Organspende: Jede Entscheidung hilft
In Deutschland werden aktuell über 8.700 lebensrettende Spenderorgane benötigt. Doch haben laut der Deutschen Stiftung Organtransplantation im vergangenen Jahr insgesamt 965 Menschen nach ihrem Tod durchschnittlich drei Organe gespendet. Die Lücke zwischen gespendeten und benötigten Organen bleibt daher groß.
Derzeit gilt in Deutschland für Organ- und Gewebespende die sogenannte Entscheidungslösung. Das heißt: Als Organspender kommt nur infrage, wer zu Lebzeiten aktiv zugestimmt hat. Bei unbekanntem Willen entscheiden die Angehörigen. Liegt der begründete Verdacht vor, dass bei einer Person die gesamten Hirnfunktionen ausgefallen sind, leitet das behandelnde Krankenhaus die Hirntoddiagnostik ein. Sie folgt klaren Regeln, die in der Richtlinie der Bundesärztekammer definiert sind. Stellen Mediziner dabei eine Hirnschädigung fest und sind die gesamten Hirnfunktionen unumkehrbar ausgefallen, ist der Tod des Menschen anhand neurologischer Kriterien sicher festgestellt. Diese Feststellung ist die Bedingung für die Organspende.
Wie die Organspende und Transplantation in Deutschland organisiert sind, regelt das Gesetz über die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen und Geweben (Transplantationsgesetz, TPG). Dabei trennt es die Bereiche Organspende, Organvermittlung und Organübertragung, also die Transplantation, streng organisatorisch und personell voneinander. Jeder dieser Bereiche ist bei einer anderen Einrichtung angesiedelt. So koordiniert die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) die postmortale Organspende in Zusammenarbeit mit den Entnahmekrankenhäusern. Die Stiftung Eurotransplant ist für die Zuteilung von Spenderorganen nach medizinischen Auswahlkriterien in acht europäischen Ländern verantwortlich. Die Transplantationszentren führen die Wartelisten und transplantieren gespendete Organe.
Um Menschen zu einer Entscheidung zu ermutigen, ist gesetzlich vorgeschrieben, sie regelmäßig ergebnisoffen und neutral über die Möglichkeit der Organ- und Gewebespende zu informieren. Diese Aufgabe übernehmen unter anderem die gesetzlichen Krankenkassen. So erhalten alle Versicherten, die das 16. Lebensjahr vollendet haben, gemeinsam mit der elektronischen Gesundheitskarte auch entsprechende Informationsmaterialien und den Organspendeausweis. Befragungen zeigen, dass viele Menschen zwar zur Organspende bereit sind, sich aber nirgends für die Organspende registieren. Einer Repräsentativumfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zufolge sind acht von zehn Menschen zwischen 14 und 75 Jahren gegenüber einer Organ- oder Gewebespende positiv eingestellt. Zwei Drittel der Befragten haben eine Entscheidung bereits getroffen, jedoch nur 44 Prozent ihre Haltung schriftlich im Organspendeausweis, einer Patientenverfügung oder anderswo dokumentiert.
Seit März 2024 gibt es noch eine weitere Möglichkeit, sich für oder gegen die Organspende zu entscheiden: das digitale Register für Erklärungen zur Organ- und Gewebespende (Organspende-Register). Das Register ist beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) angesiedelt. Die Anmeldung ist freiwillig und kostenlos. Wer eine Erklärung abgeben wollte, benötigte dafür bisher die Online-Ausweisfunktion (eID-Funktion) des Ausweisdokuments. Seit Mitte August bietet die AOK ihren Versicherten an, sich über ihre GesundheitsID im Register zu authentifizieren. Der Zugang zum Register erfolgt über die AOK-App für die elektronische Patientenakte.
Alle diese Möglichkeiten sollen dabei helfen, die vorhandene Bereitschaft zur Organspende besser auszuschöpfen. 2023 gab es laut DSO 965 Menschen, die nach ihrem Tod ein oder mehrere Organe spendeten. Zugleich warteten schwerstkranke Patientinnen und Patienten auf über 8.700 Spenderorgane. Auch im internationalen Vergleich schneidet Deutschland bei der Zahl der Organspenden schlechter als andere europäische Staaten ab. Nach vorläufigen Zahlen des International Registry in Organ Donation and Transplantation aus April 2024 kamen hierzulande auf eine Million Bürgerinnen und Bürger knapp zwölf Organspender. In Österreich waren es fast 21 Spender je eine Million Einwohner, in Belgien fast 36 und in Spanien 49.
Durch mehr Aufklärung und kürzere Entscheidungswege erhoffen sich Politik und Akteure aus dem Gesundheitswesen mehr Klarheit bei der Frage, ob Menschen in Deutschland für oder gegen eine Organspende sind. Auch Ärztinnen und Ärzte hoffen darauf, dass eine klar dokumentierte Entscheidung die Gespräche mit Angehörigen über eine Organspende vereinfachen. Nach der aktuellen Regelung müssen Medizinerinnen und Mediziner in vielen Fällen die Angehörigen nach dem mutmaßlichen Willen des Verstorbenen fragen. Die Hinterbliebenen stehen dann vor einer schwierigen Entscheidung, die sie in einer emotionalen Ausnahmesituation treffen müssen. Einer Organentnahme stimmen sie dann häufig nicht zu. Das zeigen auch die Zahlen der DSO. Danach lehnen bei unbekanntem Willen des Verstorbenen über 40 Prozent der Angehörigen die Organentnahme ab.
Seit Jahren diskutieren Expertinnen und Experten in Deutschland, ob eine Widerspruchslösung die Zahl der Organspender erhöhen würde. Bei einer Widerspruchslösung, die etwa der Bundesrat fordert, wären alle Erwachsenen potenzielle Organspender, die dem nicht ausdrücklich widersprechen. Eine solche Regelung haben viele europäische Länder. Auch eine fraktionsübergreifende Initiative im Bundestag setzt auf die Widerspruchsregelung. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach begrüßt den neuen Anlauf. Der Bundestag hat zuletzt 2020 die Widerspruchslösung diskutiert – und abgelehnt.
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