel (28 Prozent) der pflegenden Erwerbstätigen arbeitet in Betrieben mit 20 bis 99 Beschäftigten. 31 Prozent der Arbeitnehmer mit Pflegeverantwortung gaben an, im öffentlichen Dienst tätig zu sein.

Foto einer alten Damen, der die Haare gebürstet werden
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Erwerbstätigkeit reduziert – deutliche Gehaltsunterschiede

Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit der untersuchten pflegenden Erwerbstätigen beträgt 36 Stunden. In der Studie zeigen sich entsprechend dem Pflegeaufwand und einer Arbeitsreduzierung Gehaltsunterschiede. Das durchschnittliche Monatseinkommen liegt hiernach bei Personen mit privater Pflegeverantwortung bei 3.036 Euro und damit deutlich unter dem von Beschäftigten ohne private Pflegeaufgabe (3.574 Euro).

Laut aktuellem Monitor „Häusliche Pflege im Fokus“ des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO), der auf Daten aus 2023 beruht, hat fast jede vierte Hauptpflegeperson im Alter zwischen 18 und 65 Jahren die eigene Erwerbstätigkeit aufgrund der Übernahme von häuslicher Pflege reduziert oder ganz aufgegeben. Lediglich 46 Prozent der Hauptpflegepersonen im erwerbsfähigen Alter üben eine Tätigkeit in Vollzeit aus.

Sechs Vereinbarkeitstypen

Die Gruppe der pflegenden Beschäftigten wurde in der Analyse in sechs Vereinbarkeitstypen unterteilt, um genauere Aussagen treffen zu können.
Diese sechs Typen ergeben sich aus der jeweiligen Kombination von geleistetem Pflegeumfang und Arbeitszeit im Berufsleben.

Geleisteter Pflegeumfang:
„Low Care"
beinhaltet in diesem Zusammenhang neun Stunden oder weniger Pflegeaufwand pro Woche.
Bei „High Care" übernehmen die informell pflegenden Berufstätigen neun Stunden oder mehr Pflege pro Woche.

Arbeitszeit im Beruf:
Die Arbeitszeit, die die Befragten ihrem Beruf nachgehen, wird in „Low Work" (zehn bis 20 Stunden pro Woche), „Medium Work" (21 bis 40 Stunden pro Woche) und „High Work" (41 bis 80 Stunden pro Woche) unterteilt.

Daraus ergibt sich folgende Verteilung auf die unterschiedlichen Vereinbarkeitstypen:
Typ 1 „Low Care" und „Low Work": 7,2 Prozent der analysierten Befragten
Typ 2 „Low Care" und „Medium Work": 26,3 Prozent
Typ 3 „Low Care" und „High Work": 16,8 Prozent
Typ 4 „High Care" und „Low Work": 8,7 Prozent
Typ 5 „High Care" und „Medium Work": 27,6 Prozent
Typ 6 „High Care" und „High Work" 13,4 Prozent

Die beiden größten Vereinbarkeitsgruppen fallen also in den Bereich „Low Care" und „Medium Work" sowie „High Care" und „Medium Work". Der Großteil der analysierten Erwerbstätigen arbeitet demnach zwischen 21 und 40 Stunden pro Woche. In beiden Typengruppen überwiegt die Anzahl der Frauen, die privat eine Pflegeverantwortung haben. Die Männer überwiegen nur in den beiden „High Work"-Gruppen, „High Care" und „High Work" sowie „Low Care" und „High Work".

Die Analyse berücksichtigt nicht eine Bandbreite an Vereinbarkeitslösungen, wohl aber Angebote zur flexibleren Gestaltung der Arbeitszeit und des Homeoffices. Zur Frage, ob Homeoffice gewünscht wäre, gibt es in der Erhebung keine großen Unterschiede bei Beschäftigten, die privat Pflegeverantwortung tragen, und denen ohne. Tatsächlich gaben viele der pflegenden Angehörigen an, dass sich ihre Arbeit nicht gut im Homeoffice erledigen ließe. Hier könnte sich das Meinungs- und Erfahrungsbild allerdings nach Corona etwas geändert haben. Personen, die eine Homeoffice-Möglichkeit hatten, waren im Schnitt aber einen Tag weniger krankgemeldet und gaben öfter an, sich insgesamt gut zu fühlen.  

Bemerkenswert ist, dass Beschäftigte, die privat keine Pflegeverantwortung tragen, öfter angaben, „häufig“ Unterstützung vom Vorgesetzten zu erfahren, als Erwerbstätige mit Pflegeverantwortung. Auch gelingt es der Gruppe der Erwerbstätigen mit Pflegeverantwortung seltener, familiäre und private Belange bei der Arbeitszeit zu berücksichtigen als der Gruppe ohne Pflegeverantwortung.

 

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