Drogenbeauftragter warnt vor akuten und chronischen Risiken bei Lachgas
Lachgas hat sich zu einer Partydroge unter jungen Leuten entwickelt. Die deutschen Drogenbeobachtungsstellen sind alarmiert, das Frühwarnsystem „News“ soll über Befragungen Auskunft über die Nutzung in den verschiedenen Regionen Deutschlands geben. Wie der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Burkhard Blienert, die Lage einschätzt, erläutert er im Interview.
Herr Blienert, Lachgas wird auch bei uns von Jugendlichen als Rauschmittel genutzt. Wie ist die Situation in Deutschland?
Burkhard Blienert: Insbesondere die Entwicklungen in benachbarten Ländern wie Niederlande und Großbritannien sind für uns Anlass, einen möglichen Anstieg des Lachgaskonsums in Deutschland sehr genau zu beobachten. Dazu stehen wir auch in einem engen Austausch mit den Bundesländern, den Überwachungsbehörden, der Deutschen Drogenbeobachtungsstelle sowie über unser nationales Frühwarnsystem „News" mit Expertinnen und Experten der Suchthilfe.
Gibt es bereits Studien oder genauere Daten?
Blienert: Eine Studie der Goethe Universität Frankfurt hat erstmals für 2021 eine Ausweitung des Lachgaskonsums bei Schülerinnen und Schülern in Frankfurt/Main gezeigt. Derzeit gehen wir davon aus, dass die Problematik regional unterschiedlich ausgeprägt ist. Aktuell ist geplant, dass das Frühwarnsystem „News“ einen Trendspotter zu Lachgas erstellt. Dafür werden unter anderem Expertinnen und Experten aus verschiedenen Regionen interviewt und zu ihrer Wahrnehmung des Konsums befragt werden. Es ist wichtig, dort, wo ein starker Konsum beobachtet wird, über die Risiken des Konsums aufzuklären. Darüber hinaus müssen wir Jugendliche stark machen, nein zu sagen, wenn ihnen in der Clique Substanzen wie Lachgas angeboten werden. Zum Thema laufen bereits Gespräche unter anderem mit dem Bundesministerium für Gesundheit, dem Institut für Therapieforschung (IFT) und teils mit den Bundesländern. Ziel ist, dass wir konkretere Daten erhalten, um zu sehen, ob und wie wir gegensteuern müssen.
„Lachgas kann zu Lähmungen führen“
Drogenbeauftragter der Bundesregierung
Im November berichtete der deutsche Rapper Capital Bra, dass er infolge seines Lachgaskonsums eine Lungenerkrankung bekam, nicht mehr laufen konnte und in einer Klinik behandelt werden musste. Welche Gefahren birgt die Partydroge Lachgas?
Blienert: Lachgas hat bei missbräuchlicher Verwendung sowohl akute als auch chronische Risiken. Akut kann es bei Verwendung von reinem Lachgas zu Sauerstoffmangel, Lungenverletzungen, Bewusstlosigkeit und zu Stürzen führen. Diese Risiken sind besonders hoch, wenn Konsumierenden Hilfsmittel wie Plastiktüten nutzen oder direkt aus Kartuschen Lachgas konsumieren. Bei Dauergebrauch kann Lachgas das Nervensystem dauerhaft und schwer schädigen. Es kann zu Lähmungen führen. Nach Expertenaussagen wird die chemische Struktur des Vitamin B12 verändert, so dass es dem Körper nicht mehr zur Verfügung steht. Krankenhäuser berichten über stationäre Aufnahmen wegen Lachgas-Intoxikation. Lachgas ist in Deutschland kein Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes. Soweit Lachgas in der Medizin als Arzneimittel, beispielsweise beim Zahnarzt oder während einer Geburt eingesetzt wird, unterliegt es dem Arzneimittelrecht und ist verschreibungspflichtig. Als Treibgas in Spraydosen und als Aufschäummittel in Sahnespenderkapseln ist das Lachgas für den privaten und gewerblichen Gebrauch verfügbar.
Sind Sie dafür, Lachgas auch in Deutschland als Droge im Sinn des Betäubungsmittelgesetzes einzustufen und den privaten Besitz einzuschränken oder zu verbieten?
Blienert: Eine Einstufung als Betäubungsmittel wäre sehr weitgehend und hätte starke Auswirkungen, allein mit Blick auf die vielfache Verwendung und Verbreitung von Lachgas in der Wirtschaft. Lachgas wird vielfach sowohl industriell als Treibgas in Kartuschen etwa für Sprühsahne als auch in der Medizin als Narkosemittel genutzt. Präventive Schritte wie ein Verkaufsverbot oder allgemeine Warnhinweise müssen sorgfältig erwogen werden, denn diese Maßnahmen können auch unerwünschte Wirkungen haben. Wie im Bericht der europäischen Beobachtungsstelle für Drogen (EMCDDA) dargestellt wird, können beispielsweise allgemeine Warnhinweise zu einer Normalisierung des Phänomens und somit sogar zu einer Beförderung des missbräuchlichen Konsums beitragen.
Erste Länder verbieten Lachgas für Privatgebrauch
Großbritannien hat Lachgas gerade als Droge eingestuft und den privaten Gebrauch mit wenigen Ausnahmen verboten. So gilt das Verbot zum Beispiel nicht für gastronomische Betriebe, die Distickstoffoxid in Sahnespendern verwenden. In den Niederlanden gibt es ebenfalls ein Verbot, Frankreich schränkt die Nutzung an bestimmten Orten ein, der Verkauf an Jugendliche ist verboten.
Lachgas beziehungsweise Distickstoffoxid wird in der Medizin, etwa bei zahnärztlichen Behandlungen, als Schmerzmittel genutzt. Es ist aber auch in Kartuschen frei im Handel verfügbar, etwa um Luftballons aufzufüllen. Inzwischen wird Lachgas jedoch auch vermehrt als Partydroge eingesetzt. Die europäische Beobachtungsstelle für Drogen (EMCDDA) mahnte Anfang 2023, Lachgas werde bei jungen Menschen als Rauschmittel immer beliebter. Nach dem Inhalieren direkt aus der Kartusche oder aus einem Luftballon wird nicht nur die Stimme verändert, je nach Menge setzt auch ein kurzer Rausch ein. Vor allem junge Menschen suchen den Kick durch Lachgas.
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