Artikel Prävention

Wenn Rapper zum Tabakkonsum verführen

06.09.2024 Thorsten Severin 4 Min. Lesedauer

Deutsche Rap-Musiker sind Stars in den sozialen Medien und erreichen millionenfache Abrufe. Deutschrap ist bei Jugendlichen hierzulande eine der beliebtesten Musikrichtungen auf Plattformen wie Spotify und Apple Music. Viele der Rapper nutzen allerdings ihre Popularität aus: Im Internet werben sie für E-Zigaretten und Shisha-Tabak, obwohl für Tabakerzeugnisse & Co. eigentlich ein Werbeverbot gilt. Experten fordern jetzt Konsequenzen.

Foto: Ein junger Mann und eine junge Frau sitzen nebeneinander und rauchen E-Zigarette.
E-Zigaretten sind bei Jugendlichen beliebt.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) haben die Beiträge der 60 angesagtesten deutschen Rapper – 50 Männer und zehn Frauen ­– auf Instagram, Facebook, Tiktok, Youtube und X untersucht. Die Auswertung, die sich auf Daten von Januar stützt, ergab, dass 26 von ihnen und damit 40 Prozent Shisha-Tabak oder E-Zigaretten vermarkten. Die Produkte trügen meist die Namen der Künstler, die zudem oft als Foto oder Comicfigur auf der Verpackung abgebildet seien, so das DKFZ. Aromen würden oft mit Bildern von gesunden Früchten beworben und suggerierten so Harmlosigkeit. Die meisten Produkte würden über eigene Social-Media-Profile vermarktet, oft gebe es direkt einen Link zu Online-Shops. Dabei sei häufig nicht klar erkenntlich, ob es sich um Eigenmarken der Künstlerinnen und Künstler handele und ob und wie sie an den Firmen beteiligt sind.

Experten: „Vorgaben müssen kontrolliert und durchgesetzt werden“

Oliver Huizinga, Leiter der Abteilung Prävention im AOK-Bundesverband

Der Präventionsexperte des AOK-Bundesverbandes, Oliver Huizinga, findet die Zahlen „besorgniserregend“, gerade wenn man sich vor Augen führe, wie stark Shisha-Tabak und E-Zigaretten boomten. „Die bunten Designs und die Geschmacksrichtungen mit süßen Aromen zielen offenbar auf junge Zielgruppen ab“, sagte er G+G. Dabei sei Werbung im Internet für Tabakerzeugnisse und verwandte Produkte eigentlich verboten. Regeln zum Gesundheitsschutz sollten nicht nur erlassen, sondern müssten auch „kontrolliert und durchgesetzt“ werden, forderte Huizinga.

„Die Social-Media-Plattformen setzen ihre eigenen Regeln, nach denen Tabak nicht beworben werden darf, nicht ausreichend um“, erklärte DKFZ-Präventionsexpertin Katrin Schaller unlängst anlässlich der Präsentation der Ergebnisse. Die Landesbehörden müssten daher endlich auch im Bereich der sozialen Medien aktiv werden. Bislang würden die bestehenden Werbebeschränkungen für die besagten Produkte von ihnen nicht konsequent kontrolliert und umgesetzt.

BMEL sieht Bundesländer in der Pflicht

Auch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) verweist auf Anfrage darauf, dass die Einhaltung der rechtlichen Vorschriften von den Marktüberwachungsbehörden der Bundesländer kontrolliert werde. Tabakerzeugnisse und auch weitere nikotinhaltige Erzeugnisse wie Einweg-E-Zigaretten hätten ein hohes Suchtpotential, so ein Sprecher von Minister Cem Özdemir (Grüne). Es sei dem Ministerium daher ein wichtiges Anliegen, den Einstieg in das Rauchen zu verhindern und den Nichtraucheranteil in der Bevölkerung zu erhöhen. Jährlich sterben in Deutschland mehr als 127.000 Menschen an den Folgen des Tabakkonsums.

Gesetze setzen bereits enge Grenzen

Seit längerem ist in Deutschland die Werbung für Erzeugnisse aus Tabak sowie elektrische Zigaretten und Nachfüllbehälter in der Presse und anderen Druckerzeugnissen verboten, ebenso in Medien wie Internet, Hörfunk und Fernsehen. Außerdem ist durch eine Gesetzesverschärfung aus dem Jahr 2021 inzwischen die Außenwerbung für diese Produkte untersagt, außer an Flächen des Fachhandels. Auch im Kino darf für die Tabakerzeugnisse nicht mehr die Werbetrommel gerührt werden. Ebenso verboten ist die „gewerbsmäßige Ausspielung“, womit insbesondere Gewinnspiele gemeint sind. Zigaretten, Tabak zum Selbstdrehen und Wasserpfeifentabak dürfen des Weiteren außerhalb der Geschäftsräume des Fachhandels nicht mehr kostenlos verteilt werden. Das BMEL macht sich nun nach Angaben ihres Sprechers gegenüber der EU-Kommission für eine weitergehende Regulierung von Einweg-E-Zigaretten auf EU-Ebene stark.

Fußballprofis und Influencer werben meist für Ungesundes

AOK-Experte Huizinga verweist darauf, dass nicht nur bei Tabak & Co., sondern auch auf anderen Feldern Idole großen Einfluss auf die Präferenzen von Kindern und Jugendlichen haben. „Fußballprofis und Influencer werben in der Regel nicht für gesunde Nahrungsmittel, sondern für Chips, Süßwaren oder Softdrinks.“ Leider sei es bei ungesunden Lebensmitteln sogar legal, dass Werbung an Kinder und Jugendliche adressiert werde. „Das sollte gesetzlich geändert werden“, fordert Huizinga. „Kinder essen mehr als doppelt so viel Süßwaren und Knabberartikel, aber nur halb so viel Gemüse und Obst wie eigentlich empfohlen. Die Werbung trägt dazu bei, wie groß angelegte Studien zeigen." Leider finde Ernährungsminister Özdemir für seine geplante Werberegulierung bislang keine Mehrheit in der Ampel-Koalition, bedauert der Präventionsexperte. Bei der im Koalitionsvertrag versprochenen Regelung handele es sich um „einen wichtigen Baustein im Maßnahmen-Mix gegen ernährungsbedingte Krankheiten“.

Mitwirkende des Beitrags

Pflichtfelder sind gekennzeichnet.

Beitrag kommentieren

Alle Felder sind Pflichtfelder.

Datenschutzhinweis

Ihr Beitrag wird vor der Veröffentlichung von der Redaktion auf anstößige Inhalte überprüft. Wir verarbeiten und nutzen Ihren Namen und Ihren Kommentar ausschließlich für die Anzeige Ihres Beitrags. Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht, sondern lediglich für eventuelle Rückfragen an Sie im Rahmen der Freischaltung Ihres Kommentars verwendet. Die E-Mail-Adresse wird nach 60 Tagen gelöscht und maximal vier Wochen später aus dem Backup entfernt.

Allgemeine Informationen zur Datenverarbeitung und zu Ihren Betroffenenrechten und Beschwerdemöglichkeiten finden Sie unter https://www.aok.de/pp/datenschutzrechte. Bei Fragen wenden Sie sich an den AOK-Bundesverband, Rosenthaler Str. 31, 10178 Berlin oder an unseren Datenschutzbeauftragten über das Kontaktformular.