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Krankenhäuser: Insolvenz ist selten das Aus

14.03.2024 Anja Schnake 5 Min. Lesedauer

Deutlich mehr Kliniken als in den vergangenen Jahren beantragen derzeit Insolvenzverfahren. Das viel beschworene „Kliniksterben“ hat jedoch bisher kaum stattgefunden. Die meisten insolventen Krankenhäuser nutzen das Verfahren, um sich zu sanieren und besser aufzustellen.

Krankenhaus

Insolvenz bedeutet meistens Sanierung

Kaum sechs Monate nach Beginn des Verfahrens konnte Manuel González, Aufsichtsratsvorsitzender der DRK-Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz, seinen Gläubigern die Zukunft seiner vier insolventen Kliniken schildern: Der Betrieb läuft an allen Standorten weiter. Fast das gesamte Personal bleibt weiterhin bei dem Träger beschäftigt. In der medizinischen Versorgung werden die Häuser unterschiedliche Schwerpunkt entwickeln. Die DRK-Kliniken hatte für die Standorte in Altenkirchen-Hachenburg, Alzey, Kirchen an der Sieg und Neuwied am 8. August 2023 Insolvenz beantragt. Aufgrund der allgemeinen Herausforderungen der Branche sowie der Preissteigerungen für Strom und Energie müssten die Häuser saniert werden, teilte das Unternehmen mit. Anfang Februar präsentierte der Träger sein Sanierungskonzept vor der Gläubigerversammlung.

Das Krankenhaus kuriert sich, wie es derzeit viele in der Branche tun. Insgesamt 30 Kliniken haben laut Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Curacon im Lauf des Jahres 2023 Gläubigerschutz beantragt. Freigemeinnützige Träger wie das Deutsche Rote Kreuz, die in Nordrhein-Westfalen (NRW) und Rheinland-Pfalz hohe Marktanteile haben, sind dabei überrepräsentiert. Standorte zu schließen, steht bei den Verfahren meist nicht im Vordergrund. „Wir sehen bei den Kliniken viele Schutzschirm- und Eigenverwaltungsverfahren“, sagt Jonas Eckhardt, Management Partner der Unternehmensberatung Falkensteg, im aktuellen „Blickpunkt Klinik“ des AOK-Bundesverbandes. Diese Varianten würden häufig gewählt, wenn Gesellschafter den Betrieb fortführen und für die Neuausrichtung am Ruder bleiben wollen. Den Trend zeigten bereits Recherchen des Branchendienstes Tagesspiegel-Background im September 2023. Demnach waren unter den bis dato bei der Deutschen Krankenhausgesellschaft gelisteten Insolvenzen des Jahres nur vereinzelt sogenannte Regelinsolvenzen, an deren Ende tatsächlich oft die Schließung steht. Bei drohender Zahlungsunfähigkeit setzen die meisten Träger auf das Schutzschirmverfahren. Aber auch bei eingetretener Insolvenz kann das Unternehmen in Eigenverwaltung und im laufenden Betrieb saniert werden.

Zu viele Häuser, zu wenig Patienten

Die Ursachen der wirtschaftlichen Schieflage sind zahlreich. So sind die Kosten der Häuser für Energie, Verbrauchs- und Nahrungsmittel seit 2022 stark gestiegen, hinzu kamen hohe Tarifsteigerungen – Faktoren die erst zeitlich verzögert in die Vergütung der Kliniken einfließen. Gleichzeitig fehlt es an Erlösen, berichtet Jonas Eckhardt: „Die typischen Probleme insolventer Häuser sind hohe Bettenquoten bei rückläufigen Fallzahlen. Personalbedingte Abteilungsschließungen führen dann zu weiteren Umsatzeinbußen.“ Eine weitere Rolle spielen die auslaufenden staatlichen Hilfen.

Die akuten Probleme sind indes nur ein Teil der Krise. Auch ohne die aktuelle Inflation wäre nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) ein Viertel der Kliniken bis zum Jahr 2030 von Insolvenz bedroht. In einem Faktenblatt zur Situation der Krankenhäuser führte das BMG aus, dass die Standortdichte in Deutschland mit mehr als 1.700 Häusern höher sei als in allen anderen Ländern Europas - und zu hoch, um an allen Standorten qualifiziertes Personal vorzuhalten. Die Versorgung finde außerdem zunehmend ambulant statt. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes gehen die stationären Fallzahlen der Kliniken seit 2016 zurück und liegen seit Beginn der Coronapandemie kontinuierlich mehr als zehn Prozent unter dem Niveau des Jahres 2019. Weil sich die Klinikstrukturen nur zögerlich ändern, sind die Behandlungskosten pro Fall deutlich gestiegen.

Die Branche hängt am Tropf

Dazu hat insbesondere die Covid-19-Pandemie beigetragen. Die Krankenhäuser konnten einige Jahre lang vom sogenannten Corona-Rettungsschirm profitieren. Etwa 21,5 Milliarden flossen zwischen 2020 und 2022 in die Häuser, um Intensivbetten zu fördern und freigehaltene Betten (Freihaltepauschalen) sowie erhöhte Behandlungskosten (Versorgungsaufschläge) zu refinanzieren. In der Folge war die Zahl der Klinikinsolvenzen– die Destatis zufolge seit 2012 stets über sieben gelegen hatte – zunächst auf vier (2021) und drei (2022) gesunken. „Der staatliche Schutzschirm hat die bereits vor Corona bestehenden Probleme und ungünstigen Strukturen überdeckt“, so Sanierungsexperte Eckhardt.

Auch danach erhielten die Krankenhäuser noch erhebliche Zuschüsse, wenn auch gezielter und nicht mehr im selben Umfang. So stellte der Bund zur Kompensation gestiegener Energiepreise bis zu sechs Milliarden Euro zur Verfügung (Oktober 2022 bis April 2024); für geburtshilfliche und pädiatrische Kliniken flossen 2023 und 2024 noch einmal 420 Millionen Euro. Zusätzlich hat das BMG den Pflegeentgeltwert, den zentralen Faktor für die Vergütung der „Pflege am Bett“, angehoben und die Budgetverhandlungen beschleunigt. Infolge der Inflation stiegen schließlich auch die – für die Vergütung der Kliniken maßgeblichen – Landesbasisfallwerte. Im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Krankenhaustransparenzgesetzes hat Bundesgesundheitsminister Lauterbach weitere Soforthilfen für die Kliniken und wiederum höhere Landesbasisfallwerte zugesagt. 

Insolvenz als Chance

Doch nicht in allen Fällen wird das genügen, um einen massiven Patientenschwund zu kompensieren. „Bei dauerhaften Verlusten muss die Kostenstruktur angepasst werden“, sagt Jonas Eckhardt. Ein breit aufgestellter Grund- und Regelversorger tue sich damit aber schwer. „Für eine nachhaltige Sanierung, die häufig die umfassende Neuausrichtung eines Hauses erfordert, kann man das Insolvenzrecht nutzen“, so der Restrukturierungsexperte. Die Kliniken profitieren dabei von Gläubigerschutz, die Lohnkosten werden für bis zu drei Monate von der Arbeitsagentur übernommen, und bei Verträgen mit Lieferanten und Vermietern gelten Sonderkündigungsrechte. Daraus ergeben sich erhebliche Effekte für die Liquidität der Unternehmen.

Die vier rheinland-pfälzischen DRK-Standorte werden nach mehrwöchigen Verhandlungen mit dem Gesamtbetriebsrat jedenfalls erhalten bleiben. Lediglich das Haus in Hachenburg wird künftig nur als Level-Ii-Klinikum mit Notfallambulanz fortbestehen. Von etwa 2.500 Stellen werden 22 gestrichen. Die Krankenhäuser werden – mit Blick auf die anstehende Krankenhausreform – ihre medizinischen Kompetenzen stärker bündeln.

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