„Noch einige Hürden bei der Klinikreform“
Geht es nach den Planungen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, dann wird im Oktober bei der Krankenhausreform der Sack nach quälenden Verhandlungen zugemacht. Doch es gibt weiterhin eine Reihe von Fallstricken, wie der saarländische Gesundheitsminister Magnus Jung erläutert.
Herr Minister Jung, glauben Sie noch an eine durchgreifende Reform im Krankenhaussektor?
Magnus Jung: Da bin ich nach wie vor optimistisch. Denn wir brauchen die Reform ganz dringend, nicht nur im Saarland, sondern in allen Bundesländern. Es finden derzeit sehr viele Gespräche statt und es gibt zudem viele Signale, auch aus dem Bundesgesundheitsministerium, dass eine Einigung mit den Ländern unbedingt erreicht werden soll. Ich glaube, dass das klappen kann, aber es sind noch einige Hürden zu überspringen.
Auf was kommt es für Sie bei der Klinikreform besonders an?
Jung: Erstens muss es für die konkrete Umsetzung der Reform in den Ländern flexible Regelungen geben. Dort, wo Kooperationen nötig werden oder Ausnahmen gemacht werden müssen, weil die einzelnen Standorte nicht alle Voraussetzungen für bestimmte Leistungsgruppen erfüllen können, brauchen wir trotzdem stabile finanzielle Grundlagen, das gilt auch für einzelne Fachkliniken. Dafür ernten wir in Gesprächen viel Verständnis. Entscheidend ist aber, welche konkreten Formulierungen nachher im Gesetzentwurf stehen werden. Erst wenn die vorliegen, lässt sich sagen, ob die Regelung einigungsfähig ist oder nicht.
Und zweitens?
Jung: Darüber hinaus ist entscheidend, wie der Transformationsprozess ausgestaltet wird. Bei der Förderung müssen für bereits begonnene Projekte Gelder auf dem bisherigen Niveau weiter fließen. Auch Projekte, die schon in diesem oder im nächsten Jahr beginnen, sollten gefördert werden. Die bisher ab 2026 geplanten Gelder aus dem Transformationsfonds kommen dafür zu spät. Zum dritten ist zweifelhaft, dass die geplante Besserstellung der Krankenhäuser bei den Betriebsmitteln für das nächste Jahr ausreicht. Die bestehenden Einrichtungen sollen ja die Phase, in der die Reform wirkt, noch erleben. Des Weiteren gibt es noch viele strittige Detailregeln, auf die die Länder ja in einer gemeinsamen Stellungnahme hingewiesen haben.
„Wir sind nicht nur offen für Spezialisierung und Zusammenlegungen, sondern treiben das voran.“
Minister für Arbeit, Soziales, Frauen und Gesundheit des Saarlandes
Im Juni haben Krankenkassen und ihre Verbände ein Gutachten des Institute for Health Care Business (hcb) vorgelegt, wonach es bei Ihnen im Saarland noch reichlich Potenzial für Spezialisierung und Zentralisierung gibt. Zehn Standorte könnten demnach zu fünf Zentralkliniken zusammengelegt werden…
Jung: Für uns bleiben in der Versorgungsfrage des Saarlandes alle Standorte wichtig. Natürlich gibt es Potenzial für Spezialisierung und Konzentration. Nicht alle Leistungen müssen zukünftig an so vielen Standorten erbracht werden, wie das bislang der Fall ist. Das heißt aber nicht automatisch, dass es damit zu einer Reduzierung von Standorten kommt, sondern nur zu einer besseren Verteilung. Manche Kliniken werden unter dem Strich vielleicht weniger anbieten, als bislang. Aber es könnte im Zusammenhang mit der geplanten Vorhaltevergütung dennoch sein, dass sie dann wirtschaftlich besser über die Runden kommen.
Sie sind also offen für Spezialisierung und Zusammenlegungen?
Jung: Wir sind nicht nur dafür offen, sondern wir treiben das voran. Das wesentliche Ziel beim Thema Spezialisierung und Konzentration ist ja die Verbesserung der Behandlungsqualität, damit wir Gelegenheitsversorgung unmöglich machen. Zudem wollen wir die Krankenhäuser, die bestimmte Eingriffe gut und oft machen, in ihrer Kompetenz unterstützen. Letztendlich wollen wir den Patientinnen und Patienten sagen können: Wenn ihr in eine Klinik geht, die einer bestimmten Leistungsgruppe zugewiesen ist, dann könnt ihr davon ausgehen, dass in diesem Bereich alle Qualitätsstandards erfüllt werden.
Streben Sie eine Spezialisierung im Sinne des Gutachtens an?
Jung: Das Gutachten selbst hat keinen großen Erkenntnisgewinn gebracht und wird daher für die praktische Krankenhausplanung der Landesregierung keine besondere Rolle spielen. Natürlich würde eine Planung am grünen Tisch ganz anders aussehen. Unter realen Bedingungen müssen wir aber von den Gegebenheiten ausgehen. Es wäre völlig unwirtschaftlich, viele Standorte aufzugeben und im Gegenzug eine riesige Summe in vier oder fünf neue Standorte der entsprechenden Größe zu investieren.
Sie haben den geplanten Transformationsfonds schon erwähnt. Wie finden Sie die Ausgestaltung, wonach ab 2026 25 Milliarden Euro die gesetzlichen Krankenkassen und 25 Milliarden Euro die Länder schultern sollen?
Jung: Für die Kritik, dass die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) anstelle des Steuerzahlers die Bundesanteile trägt, gibt es gute Gründe. Insbesondere ist es dringend erforderlich, dass die Private Krankenversicherung anteilsmäßig einen ebenso großen Anteil leistet, wie die GKV. Auf der anderen Seite gibt es das Argument, dass von der Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der stationären Versorgung durch die Reform die Krankenkassen im Endeffekt ein gutes Stück profitieren werden. Am Ende ist es eine unbefriedigende Situation, wenn sowohl bei den Krankenkassen wie auch im Bundeshaushalt das Geld knapp ist. Von daher wäre ein breiter Konsens in Deutschland wichtig, wie das Gesundheitswesen auskömmlich finanziert werden soll. Steuermittel sind in der Ampel-Koalition im Bund leider nicht zu erwarten, weil die FDP hier mauert.
Zur Person
Dr. Magnus Jung (Jahrgang 1971) ist seit 2022 Minister für Arbeit, Soziales, Frauen und Gesundheit des Saarlandes. Der studierte Politikwissenschaftler gehört bereits seit 2009 dem dortigen Landtag an. Von 2014 bis 2022 war er stellvertretender Fraktionsvorsitzender und 2017 bis 2022 Vorsitzender des Ausschusses für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie. Nach Abschluss seines Studiums arbeitete Jung ein paar Jahre in einem saarländischen Ausbildungszentrum, wo er schwervermittelbare Jugendliche beriet und pädagogisch begleitete. Nach der Promotion in Berlin war der gebürtige Saarländer mehrere Jahre freiberuflich als Politik- und Medienberater sowie als Journalist und Dozent tätig.
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