Artikel Versorgung

Sicherheit ohne Hormone

23.08.2024 Frank Brunner 3 Min. Lesedauer

Vor allem bei jungen Frauen sinkt die Nachfrage nach der Pille. Mehr als die Hälfte aller Befragten einer bundesweiten Umfrage gab an, sich mit Kondomen vor ungewollter Schwangerschaft zu schützen.

Foto: Mehrere Kondome und eine Pillenpackung
Kondome sind das meistgenutzte Verhütungsmittel, gefolgt von der Pille, das ergab eine aktuelle Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.

Für viele Menschen gewinnt ein gesunder Lebensstil zunehmend an Bedeutung. Dies betont Dr. Sara Scharmanski im Gespräch mit „Pro Dialog“, einer Beilage der Ärztezeitung, die in Kooperation mit dem AOK-Bundesverband erscheint. Scharmanski, wissenschaftliche Referentin in der Abteilung Sexualaufklärung, Verhütung und Familienplanung in der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), weiter: „Das Thema Gesundheit beschäftigt vor allem die jüngere Bevölkerung; das zeigt sich in vielen Bereichen, unter anderem beim Thema Schwangerschaftsverhütung.“ Die Wissenschaftlerin bezieht sich damit auf Studienergebnisse der BZgA. Demnach waren die Kriterien „Verträglichkeit“ und „explizite Ablehnung von Hormonen“ bei Verhütungsentscheidungen 2011 für 17 Prozent der Befragten relevant. 2023 hatte sich diese Zahl nahezu verdoppelt – auf 33 Prozent. Vor allem Frauen im Alter zwischen 18 und 29 Jahren bewerten die Pille kritisch.

Andere hormonelle Verhütungsformen wie Hormonpflaster oder Hormonstäbchen spielen bei der Verhütung bislang nur eine untergeordnete Rolle. Maximal zwei Prozent der Bevölkerung greifen darauf zurück. Dagegen gewann die Spirale an Bedeutung, vor allem bei Frauen unter 30. Mittlerweile wählen rund 14 Prozent der von der BZgA Befragten diese hormonfreie Methode.

Siegeszug des Kondoms

Spitzenreiter bleiben Kondome (53 Prozent), gefolgt von der Pille (38 Prozent). Aus der Popularität der Präservative lässt sich jedoch nicht automatisch schließen, dass sich die Geschlechter gegenwärtig gleichermaßen um das Thema Verhütung sorgen. Studienleiterin Scharmanski: „Der Anteil von Paaren, bei denen sich beide dafür verantwortlich fühlen, steigt. Allerdings sagt ein großer Anteil der jungen Frauen noch immer: Ich muss mich alleine darum kümmern.“

Die Ergebnisse der BZgA korrespondieren mit einer aktuellen AOK-Analyse der Verordnungsdaten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Demnach verhütet nur noch ein Viertel der Frauen unter 22 Jahren mit der Pille. Nutzte noch 2020 mehr als jede dritte Frau (35 Prozent) dieser Altersgruppe Kontrazeptiva, waren es 2023 lediglch 25 Prozent. Eike Eymers, Ärztin im Stab Medizin des AOK-Bundesverbandes, interpretiert dieses Ergebnis so: „Die Nachteile und Risiken von hormonellen Verhütungsmethoden werden heute öffentlich stärker thematisiert.“ 

Indes steigt die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche. 2023 registrierte das Statistische Bundesamt 106.218 Abruptiones – der höchste Stand seit 2012. „Wir können sehr klar sagen, dass Frauen vor allem aufgrund schwieriger Lebensumstände kein Kind bekommen möchten“, sagt BZgA-Expertin Scharmanski. Zu diesen Umständen zählten „beengte Wohnverhältnisse, finanzielle Sorgen oder Gewalt in der Partnerschaft“. 

Vorsichtige Jugend

Gleichzeitig lässt sich eine entgegengesetzte Entwicklung beobachten: Untersuchungen wie die Shell-Jugendstudie oder die BZgA-Surveys registrierten, dass Jugendliche heutzutage sexuell zurückhaltender agieren als frühere Generationen. „Die Anzahl der Jugendlichen, die mit 16 ihr erstes Mal erlebt haben, ist in den vergangenen 15 Jahren sehr deutlich zurückgegangen“, so Scharmanski. Ein Grund dafür sei, dass oft der richtige Partner, die richtige Partnerin fehlten. „Vielen Jugendlichen ist es nach eigenen Angaben wichtig, erst eine vertrauensvolle Beziehung einzugehen, bevor sie ins Sexualleben einsteigen“, so Scharmanski, „Wertvorstellungen wie Stabilität und Geborgenheit haben an Bedeutung gewonnen.“

Dabei ist der Zugang zu Sexualität durch das Internet viel einfacher als vor 20 Jahren. Für BZgA-Wissenschaftlerin Scharmanski kein Widerspruch: „Wir sollten der jungen Generation mehr zutrauen. Nur weil sie im Internet bestimmte Rollen und Modelle konsumieren, heißt das nicht, dass sie diese unreflektiert übernehmen.“

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