Artikel Prävention

Wie lässt sich die Gesundheitskompetenz von Kindern und Jugendlichen stärken?

12.02.2025 Tina Stähler 4 Min. Lesedauer

Immer mehr Menschen haben Probleme, Gesundheitsinformationen zu finden und richtig einzuordnen – das gilt auch für Kinder und Jugendliche. Wie sich diese Altersgruppe im Schulumfeld erreichen lässt und ob die Einführung eines Schulfachs Gesundheit bei der Vermittlung von Gesundheitsfragen helfen kann, beantworten Experten in G+G.

Foto: Eine Lehrerin steht vor einer Schulklasse, neben ihr ein Smartboard.
Die Module AOK Rheinland/Hamburg lassen sich einfach in den Unterricht integrieren.

Junge Menschen wachsen heute wie selbstverständlich mit digitalen Medien und Informationsangeboten auf. Diese spielen auch bei der Recherche zu gesundheitsbezogenen Themen eine immer größere Rolle. Aber wie ist es um die digitale Gesundheitskompetenz von Kindern und Jugendlichen bestellt? „Die digitale Informationsflut nimmt immer mehr zu. Viele Menschen können nicht mehr zwischen Fakten und Fake News unterscheiden“, verdeutlichte Dr. Astrid Naczinsky, Stabsbereichsleiterin Versorgung und Medizin der AOK Rheinland/Hamburg, auf dem Kongress des Bundesverbands Managed Care (BMC) in Berlin. Dies mache es immer schwerer, effektive und gesunde Handlungen aus den „unüberschaubaren Informationsangeboten“ abzuleiten.

Verschiedene Studienberichte attestieren mehr als der Hälfte (53 Prozent) der Schülerinnen und Schüler in Deutschland eine geringe digitale Gesundheitskompetenz. Lehrkräfte schneiden nur geringfügig besser ab. 58,8 Prozent der Menschen in Deutschland haben laut Erhebungen der Universität Bielefeld eine geringe allgemeine Gesundheitskompetenz. Diese hat sich in den letzten Jahren weiter verschlechtert.

Was ist Gesundheitskompetenz?

Gesundheitskompetenz basiert auf Literalität und umfasst die Fähigkeit von Menschen, Gesundheitsinformationen in unterschiedlicher Form

• zu finden

• zu verstehen

• zu beurteilen

• und anzuwenden,

um im Alltag in den Bereichen Krankheitsbewältigung, Prävention und Gesundheitsförderung Urteile fällen und Entscheidungen treffen zu können.

Quelle: Sørensen et al. (2012); Übersetzung durch Pelikan, Ganahl (2017)

Einführung eines Schulfachs Gesundheit sinnvoll?

Doch wie lassen sich insbesondere junge Menschen mit Informationsangeboten zum Thema Gesundheit erreichen? Bildung ist in Deutschland Ländersache und stark reglementiert. Bislang gibt es in Deutschland keinen verbindlichen Lehrplan für die Themen Gesundheit und Gesundheitserziehung. Gesundheitskompetenz ist damit kein festes Schulthema oder -fach, sondern nur Bestandteil von bereits vorhandenen Fächern wie Biologie oder Sachkunde. Je nach Bundesland ist die Vermittlung von gesundheitsbezogenen Themen ganz unterschiedlich geregelt. Die Geschäftsführerin der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, Dr. Kiran Virmani, warnte gegenüber G+G davor, dass gerade Kinder und Jugendliche einer Vielzahl von Einflüssen sowie Falschinformationen über die sozialen Netzwerke, durch Werbung sowie Influencerinnen und Influencer ausgesetzt seien. „Hier kann Schule wirkungsvoll ansetzen und über ein Schulfach Gesundheit wissenschaftlich fundierte Grundlagen für das ganze Leben vermitteln.“

Stefan Düll, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, plädierte im Gespräch mit G+G dafür, Gesundheit in bereits vorhandene Fächer zu integrieren. „Die Einführung eines neuen Fachs Gesundheit konkurriert mit Forderungen nach Fächern wie Finanzen oder Lebenskunde und benötigt in Zeiten des Lehrkräftemangels zusätzlich qualifizierte Lehrkräfte.“ Auch die Stabsbereichsleiterin der AOK Rheinland/Hamburg sieht die Einführung eines gesonderten Schulfachs differenziert: „Es wäre schön, wenn wir ein Schulfach Gesundheit hätten, mit ausgebildeten Lehrern, die das Fach und die Inhalte vermitteln könnten. Doch die Rahmenbedingungen lassen dies derzeit nicht zu. Schule kann bei der Stärkung der Gesundheitskompetenz aber auch nur ein Mosaikstein sein“, betonte Naczinsky auf dem BMC-Kongress.

AOK startet mit Universität Bielefeld Pilotprojekt

Als Alternative zu einem gesonderten Schulfach Gesundheit hat die AOK Rheinland/Hamburg gemeinsam mit der Universität Bielefeld ein Angebot für die Klassen fünf bis zehn (Sekundarstufe I) aller Schulformen entwickelt. Dieses wird seit September 2023 in einer Pilotphase, unter anderem in Schulen in Gummersbach, Köln und bald auch in Aachen, eingesetzt. Von Beginn an wurden Lehrerinnen und Lehrer geschult und inhaltlich eingebunden. „Denn je höher die digitale Gesundheitskompetenz des Schulpersonals ausgebildet ist, desto eher werden Inhalte der digitalen Gesundheitskompetenz in der Schule vermittelt“, erläuterte Naczinsky.

Wozu führt mehr Gesundheitskompetenz?

Gesundheitskompetenz führt zu

  • zielgenauem Zugang zu Gesundheitsinformationen
  • verständlichem Umgang mit Gesundheitsinformationen
  • sicherem und selbstständigen Navigieren im Netz und im Gesundheitssystem
  • besserem Gesundheitsbewusstsein und geringerer Krankheitslast
  • informierten Entscheidungen für die Gesundheit
  • besserem Schutz persönlicher Daten im Netz

Damit verbessert die Gesundheitskompetenz nicht nur den Gesundheitszustand und das allgemeine Wohlbefinden, sondern zahlt auch auf die gesamtgesellschaftliche und soziale Verantwortung ein.

Quelle: AOK Rheinland/Hamburg

Foto: Eine Schulklasse sitzt im Unterricht und meldet sich. Vorne steht eine Lehrerin.
Immer mehr Kinder und Jugendliche ernähren sich ungesund, bewegen sich zu wenig oder rauchen. Kann ein Fach Gesundheit dies ändern oder sollte Gesundheitskompetenz in den bestehenden Lehrplan integriert werden?
20.09.20236 Min

Module einfach integrierbar

Die Materialien zum Thema „digitale Gesundheitskompetenz“ konzentrieren sich auf die drei Themenbereiche „Suchen und finden“, „Influencer“ und „Energydrinks“. Anhand 21 digitaler Tafelbilder beschäftigen sich die Schülerinnen und Schüler kreativ und interaktiv mit den Inhalten. Das Unterrichtsvorhaben kann im Unterricht, an Projekttagen und in Vertretungsstunden platziert werden. Es umfasst drei Module und setzt sich mit der zielgerichteten Auswahl von Quellen sowie der kritischen Bewertung und Nutzung von Gesundheitsinformationen auseinander. „Unsere drei Doppelstunden passen überall rein – auch in Mathe- oder Geschichts-Vertretungsstunden“, machte Naczinsky deutlich.

Eine Evaluation begleitet die Pilotphase. Außerdem werden die Lehrkräfte während der Umsetzung und Erprobung des Unterrichtsvorhabens fortlaufend unterstützt. So können die Wirksamkeit des Projekts erfasst und notwendige Veränderungen, Lern- und Erkenntnisziele direkt umgesetzt werden. Nach der Pilotierung und Evaluation kann das Schulprojekt voraussichtlich Ende 2025 in allen Regionaldirektionen der AOK Rheinland/Hamburg im Rheinland eingesetzt werden.

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