Krankenhausreform: Was das Bundesgesundheitsministerium für onkologische Operationen plant
Die Operation von Krebstumoren erfordert nach dem aktuellen Stand des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes auch in Zukunft keine ausgewiesene Expertise. Die Regierungskommission Krankenhaus hatte dagegen vorgeschlagen, dass nur noch zertifizierte Kliniken onkologische Eingriffe übernehmen sollten.
Unter den Regelungen, die derzeit im Rahmen der geplanten Krankenhausreform diskutiert werden, fand eine bisher wenig Beachtung: der Vorschlag des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) zur onkologischen Chirurgie. Das Ministerium plant, die Versorgung allein anhand von Fallzahlen zu regulieren. Krankenhäuser sollen laut Kabinettsentwurf zum Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) künftig dann onkologische Operationen durchführen dürfen, wenn sie in einem bestimmten Umfang an der Krebsversorgung teilnehmen. Die Kliniken mit den niedrigsten Fallzahlen bei einer bestimmten Indikation sollen keine Vergütung mehr erhalten – bis zu der Schwelle, an der die Summe ihrer Fallzahlen 15 Prozent der Gesamtfallzahlen beträgt. Versorgungsforscher Jochen Schmitt begrüßt zunächst die Stoßrichtung der Initiative: „Dass onkologische Behandlungen an weniger Kliniken gebündelt werden, ist gut und überfällig“, sagt der Direktor des Zentrums für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung (ZEGV) an der TU Dresden im aktuellen „Blickpunkt Klinik“, „eine Regulierung muss aber Anreize für gute Strukturen setzen“. Die derzeit vorgesehene Regelung könne in dieser Hinsicht sogar kontraproduktiv sein, fürchtet der Experte. Fest steht dagegen: Auch weiterhin werden viele Kliniken ohne Zertifikat Krebspatientinnen und -patienten versorgen.
Regierungskommission empfahl striktere Vorgaben
Die „Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung“ hatte in ihrer fünften Stellungnahme empfohlen, nur noch Zentren für die Versorgung von Krebspatientinnen und -patienten vorzusehen. Hintergrund war, dass Krebszentren, die eine Zertifizierung durch die Deutsche Krebsgesellschaft (DKG) vorweisen können, signifikant bessere Behandlungsergebnisse erzielen als Kliniken ohne ein solches Zertifikat. Den Nachweis erbrachte die viel beachtete WiZen-Studie (Wirksamkeit der Versorgung in onkologischen Zentren), die im Rahmen des Innovationsfonds gefördert wurde. Patientinnen und Patienten, die in Häusern mit DKG-Zertifikat behandelt wurden, hatten im Verlauf der Behandlung seltener unter Komplikationen zu leiden und konnten auf ein längeres Überleben hoffen. Je nach Indikation summieren sich die Effekte für die Gesamtheit der Betroffenen pro Jahr auf mehrere tausend Lebensjahre.
Zertifizierung sorgt für gute Strukturen
Schmitt zufolge spricht deshalb vieles dafür, die Regelung im Zuge der aktuellen Reform zu übernehmen. Die Konzentration onkologischer Leistungen auf Zentren sei der geplanten 15-Prozent-Schwelle in vielerlei Hinsicht überlegen, so der Versorgungsforscher: „Zertifizierung stellt die interdisziplinäre und interprofessionelle Zusammenarbeit von Fachkräften sicher, sie sorgt für die Erstellung passgenauer, komplexer tumor- und stadienspezifischer Behandlungspläne, die mit hoher Expertise umgesetzt werden können, und garantiert die Orientierung der Behandlung an evidenzbasierten Leitlinien“, so Schmitt weiter. Der Fallzahlen-Schwelle des BMG fehlten hingegen nicht nur die qualitativen Impulse, sie könnte Kliniken sogar dazu verleiten, onkologische Operationen durchzuführen, statt andere sinnvolle Behandlungspfade einzuschlagen.
Zentren sind gut erreichbar
Selbst die unmittelbaren Auswirkungen der Regelung dürften hinter den Erwartungen an die Reform zurückbleiben. Je nach Indikation werden dem geplanten Paragrafen 40 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) zufolge nahezu so viele nicht zertifizierte Kliniken am Markt bleiben wie Häuser mit DKG-Zertifikat. Das zeigen Berechnungen des GKV-Spitzenverbandes und des AOK-Bundesverbandes anhand der Verteilung der Fälle im Jahr 2021. Der „Blickpunkt Klinik“ zeigt dies etwa am Beispiel Darmkrebs: Nach rechnerischem Ausschluss der – in Bezug auf die Fallzahlen - „unteren 15 Prozent“ könnten künftig insgesamt 613 Kliniken Darmkrebspatientinnen und -patienten behandeln, darunter aber nur 289 Häuser mit Zertifizierung durch die DKG. Zusätzlich blieben 324 nicht zertifizierte Häuser am Markt. Bezogen auf die Kliniken, die Lungenkrebs und Bauchspeicheldrüsenkrebs behandeln, bleibt zwar die Mehrheit der Krankenhäuser in der Versorgung zertifiziert, doch knapp die Hälfte der Einrichtungen wäre es zunächst nicht. Gute Gründe für das zögerliche Vorgehen kann Jochen Schmitt nicht erkennen: „Die Regierungskommission hat dargelegt, dass die Erreichbarkeit qualifizierter Krankenhäuser in keinem relevanten Umfang beeinträchtigt würde.“
Bund wollte Qualitätsunterschiede abbauen
Im Gegenzug biete die aktuelle Krankenhausreform aber eine „historische Gelegenheit“, der Nationalen Krebsstrategie zum Durchbruch zu verhelfen, so Schmitt. In der bundesweiten Initiative arbeiten Fachgesellschaften wie die Deutsche Krebsgesellschaft, die Deutsche Krebshilfe und die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Tumorzentren seit 2008 mit allen maßgeblichen Akteuren des Gesundheitswesens zusammen, um die Früherkennung und Behandlung von Krebs zu verbessern. Zu ihren Zielen gehört, allen Betroffenen eine qualitativ hochwertige Versorgung anzubieten, „inakzeptable Qualitätsunterschiede“ in der Versorgung abzubauen und nachweislich vorbildhafte Versorgungsmodelle in die Fläche zu bringen. Jedes Jahr erkranken in Deutschland zirka 500.000 Menschen an Krebs, viele werden außerhalb von Zentren behandelt. Etwa 230.000 Menschen versterben jährlich an den Folgen ihrer Erkrankung.
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