Artikel Versorgung

Fachkräftemangel in der medizinischen Versorgung: Experten fordern Reformen

28.02.2024 Tina Stähler 5 Min. Lesedauer

Ohne Berücksichtigung der Zuwanderung von Ärztinnen und Ärzten aus dem Ausland ist das heutige Versorgungsniveau nicht länger zu halten. Das belegt eine aktuelle Studie des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung. Expertinnen und Experten sehen zudem Reformbedarf in der hausärztlichen Versorgung und beim Medizinstudium.

Foto: Nebeneinander stehen Ärztinnen und Ärzte unterschiedlichen Alters in weißen Kitteln und verschränken die Arme.
Nach Berechungen des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung werden bis 2040 kumuliert rund 50.000 Ärztinnen und Ärzte fehlen.

Nach aktuellen Berechnungen des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) droht der ambulante Versorgungsgrad bis 2040 auf 74 Prozent des heutigen Niveaus abzusinken. Bis zu diesem Zeitpunkt würden damit kumuliert rund 50.000 Ärztinnen und Ärzte fehlen. Das entspricht durchschnittlich fast 2.500 ärztlichen Nachbesetzungen pro Jahr.

Frühere Versäumnisse in der Ausbildung nicht mehr aufzuholen

„In ganz Europa zeichnet sich ein zunehmender Fachkräftemangel in der medizinischen Versorgung ab. Wir befinden uns mitten in einem ‚war for talents‘ um ausgebildete Medizinerinnen und Mediziner“, betonte der Zi-Vorstandsvorsitzende Dr. Dominik von Stillfried. Es dürfte daher künftig noch herausfordernder werden, das heutige medizinische Leistungsangebot in Zukunft flächendeckend zu stabilisieren und eine Benachteiligung strukturschwächerer Regionen zu verhindern. „Unsere Analyse zeigt, dass frühere Versäumnisse in der Ausbildung in den kommenden zehn Jahren nicht mehr aufzuholen sind."

Im Hinblick auf einen bevorstehenden Hausärztemangel forderte der Bundesvorsitzende des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes, Dr. Markus Beier, gegenüber G+G, den Masterplan Medizinstudium 2020 „endlich" umzusetzen, „sodass die Allgemeinmedizin mehr ins Blickfeld der Studierenden kommt". Daneben müsse die hausärztliche Versorgung strukturell und finanziell reformiert werden. „Solange wegen des enormen Kostendrucks kaum Investitionen in Praxis und Personal fließen können und die Praxen von Patientenströmen überrannt werden, weil das System, das viel zu selten hausarztzentriert ist, nicht gegensteuert, muss sich keiner wundern, dass es nicht genügend Nachwuchs für die Praxen gibt."

Auch Prof. Dr. Markus Bleckwenn, Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin an der Universität Leipzig, sprach sich für eine Reform des Medizinstudiums aus und für „mehr Verständnis und Wertschätzung" für die Hausarztpraxen bei den Studierenden. Die Bayerische Gesundheitsministerin Judith Gerlach empfahl, möglicherweise „den Numerus Clausus auszusetzen und wie bei der Landarztquote mehr auf Motivation und Vorerfahrung zu schauen". Petra Höft-Budde, Abteilungsleiterin Ambulante Versorgung des AOK-Bundesverbandes, machte auf neue Versorgungsansätze, wie beispielsweise breit aufgestellte Primärversorgungszentren, aufmerksam, damit die „Allgemeinmedizin an Attraktivität zurückgewinnen" könne. Sie verwies in diesem Zusammenhang auch auf gut ausgebildete nichtärztliche Praxisassistentinnen und -assistenten (NäPA), die die Ärzte in ihrer Arbeit unterstützten.

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Engpässe durch flankierende Maßnahmen kompensieren

Das Zi gab zu bedenken, dass – aufgrund der Ausbildungslänge – die Auswirkungen erst nach etwa 15 Jahren in der ambulanten haus- und fachärztlichen Versorgung ankämen, selbst wenn die Studienplatzkapazitäten in der Humanmedizin kurzfristig signifikant erhöht werden würden. Engpässe in der medizinischen Versorgung könnten daher nur „durch flankierende Maßnahmen teilweise kompensiert werden".

Hierzu zählt das Zi „Anreize für berufstätige Ärztinnen und Ärzte, sich möglichst lange und mit voller Arbeitskraft in der medizinischen Versorgung zu engagieren, die Entlastung von arztfremden Verwaltungsarbeiten sowie die Erweiterung ärztlicher Delegationsmöglichkeiten". „Der Mangelumfang wird aber auch stark davon abhängen, wie gut es gelingt, international attraktive Rahmenbedingungen für die ärztliche Tätigkeit zu schaffen und Ärztinnen und Ärzte dazu zu motivieren, möglichst lange und engagiert in der medizinischen Versorgung zu bleiben“, erläuterte von Stillfried.

Warnung vor möglichen Risiken für Patientenversorgung

Außerdem warnte das Institut vor Risiken für die Patientenversorgung, da niedergelassene Ärztinnen und Ärzte der ambulanten Versorgung immer häufiger den Rücken kehrten oder ihren Tätigkeitsumfang reduzierten, indem sie in ein Anstellungsverhältnis wechselten. Gründe dafür seien die steigende Arbeitsbelastung, der Wunsch nach einer besseren Work-Life-Balance sowie die zunehmende zeitliche Belastung durch Verwaltungsaufgaben und Digitalisierungsmaßnahmen.

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