Die Zeit läuft davon
Reformen im Gesundheitswesen verzögern sich, wichtige Inhalte werden verwässert, ein erheblicher Anstieg der Beitragssätze droht. Und die beteiligten Akteure scheinen sich uneins zu sein wie selten zuvor. Das gesundheitspolitische Klima ist belastet. Die zwei wichtigsten Gesundheitsgesetze hätten eigentlich heute im Kabinett beraten werden sollen – dies wurde auf Mai verschoben.
Falsche Anreize gesetzt
Das deutsche Gesundheitswesen Das Gesundheitswesen umfasst alle Einrichtungen, die die Gesundheit der Bevölkerung erhalten,… braucht Reformen. Darüber sind sich alle Akteure einig. Und da die aktuelle Legislaturperiode nächstes Jahr zu Ende geht, läuft den politisch Verantwortlichen langsam die Zeit davon. Zumal auch der Druck auf die Beitragssätze im Jahr der Bundestagswahl 2025 hoch sein wird. Gesetzgeberische Maßnahmen der jüngsten Vergangenheit, wie der Abbau von Rücklagen der Krankenkassen Die 97 Krankenkassen (Stand: 26.01.22) in der gesetzlichen Krankenversicherung verteilen sich auf… , sowie überproportional steigende Ausgaben lassen für das nächste Jahr Zusatzbeitragssätze von deutlich über zwei Prozent erwarten. „Das liegt auch an verschleppten Reformen der letzten Jahre und falschen Anreizen“, so Isabella Erb-Herrmann, Vorstandsmitglied der AOK Die AOK hat mit mehr als 20,9 Millionen Mitgliedern (Stand November 2021) als zweistärkste Kassenart… Hessen. „Der aktuell mit dem Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz vorgesehene Wegfall von Budgets bei Hausärzten wäre ein weiterer Fehlanreiz.“
Die Ansätze stimmen
Das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) ist neben dem Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) eines von zwei wichtigen Vorhaben, die Minister Karl Lauterbach auf den Weg gebracht hat. Viele Ansätze gehen bei beiden Gesetzen in die richtige Richtung: mehr Qualitätsorientierung, mehr Spezialisierung in der stationären Versorgung sowie die Stärkung regionaler und sektorenübergreifender Ansätze. Das GVSG hat jedoch seinen umfassenden Versorgungsansatz verloren und ist mittlerweile so stark entkernt, dass als wesentlicher Punkt die Entbudgetierung der hausärztlichen Versorgung übriggeblieben ist. Die Krankenhausreform ist inzwischen rund eineinhalb Jahre im Prozess der politischen Diskussion und Abstimmung. Es geht nur sehr schleppend voran, der Dissens zwischen Bund, Ländern und Kommunen – aber auch innerhalb der Bundesregierung – ist nach wie vor groß. Ursprünglich war die Kabinettsabstimmung zu beiden Gesetzen für heute geplant, jetzt sind sie Anfang beziehungsweise Mitte Mai im Kabinett.
Effizienterer Mitteleinsatz notwendig
„Alle Akteure müssen an einem Strang ziehen, um das deutsche Gesundheitswesen zu reformieren und die Weichen für die Zukunft zu stellen“, so Erb-Herrmann weiter. „Als AOK Hessen stehen wir für einen konstruktiven Austausch.“ Dabei müssen auch die finanziellen Ressourcen im Blick behalten werden, die Beitragszahlenden können in diesen schwierigen Zeiten nicht weiter belastet werden. „Wir müssen einen effizienteren Mitteleinsatz erreichen, beispielsweise durch die Spezialisierung der Klinikstandorte, durch sektorenunabhängige Versorgungslösungen vor Ort, durch eine klare Orientierung am tatsächlichen regionalen Versorgungsbedarf und die stärkere Nutzung digitaler Möglichkeiten.“