KI im Einsatz für den Rettungsdienst
Erste Ansätze, bei denen Künstliche Intelligenz im Rettungswesen zum Einsatz kommt, scheinen vielversprechend. Denn es gilt dringend die knappen Ressourcen effizienter aufzustellen. Aber auch die Folgen der Klimakrise spielen eine Rolle.
Der Rettungsdienst wird immer mehr selbst zum Notfall: Den steigenden Einsatzzahlen steht ein nicht enden wollender Mangel an Fachkräften gegenüber und eine Verbesserung der Situation ist kaum in Sicht – im Gegenteil. Denn trotz enormen Personalzuwachses bei hauptamtlichen Rettungskräften, der stärker ausfällt als im Gesundheitswesen insgesamt, bleiben Lücken, wie das Statistische Bundesamt jüngst aufzeigte. Die Agentur für Arbeit stuft Rettungsberufe daher weiterhin als sogenannte Engpassberufe ein. Höchste Zeit, sich hier neue technologische Entwicklungen zunutze zu machen, wie die Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz (KI).
Ziel ist optimale Versorgung von Notfällen
Der Einsatz von KI für das Rettungswesen steht allerdings noch am Anfang. Ganz vorne im Boot in Deutschland ist dabei der Kreis Borken. Dort gibt es nach Angaben der Kreisverwaltung das hierzulande bislang einzigartige Projekt „Seconds“. Das System hilft bei der optimalen Einsatzplanung der begrenzten Rettungsmittel, um „eine schnelle, effektive und sichere medizinische Versorgung von Patienten in Notfallsituationen zu gewährleisten“, stellt Kreisordnungsdezernentin Dr. Elisabeth Schwenzow die Vorteile heraus. Ziel sei es, eine möglichst hohe Verfügbarkeit an Rettungsmitteln zu haben, damit die Einsatzkräfte stets zeitnah am Notfallort sein können.
KI beobachtet Lage in Echtzeit und gibt Empfehlungen
Die Verwaltung plant dazu ein System in der Leitstelle zu implementieren, das auf Basis von KI in Echtzeit Informationen liefert, um Rettungswagen und Notarztfahrzeuge im Kreisgebiet bestmöglich für eine durchgehend optimale Abdeckung zu verteilen. Die Verantwortlichen betonen, dass das letzte Wort aber in jedem Fall der Mensch hat: „Es handelt sich dabei um Empfehlungen. Die Entscheidung trifft immer die Leitstellendisponentin oder der Leitstellendisponent“, betont der Leiter der Kreisleitstelle für Feuerschutz und Rettungsdienst Stephan Kruthoff.
Das KI-gestützte System werde bereits seit Jahren in mehreren Regionen in den Niederlanden eingesetzt. „In Deutschland sind wir Teil des zurzeit laufenden Pilotprojektes und damit Vorreiter. Wir sind aktiv in die Entwicklungsarbeit dieser Software für den Raum Deutschland eingebunden, sodass künftige Anwender von unserer Arbeit profitieren werden“, zeigt Schwenzow die Perspektiven auf. Pilotprojekt bedeute vor allem, die der Software zugrundeliegenden Algorithmen an die hiesigen Rahmenbedingungen und Prozesse anzupassen.
Drei Phasen enden mit Übergang in Regelbetrieb
Das Projekt ist laut der münsterländischen Behörde in drei Phasen unterteilt. Am Ende soll die Einführung in den Realbetrieb im Jahr 2025 stehen. In der ersten Phase erfolgte demnach die Adaption des Systems aus dem Nachbarland auf die bestehenden Rahmenbedingungen vor Ort, die Ableitung der damit verbundenen Einstellungen sowie die Optimierung der Parameter und Algorithmen. Zudem wurden ausgewählte Multiplikatoren ausgebildet. Diese Phase ist bereits abgeschlossen. In der zweiten Phase soll nun der erweiterte Probebetrieb folgen sowie die Einbindung in das Einsatzleitsystem, das die Kreisleitstelle nutzt. „Dann folgt auch die Schulung aller Mitarbeitenden aus Leitstelle und Rettungsdienst“, erläutert Kruthoff.
Forschungsprojekt kalkuliert Extremwetter mit ein
Neben der Pionierarbeit im tiefen Westen der Republik, tüfteln auch im Osten Experten und Expertinnen an praxistauglichen Einsatzszenarien für KI im Rettungsdienst. Zu den Herausforderungen wie Fachkräftemangel und steigenden Einsatzzahlen erschweren zunehmend Extremwetterlagen bedingt durch die Klimakrise Rettungseinsätze. An diesem Punkt setzt das Forschungsprojekt „Aircis“ unter der Leitung der Björn Steiger-Stiftung an. Es zielt auf die Optimierung der Rettungskette mithilfe von KI unter Berücksichtigung von Faktoren wie Hitze, Starkregen oder anderen extremen Wetterbedingungen.
„Zwar liegen in den Leitstellen bereits große Datenmengen entlang der Rettungskette vor, eine systematische Auswertung dieser Daten erfolgt jedoch nur unzureichend“, heißt es zur Projektbeschreibung. Zudem gebe es bisher keine Instrumente, um die Rettungskette auch unter dem Einfluss von extremen Wetterbedingungen zu simulieren oder zu planen. Das will das Projekt miteinkalkulieren. Mittels eines KI-Algorithmus sowie weiterer historischer Daten wie zum Wetter „werden die aufbereiteten empirischen Daten für präzise Prognosen modelliert, um zukünftig genauere Vorhersagen über das Einsatzaufkommen treffen zu können“, so die Initiatoren.
KI-Modell soll auch gesundheitliche Folgen abschätzen
Herauskommen soll ein sogenannter digitaler Zwilling. Dieser soll Leitstellen und Rettungsdienste in die Lage versetzen, zukünftig bereits vor Eintritt des eigentlichen Szenarios wesentlich zielgerichteter Maßnahmen abzuleiten und umzusetzen. Daneben können auch die daraus resultierenden gesundheitlichen Folgen für den Menschen in das KI-Modell einfließen. Das Projekt, das noch bis Ende 2025 läuft, wird mit 2,2 Millionen Euro von Bundesministerium für Digitales und Verkehr gefördert.
Ziel ist es zunächst, die Resilienz der Daseinsvorsorge im Bereich Gesundheit und Mobilität in der Lausitz mit der Leitstelle als Projektpartnerin zu erhöhen. Darüber hinaus soll der neue Ansatz die Kooperation zwischen Brandenburg und Sachsen zu stärken. In einem weiteren Schritt ist geplant, die Übertragbarkeit auf andere Versorgungsgebiete zu realisieren. „Damit wird eine Modernisierung des Rettungs- und Gesundheitswesens mit Impulsen weit über die Region hinaus angestrebt“ sowie eine Verbesserung der allgemeinen Notfallversorgung, formulieren die Projektteilnehmenden den erhofften Mehrwert.
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