Artikel Prävention

Bei Kleinkinder-Zahnvorsorge ist noch Luft nach oben

23.09.2024 Thomas Rottschäfer 4 Min. Lesedauer

Die Krankenkassen setzen sich dafür ein, Früherkennungsuntersuchungen beim Zahnarzt in das gelbe Kinderuntersuchungsheft einzutragen.

Foto: Eine Mutter liegt mit ihrem Kind auf dem Schoß auf einem Zahnbehandlungsstuhl. Eine Frau in Ärztetracht behandelt das Kind, das den Mund geöffnet hält.
Um frühkindliche Karies zu vermeiden, sollten Eltern die Früherkennungsuntersuchungen beim Zahnarzt mit ihren Kindern wahrnehmen.

Die Einbindung erster zahnärztlicher Kontrollen ins U-Heft könne die Betreuungspersonen an anstehende Kontrollen erinnern und so die Zahngesundheit bei Kleinkindern weiter verbessern, sagt Michael Kleinebrinker vom Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-SV). Zwar sei die Inanspruchnahme der zahnärztlichen Früherkennungsuntersuchungen bei Kindern „zuletzt stetig gestiegen“. Bei Babys und Kindern bis sechs Jahre gebe es allerdings „noch Luft nach oben“. „In diesen Altersklassen sollten noch mehr Kinder von den GKV-Leistungen zur Früherkennung Gebrauch machen“, so Kleinebrinker. Deshalb berate der Gemeinsame Bundesausschuss gerade über die Aufnahme der Zahnarzt-Früherkennung in das U-Heft.

Anteil der Kleinkinder mit Karies immer noch hoch in Deutschland

„Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern ist in Deutschland der Anteil der Kleinkinder mit Karies immer noch hoch“, erläutert Anett Neukampf vom AOK-Bundesverband. Sie vertritt seit Langem die gesetzlichen Krankenkassen in der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege (DAJ). Die DAJ hat umfangreiche Angebote und Informationen für alle Beteiligten entwickelt. „Im Vordergrund steht dabei das tägliche Zähneputzen, wodurch die Kinder frühzeitig lernen, auf die eigene Mundgesundheit zu achten und sie zu erhalten“, so Neukampf. Wichtig für die frühe Förderung der Mundgesundheit von Kleinkindern sei auch die Gruppenprophylaxe in den Kitas. „Im Vordergrund steht dabei das tägliche Zähneputzen der Kinder gemeinsam mit den Erzieherinnen und Erziehern. Auch dadurch lernen die Kinder schon früh, auf die eigene Mundgesundheit zu achten und sie zu erhalten.“ Die Gruppenprophylaxe erreicht laut DAJ rund 1,9 Millionen Kita-Kinder jährlich, davon etwa ein Drittel unter drei Jahren.

Hebammen werden eingebunden

Zuletzt hat die DAJ gemeinsam mit dem Deutschen Hebammenverband ein Unterrichtskonzept für angehende Hebammen entwickelt. Es beinhaltet neben Informationen über die zentralen Themen Mundhygiene und Kariesprophylaxe bei Mutter und Kind auch Aspekte wie den Umgang mit Beruhigungssaugern, Fluoridanwendung sowie Baby- und Kleinkindernährung. „So können wir die Zahngesundheit schon in die Schwangerenbetreuung integrieren und werdende Mütter frühzeitig dafür sensibilisieren“, betont AOK-Expertin Neukampf.

Tag der Zahngesundheit am 25. September

Die Mundgesundheit von Babys und Kleinkindern ist ein Schwerpunktthema zum Tag der Zahngesundheit, der jedes Jahr am 25. September stattfindet. Mit diesem Aktionstag will ein breites Bündnis aus zahnärztlichen Organisationen, Krankenkassen, öffentlichem Gesundheitsdienst sowie rund 30 weiteren Organisationen das Wissen über Zahn- und Mundgesundheit verbessern. Dabei geht es den Beteiligten in diesem Jahr auch darum, „mit irreführenden Informationen aufzuräumen“. Dazu gehöre in der Schwangerschaft der Satz „Jedes Kind kostet die Mutter einen Zahn“. „Stimmt nicht“, betont Neukampf. „Das ist ein Mythos, der werdende Mütter verunsichern kann.“ Auch während der Schwangerschaft sollten Frauen auf die klassischen Empfehlungen zur Karies- und Parodontalprophylaxe achten, sagt der Präsident der Bundeszahnärztekammer (BZÄK), Christoph Benz. „Dazu gehören eine gesunde Ernährung, eine sorgfältige Mundhygiene, eine regelmäßige Fluoridanwendung und regelmäßige zahnärztliche Kontrollen.“

Um frühkindliche Karies zu vermeiden, haben Kinder ab Durchbruch des ersten Zahns, ab dem sechsten Monat bis zum vollendeten sechsten Lebensjahr Anspruch auf sechs Früherkennungsuntersuchungen beim Zahnarzt. Dazu gehören laut Richtlinien neben einer Inspektion der Mundhöhle auch die Ernährungs- und Mundhygieneberatung der Betreuungspersonen, Empfehlungen zum Ernährungsverhalten sowie zum Zahnpflegeverhalten. Ab dem Schulalter bis zum 18. Lebensjahr bezahlen die gesetzlichen Krankenkassen dann die Individualprophylaxe mit halbjährlichen Kontrolluntersuchungen.

 

Appell zur Zucker-Reduktion

„Flankiert werden sollten diese Präventionsansätze durch eine Reduktion des Zuckergehaltes in Speisen und Getränken speziell für Kleinkinder und Kinder“, fordert BZÄK-Präsident Benz. Wie die AOK-Gemeinschaft drängen auch die Zahnärzte auf eine rasche Verwirklichung der von Bundesernährungsminister Cem Özdemir (Grüne) vorgestellten Ernährungsstrategie der Bundesregierung. Sie sieht gesünderes Essen in Kitas mit weniger Zucker vor. Das Vorhaben ist Bestandteil des Koalitionsvertrages der Ampel. Mitte Januar hatte das Bundeskabinett Özdemirs Pläne gebilligt. Seitdem ist laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) eine interministerielle Arbeitsgruppe damit beschäftigt, „die Vernetzung der zuständigen Ressorts zu stärken und gemeinsam effizient daran zu arbeiten, dass gutes Essen für alle einfacher wird“. Erste Maßnahmen sollen „bis 2025“ umgesetzt werden. Ein von Özdemir bereits im Februar vorgestellter Gesetzentwurf zur deutlichen Einschränkung von speziell an Kinder gerichtete Werbung für ungesunde Getränke und Lebensmittel hängt immer noch in koalitionsinternen Beratungen fest.

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