Artikel Versorgung

Lücken beim Patientenrechtegesetz schließen

28.11.2023 Hilke Nissen 5 Min. Lesedauer

Vor zehn Jahren ist das Patientenrechtegesetz in Kraft getreten. Im Koalitionsvertrag haben die Regierungsparteien 2021 die Novellierung des Gesetzes angekündigt, doch aus Sicht der AOK ist bisher noch zu wenig passiert. Sie will das Thema stärker auf die politische Agenda heben und auch die Patientensicherheit stärken.

Foto: Sechs Holzspielfiguren stehen auf einem Tisch, darüber hält ein Mensch schützend seine beiden Hände.
Bis 2030 soll ein globaler Aktionsplan für Patientensicherheit umgesetzt werden.

Trotz Vereinbarung im Koalitionsvertrag gibt es immer noch kein Gesetz, bei dem die Patientenrechte im Mittelpunkt stehen. Das aktuell geltende Patientenrechtegesetz ist aus dem Jahr 2013 und damit zehn Jahre alt. „Lücken in den aktuellen gesetzlichen Regelungen und Defizite bei der Umsetzung verlangen dringend nach Verbesserungen. Vor allem Patientinnen und Patienten, die einen Behandlungsfehler, einen Schaden durch ein fehlerhaftes Medizinprodukt oder einen Arzneimittel-Schaden vermuten und diesem Verdacht nachgehen wollen, haben oftmals Probleme bei der Durchsetzung ihrer Rechte“, betonte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Jens Martin Hoyer, bereits im September zum Welttag der Patientensicherheit.

Hoyer mahnte an, dass insbesondere der Nachweis der Kausalität zwischen einem Behandlungsfehler und dem entstandenen Schaden erleichtert werden müsse: „Die aktuellen gesetzlichen Regelungen sehen vor, dass Betroffene den vollständigen Beweis für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Fehler und Schaden erbringen müssen. Deshalb schrecken viele Patientinnen und Patienten davor zurück, ihre Ansprüche geltend zu machen oder gar vor Gericht einzuklagen.“ Um die Stimme der Patientinnen und Patienten bei diesem Thema zu stärken, müsse diese juristische Schwelle abgesenkt werden und der Beweis bereits als geführt gelten, wenn die Kausalität zwischen Fehler und Schaden überwiegend wahrscheinlich sei.

Vermeidbare Behandlungsfehler und Schäden verhindern

Gutachter der gesetzlichen Krankenkassen haben 2022 in Deutschland rund 2.700 Schäden bei Patientinnen und Patienten durch Behandlungsfehler bestätigt. Begutachtet wurden 3.200 Behandlungen (bei rund 13.000 Behandlungsfehlervorwürfen). Das ermittelte der Medizinische Dienst der Kassen (MD Bund) in seiner jährlichen Statistik. Diese Zahlen basieren nur auf den Begutachtungszahlen, also auf den Fällen, die von den Behandelten aktiv zur Begutachtung gegeben wurden. Die Dunkelziffer liege deutlich höher, so der MD Bund. 

Ziel ist es deshalb, vermeidbare Fehler und Schäden zu identifizieren und daraus zu lernen, um sie in Zukunft möglichst zu verhindern. Ist ein Schaden entstanden, müssen für die Patientinnen und Patienten angemessene Lösungen gefunden werden. Dabei stehen die gesetzlichen Krankenkassen ihren Versicherten zur Seite.

Aus Fehlern lernen

Die elf AOKs unterstützen ihre Versicherten seit langem, wenn der Verdacht auf einen Behandlungsfehler auftaucht. Unter dem Motto „Aus Fehlern lernen“ setzt die AOK sich für eine sichere medizinische Behandlung und Pflege ein und dafür, die gesetzlichen Patientenrechte weiter zu verbessern. Das Aktionsbündnis Patientensicherheit und der Deutsche Pflegerat (DPR) legten im Herbst 2023 die Finger in die offene Wunde: Das Aktionsbündnis vermisst einen Nationalen Aktionsplan für Patientensicherheit, denn die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat 2021 einen Globalen Aktionsplan für Patientensicherheit auf den Weg gebracht, der bis 2030 umgesetzt werden soll. Auch das überfällige Stimmrecht für Patientenvertreter im Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) wird angemahnt.

DPR-Präsidentin Christine Vogler sieht die Patientensicherheit in der Pflege in Gefahr, wie sie zum Welttag der Patientensicherheit deutlich machte: „Die Patientensicherheit in Deutschland ist höchst labil und zudem auf Zeit gebaut.“ Sie bezog sich in diesem Zusammenhang auch auf die massiven Probleme bei der Personalgewinnung. Nach Einschätzung des DPR kommt die Gesetzgebung nicht in der Praxis an: Verordnungen machten die Dinge komplizierter, Finanzstrukturen seien kaum noch verständlich – in der Summe gefährde dies Patientinnen und Patienten sowie Pflegebedürftige jeden Tag, so Vogler. 
 

„Die Patientensicherheit in Deutschland ist höchst labil und zudem auf Zeit gebaut.“

Christine Vogler

Präsidentin des Deutschen Pflegerats

Ausschreibungsfrist Deutscher Preis für Patientensicherheit 2024 läuft ab

Das Aktionsbündnis Patientensicherheit fördert mit dem Deutschen Preis für Patientensicherheit jährlich Akteure im Gesundheitswesen, die sich mit besonderen Ideen und Projekten für die Verbesserung der Patientensicherheit einsetzen. Noch bis 3. Dezember können sich Akteure aus dem Gesundheitswesen mit Best-Practice-Projekten bewerben. Sie müssen nachweislich zur besseren Patientensicherheit beitragen.

Bewerben können sich nicht nur Kliniken, Praxen, Pflegeheime, Apotheken und Institutionen, sondern auch Teams und Einzelpersonen. Innovative Konzepte, wie etwa zu patientenzentrierter Kommunikation, gezielten Forschungsarbeiten sowie innovative Tools zum Thema werden ausgezeichnet. Eine unabhängige Expertenjury aus Ärzteschaft, Pflege, Apotheke, Selbsthilfe und Kostenträgern bewertet die eingereichten Projekte mit je einem Vertreter der Kooperationspartner. Aus einer Bestenauswahl werden insgesamt drei Preisträgerinnen und Preisträger ausgewählt. Die gestaffelten Preisgelder von zehn-, sechstausend und 3.500 Euro werden zweckgebunden verliehen. Ausgelobt wird der Preis vom Aktionsbündnis Patientensicherheit in Kooperation mit Ecclesia Versicherungsdienst, Inworks, MSD Sharp & Dohme und der Thieme Gruppe. Die AOK ist Gründungsmitglied des 2005 gegründeten Aktionsbündnisses.

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