Zukunft der Pflege: Ein Roboter als freundlicher Begleiter
Maschinen und Künstliche Intelligenz können helfen, die Pflege zu verbessern, ist Dr. Björn Kiehne überzeugt. Der Pfleger, Erziehungswissenschaftler und Schriftsteller erläutert, warum er in der Entwicklung menschenähnlicher Roboter eine große Chance sieht.
Herr Dr. Kiehne, Sie haben ein Buch über eine alte Dame und einen Pflegeroboter geschrieben. Welche Rolle spielt dabei die Künstliche Intelligenz?
Kiehne: Ich habe mich gefragt, wann eine Maschine Gefühle entwickelt und damit eine Identität. Für mich ist die Geschichte von Madame und Antoiin eine Utopie, die mir hilft, mit meinen eigenen Ängsten in Bezug auf eine mögliche Pflegebedürftigkeit umzugehen. Ich habe Antoiin, den Pflegeroboter, als freundlichen Begleiter und aufmerksamen Gesprächspartner erfunden, der die Mängel ausgleicht, die unser Pflegesystem aufweist. Besonders interessiert hat mich dabei seine emotionale Intelligenz. Seine kognitive Intelligenz habe ich bereits vorausgesetzt. Die Geschichte spielt in einer imaginären Zukunft.
Der Pflegeroboter wird zum Freund der alten Dame. Wie viel hat Ihr Szenario mit der Wirklichkeit zu tun?
Kiehne: Es hat einiges mit der heutigen Wirklichkeit und sehr viel mit einer möglichen Zukunft zu tun. Patienten reagieren gut auf die Ansprache durch Pflegeroboter. In der Entwicklung von menschenähnlichen Pflegerobotern sehe ich eine große Chance. Was ist der Unterschied zwischen der Resonanz, die ein Tier oder die Natur in uns auslöst, und der, die durch eine Maschine erzeugt wird? Wir sind schon immer im Gespräch mit der unbelebten und nicht-menschlichen Welt. Letztendlich sind wir im Gespräch mit uns selbst. Und dieses Gespräch können wir mit Maschinen und Menschen positiv gestalten, indem wir uns auf wertschätzende Weise unterhalten.
„Pflegeroboter können Tätigkeiten übernehmen, die Menschen aufgrund mangelnder Zeit und Kraft nicht mehr schaffen.“
Krankenpfleger, Erziehungswissenschaftler und Schriftsteller
Sie sind selbst Pflegefachmann. Inwiefern könnte ein Roboter Menschen in Ihrem Beruf ersetzen?
Kiehne: Ersetzen ist ein Wort, das mir hier nicht hilfreich erscheint. Es löst Ängste aus. Eine Station, die wie eine Autowaschstraße für Menschen aussieht, ist ein unheimliches Zukunftsbild. Ergänzen trifft es besser: Pflegeroboter können Tätigkeiten übernehmen, die Menschen aufgrund mangelnder Zeit und Kraft nicht mehr schaffen. Ihre Mitarbeit kann Raum für Pflegetätigkeiten schaffen, die auf der Begegnung zweier Menschen beruhen, wie das persönliche Gespräch, ein Spaziergang oder sich gemeinsam ein Bild ansehen. Pflegeroboter können ergänzend zum Blick der professionell Pflegenden auf das schauen, was ein Pflegebedürftiger kann, nicht nur auf das, was fehlt. So können Selbstpflegekompetenzen erhalten und weiterentwickelt werden.
Ich konnte das in der Pflege von Menschen mit Krebs im Endstadium erleben. Noch bis wenige Tage vor ihrem Tod konnten sie sich teilweise selbst waschen. Doch ich hatte kaum die Zeit und die Ruhe, um ihnen den Raum dafür zu lassen. Das hat sich als schmerzvolle Erinnerung in mein Gedächtnis eingebrannt. In einer idealen Welt haben Menschen diese Zeit. In dieser Welt leben wir aber nicht und werden auch in Zukunft nicht in ihr leben. Deshalb ist es wichtig, die Möglichkeiten von KI und Pflegerobotik zu nutzen.
Dr. Björn Kiehne ist Krankenpfleger, Erziehungswissenschaftler und Schriftsteller. Er absolvierte eine Pflegeausbildung in Heidelberg, studierte Buddhismuskunde in Bombay und Erziehungswissenschaften in Leipzig. Heute lebt er in Berlin und arbeitet an der TU Berlin, wo er ein Programm zum Erwerb von Lehrkompetenz für Forschende leitet. Er ist Mitglied der Dichtergruppe „Der Goldene Fisch“ und Herausgeber der Edition Ilsestein, in der auch seine Erzählung „Madame, Antoiin und die Liebe zu den Sternen“ erschienen ist.
Was können Digitalisierung und Künstliche Intelligenz schon heute dazu beitragen, Menschen mit Pflegebedarf ausreichend zu versorgen?
Kiehne: Sie tun schon viel: Vom Staubsaugroboter bis zur Waschmaschine, KI und digitale Funktionen sind in vielen Haushaltsgeräten vorhanden. Aber nicht alles, was blinkt, ist gleich KI. Hier sind drei Beispiele, die ich interessant finde:
- Assistenz bei der Patientenpflege: Pflegeroboter wie der „Robear" in Japan werden in Pflegeheimen und Krankenhäusern eingesetzt, um Pflegekräfte bei der körperlich anstrengenden Arbeit zu unterstützen. Sie helfen beim Heben und Transferieren von Patienten aus dem Bett in den Rollstuhl oder ins Bad. Dies entlastet das Pflegepersonal und reduziert das Risiko von Verletzungen.
- Medizinische Versorgung und Therapieunterstützung: Roboter wie der „TUG" von Aethon liefern Medikamente, Labormuster und andere medizinische Materialien in Krankenhäusern. Sie navigieren autonom durch die Gänge und helfen dabei, die Effizienz der medizinischen Versorgung zu steigern. Andere Roboter, wie „Paro“ werden in der Therapie eingesetzt, um älteren Menschen und Patienten mit Demenz durch Interaktion und sensorische Stimuli emotionalen Komfort zu bieten.
- Haushaltsunterstützung für ältere Menschen: Roboter wie „Jibo" oder „Buddy" werden in Haushalten eingesetzt, um älteren Menschen bei täglichen Aufgaben zu helfen. Sie können an Medikamenteneinnahmen erinnern, soziale Interaktionen fördern, Notrufe absetzen und einfache Haushaltsaufgaben wie das Überwachen von Haushaltsgeräten übernehmen. Diese Roboter verbessern die Lebensqualität und Autonomie älterer Menschen, die allein leben.
Alte Menschen haben häufig Schwierigkeiten, bei der Digitalisierung Anschluss zu halten. Wie lassen sich solche Schwierigkeiten überwinden?
Kiehne: Alte Menschen müssen nicht zu Digitalexpertinnen oder -experten werden. Das wäre ein zu hoher Anspruch. Wie viele Menschen verstehen, wie Waschmittel funktioniert? Ich behaupte, relativ wenige. Müssen sie das, um ihre Wäsche zu waschen? Ich denke nein. Aber jeder würde sagen, dass Waschmittel hilfreich für unseren Lebensalltag ist. Ähnlich würde ich einen Umgang mit KI und der Digitalisierung vorschlagen. Pflegeroboter oder Haushaltshelfer haben viele Vorteile. Sie machen das Leben leichter. Wie bei einer neuen Landschaft, die man im Urlaub entdeckt, oder einem neuen Haustier, können wir sie kennenlernen. Deshalb würde ich vorschlagen, die Aufmerksamkeit auf den Nutzen im Alltag zu richten und darauf zu achten, was mit den Daten geschieht, die KI generiert. Nicht, dass irgendwo eine gierige Erbin sitzt, die es auf das Geld abgesehen hat, wie in der Geschichte von Madame und Antoiin. Aber seien Sie sich versichert: Nicht nur Maschinen sind klug. Wir können als Menschen mit den neuen Möglichkeiten von KI und Robotik sehr wohl verantwortlich und kreativ umgehen. Und wir haben eine Verantwortung für die Menschen, die unserer Fürsorge und Pflege bedürfen, Technologie zu ihrem Wohl zu nutzen.
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