Weiter zu viel Zucker, Fett und Salz in Fertigprodukten
Übergewicht, Adipositas, Typ-II-Diabetes, Herz-Kreislauf-Leiden: Die Liste der mit ungesunder Ernährung im Zusammenhang stehenden Erkrankungen ist lang. Die Bundesregierung hat daher 2018 die Nationale Reduktions- und Innovationsstrategie für Zucker, Fette und Salz in Fertigprodukten (NRI) gestartet. Seitdem haben sich insgesamt elf Verbände der Lebensmittelwirtschaft verpflichtet, den Anteil dieser Substanzen bis 2025 zu verringern. Doch ein Bericht zeigt: Es ist noch viel zu tun, um verarbeitete Lebensmittel gesünder zu machen.
Die Reduktionsinitiative ist Teil der Ernährungsstrategie der Bundesregierung unter dem Titel „Gutes Essen für Deutschland“. 2020 hat das Ministerium einen ersten NRI-Zwischenbericht vorgelegt und im Juli 2023 einen Sonderbericht zu Produkten mit Kinderoptik. Seit dem ersten Etappenbericht 2020 haben sich der Verband Deutscher Großbäckereien und der Bundesverband Deutscher Wurst- und Schinkenproduzenten mit Zusagen zur Verringerung von Salz der Initiative angeschlossen.
Trotz Reduktion von Zucker und Salz noch keine ausgewogene Ernährung
Der jüngst vorgelegte neue Zwischenbericht, der auf Erhebungen des Max-Rubner-Instituts (MRI) beruht, zeigt laut Bundeministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), „dass die bislang durchgeführten Produktreformulierungen noch nicht ausreichen, um eine ausgewogene Ernährung im erforderlichen Umfang zu unterstützen“. In einigen Produktgruppen seien Zucker-, Fett-, Salz- und teilweise auch der Energiegehalt reduziert worden. Allerdings sei auch erkennbar, dass die Reduktionsbemühungen der Lebensmittelindustrie in den vergangenen Jahren teilweise nachgelassen hätten oder zum Stillstand gekommen seien. In einigen Produktgruppen wurden gar Erhöhungen der Energie- beziehungsweise Nährstoffgehalte festgestellt.
Das BMEL führt eine Reihe von Beispielen an: Bei den Joghurt- sowie gesüßten Quarkzubereitungen zeigten sich im Vergleich zur Basiserhebung von 2016 im ersten Zwischenbericht 2020 signifikante Verringerungen der durchschnittlichen Zuckergehalte um 13 beziehungsweise 23 Prozent bei gleichzeitiger Reduktion der Energiegehalte um acht beziehungsweise elf Prozent. Im Vergleich zur ersten Folgeerhebung 2019 sank der Zuckergehalt bei Joghurtzubereitungen danach nochmal um sechs Prozent. Bei den gesüßten Quarkzubereitungen gab es hingegen seit 2019 keine statistisch signifikante Veränderung. Die Zuckergehalte in gesüßten Milchprodukten mit Kinderoptik blieben seit 2019 mit durchschnittlich 11,5 Gramm pro 100 Gramm im Jahr 2022 hoch, das Reduktionstempo hat sich verlangsamt. Seit 2016 ist hier eine Zuckerreduzierung um durchschnittlich 19 Prozent zu verzeichnen, seit 2019 um sechs Prozent. Doch: 26 Prozent der Joghurts, gesüßten Quarks und Trinkjoghurts mit Kinderaufmachung lagen 2022 oberhalb des Grenzwertes für den Zuckergehalt des aktuellen Nährwertprofil-Modells der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für die Vermarktung gegenüber Kindern. Bei Frühstückscerealien ging der Zuckeranteil im Vergleich zur Basiserhebung um 20 Prozent zurück, gleichzeitig stieg aber der durchschnittliche Fettgehalt um 19 Prozent.
Mehr Zucker in "Limonaden light"
Bei der Gesamtstichprobe der Erfrischungsgetränke zeigte sich zwischen 2018 und 2022 zwar eine signifikante Verringerung der Zuckergehalte um fünf Prozent, jedoch keine besondere Veränderung im Vergleich zur ersten Folgeerhebung 2019. Bei gesüßten Erfrischungsgetränken sei zwischen Basis- und erster Folgeerhebung ein signifikanter Rückgang der Zuckergehalte festzustellen, schreibt das Ministerium. Dieser setzte sich jedoch zwischen dem ersten und zweiten Etappenbericht nicht fort. Bei einigen Produktuntergruppen erhöhte sich der Zuckergehalt seit der Basiserhebung sogar signifikant, etwa bei „Limonaden light“. Bei fruchthaltigen Getränken mit Zuckerzugabe zeigten sich zwischen 2018 und 2022 keine besonderen Veränderungen beim Zuckergehalt.
Bei Nudelsoßen verringerten die Hersteller den Salzanteil zwischen 2016 und 2021 spürbar, bei den absatzstarken Bolognese-Soßen mit Fleisch gar um 15 Prozent. Bei hellen Nudelsoßen mit Käse oder Sahne seien aber trotz Reduzierungen weiter relativ hohe Energie- und Fettgehalte aufgefallen, berichten die Autoren. Nudelsoßen mit Kinderoptik wiesen zwar den geringsten Salzgehalt, dafür allerdings den höchsten Zuckergehalt unter den Nudelsoßen auf. Für die ebenfalls viel konsumierten Eintöpfe fanden die Experten zwischen 2016 und 2022 keine nennenswerten Veränderungen.
Bei Feingebäckbeobachteten die Tester zwischen 2016 und 2021 eine durchschnittliche Zuckerreduktion um sieben Prozent bei gleichzeitiger Erhöhung der Gehalte an Fett und gesättigten Fettsäuren um 4,3 beziehungsweise 4,8 Prozent. Zuckerreduktionen wurden laut BMEL in sieben von 32 untersuchten Produktuntergruppen festgestellt.
Özdemir will Druck auf Industrie machen
Bundesernährungsminister Cem Özdemir zeigt sich mit den Ergebnissen nicht zufrieden. Eine gute und ausgewogene Ernährung werde schwierig, wenn in verarbeiteten Lebensmitteln viel Zucker, Salz und Fett enthalten sei. „Nicht jeder, der sich ungesund ernährt, will das auch oder ist selbst schuld“, unterstreicht der Grünen-Politiker in dem Bericht und fügt hinzu: „Was wir essen, wird auch davon beeinflusst, ob uns der Alltagsstress im Griff hat und es schnell gehen muss, ob echte Wahlfreiheit besteht und was leicht zugänglich ist.“ Nach Ansicht der ernährungs- und agrarpolitischen Sprecherin der Grünen und früheren Bundeslandwirtschaftsministerin Renate Künast zeigt die Analyse, dass die freiwilligen Selbstverpflichtungen der Lebensmittelwirtschaft und ihre Umsetzung noch nicht ausreichen, um das Ziel einer ausgewogenen Nährstoff- und Energieversorgung zu unterstützen.
Parteikollege Özdemir will nun mehr Druck auf die Ernährungsindustrie ausüben. Unter der Leitung des Max Rubner-Instituts sei ein Prozess mit Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft und der Lebensmittelwirtschaft gestartet, „um Methoden für die Ableitung von Reduktionszielen zu entwickeln“. Bis Ende 2024 solle eine „objektiv, wissenschaftlich fundierte Grundlage für weitere Reformulierungen“ geschaffen werden. Ein Abschlussbericht zur NRI ist für das Jahr 2026 geplant.
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