Artikel Prävention

Sportwetten: Die trügerische Hoffnung aufs schnelle Geld

08.07.2024 Claudia Schmid 4 Min. Lesedauer

Die Fußball-Europameisterschaft der Männer 2024: Für Millionen Fans ist sie das sportliche Highlight des Jahres, zugleich ist sie jedoch ein Milliardengeschäft, unter anderem für Anbieter von Sportwetten. Warum Glücksspiel süchtig machen kann und mit welchen Hilfsangeboten Politik und Verbände gegensteuern wollen – ein Überblick.

Foto: Ein Mann sitzt mit seinem Smartphone, auf dem eine App für Sportwetten zu sehen ist, vor dem TV-Bildschirm, auf dem ein Fußballspiel läuft.
Glücksspiel kann krank machen. Laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung bergen Sportwetten ein hohes Risiko für eine Suchtentwicklung.

Big Player wie Betano, Bet365, NEObet und Tipico machen riesige Umsätze, mit Betano gibt es sogar erstmals bei einer UEFA EURO einen Sportwettenanbieter als Sponsor. Sie alle locken mit schnellen und hohen Gewinnen – die Realität sieht jedoch meist anders aus: Nach Angaben des Bundesdrogenbeauftragten Burkhard Blienert haben Spielende allein in Deutschland im Jahr 2022 mehr als 1,4 Milliarden Euro bei Wetten verloren, fast doppelt so viel wie noch zehn Jahre zuvor. Blienert fordert daher „dringend eine kritische Debatte über die Rolle der Sportwetten im Fußball – auch in Deutschland“. Denn am Ende seien es die Fans, die für dieses Milliardengeschäft die Zeche zahlten, erst mit ihren Spieleinsätzen und später – leider – auch mit ihrer Gesundheit.

Wetten kann süchtig machen

Denn Glücksspiel kann krank machen: So weist die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) darauf hin, dass Sportwetten mit einem hohen Risiko für eine Suchtentwicklung verbunden sein können. Die zuletzt veröffentlichten Studiendaten des BZgA-Glücksspielsurveys aus dem Jahr 2019 zeigen, dass bundesweit hochgerechnet insgesamt von etwa 229.000 problematisch und 200.000 wahrscheinlich pathologisch Glücksspielenden ausgegangen werden muss. 

Den Betroffenen gelingt es dann nicht mehr, ihr Wettverhalten zu kontrollieren – die Jagd nach Gewinnen wird zum einzigen Ziel und das soziale Umfeld zunehmend vernachlässigt. Besonders gefährlich seien Live-Wetten: Ihr großer Anreiz und zugleich ihr Risiko bestehe darin, während eines Sportereignisses durch spontane Einsätze, wie zum Beispiel auf die nächste Gelbe Karte, mehr Geld zu gewinnen – oder bisherige Verluste auszugleichen, so die BZgA. Derartige Entscheidungen seien jedoch kaum durchdacht und Verluste daher programmiert.

Fußball-Knowhow erhöht Gewinnchancen nicht

Kritisch seien in diesem Zusammenhang auch Aussagen der Sportwettenanbieter zu sehen, dass Fußball-Wissen die Chance auf einen Gewinn erhöht. „Sportwetten sind Glücksspiel, weil der Zufall entscheidet, ob man gewinnt oder verliert, und um Geld gespielt wird. Auch wenn Kenntnisse zu Sportereignissen vorliegen, können diese durch unvorhergesehene Umstände wie Verletzungen, Wetterbedingungen oder Fehlentscheidungen beeinflusst werden. Der Ausgang eines Spiels ist nicht kontrollierbar, der Zufallsfaktor bleibt ein dominierendes Element“, stellt die Gemeinsame Glücksspielbehörde der Länder (GGL) auf ihrer Website klar.

Mit einer speziellen Aktion zur Fußball-Europameisterschaft wollen Diakonie und Caritas in verschiedenen Bundesländern daher für Aufklärung sorgen: In Gaststätten und anderen Veranstaltungsorten werden symbolische Gelbe und Rote Karten ausgelegt, die auf die Gefahren von problematischer und unkontrollierter Nutzung von Sportwetten hinweisen. Die Karten enthalten praktische Tipps und Hinweise zu Hilfsangeboten.

Hilfsangebote

Um vor möglichen Suchtrisiken von Glücksspielen wie Sportwetten zu schützen, gibt es ein Sperrsystem mit dem Namen OASIS, das auch für (Online-) Sportwetten verpflichtend ist. Auch Angehörige können Wettende über eine Fremdsperre von Sportwetten ausschließen.

Bei problematischem Glücksspielverhalten bietet die BZgA einen Online-Selbsttest sowie Online-Beratungen für Spielsüchtige und deren Angehörige an.

Unterstützung bietet auch die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen mit ihrem Suchthilfeverzeichnis, das nach Postleitzahl und Ort gegliedert ist.

Auf legale Anbieter achten

Seit Inkrafttreten des aktuellen Glücksspielstaatsvertrags im Juli 2021 sind Sportwetten unter bestimmten Auflagen legal – zum Beispiel, wenn sie Spielerschutzmaßnahmen, wie die Teilnahme an einem zentralen Sperrregister und Begrenzungen der monatlichen Einsätze umfassen. Doch es gibt neben den legalen Anbietern auch unzählige Wettbüros und Online-Angebote, die keine Lizenz haben und daher illegal sind. Dort werden die gesetzlich vorgeschriebenen Maßnahmen zum Schutz vor Glücksspiel- und Wettsucht sowie zum Jugendschutz nicht unbedingt eingehalten. Die Glücksspielbehörden hat eine Übersicht der erlaubten Glücksspielanbieter – die sogenannte Whitelist.

Das Foto zeigt links einen aufgeklappten Laptop, auf dessen Bildschirm die Startseite des Webauftritts gg-digital.de zu sehen ist, in der Mitte ein Smartphone mit dem Newsletter G+G Update auf dem Screen und links die Juniausgabe 2024 des Printmagazins G+G
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24.06.20241 Min

Länder in der Pflicht

Der Bundesdrogenbeauftragte sieht außerdem die Länder in der Pflicht: „Sie müssen dringend an den Glücksspielstaatsvertrag ran. Denn die Sportwettenwerbung ist aus dem Ruder gelaufen: Dass in allen Medien und rund um die Uhr Werbung für Sportwetten laufen darf, heißt, dass diese ungeschützt auch Kinder und Jugendliche sehen – genau die dürfen aber aus guten Gründen gar nicht an Glücksspielen teilnehmen. Selbst Menschen, die eigentlich mit dem Glücksspiel aufhören wollen, werden so ständig von Neuem zum Spielen animiert. Für mich gehört diese Werbung deshalb mindestens raus aus den Hauptsendezeiten der Medien.“

Transparency International, Partner im „Bündnis gegen Sportwettenwerbung“, mahnt außerdem mehr Verantwortung beim Veranstalter der EM an: „Mit Betano wird es erstmals bei einer UEFA EURO einen Sportwettenanbieter als Sponsor geben. Die UEFA EURO 2024 macht Sportwetten damit salonfähig und lässt zu, dass insbesondere die Zielgruppe junger, fußballbegeisterter Männer zum Glücksspiel gelockt wird. Mögliche Kollateralschäden – wie die erheblichen Suchtgefahren – werden hingegen ausgeblendet bzw. bagatellisiert.“

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