Gesundheit und Pflege im Blick
Die hessischen Bundestagsabgeordneten Bettina Müller (SPD) und Kordula Schulz-Asche (Bündnis 90/Die Grünen) sind Mitglieder im gesundheitspolitischen Ausschuss. Beide haben angekündigt, 2025 nicht mehr für den Bundestag zu kandidieren. Wir sprachen mit ihnen über die aktuelle Gesetzgebung, die Reformnotwendigkeit in der Pflege und ihre Pläne danach.
Von der Krankenhausreform bis zum Pflegekompetenzgesetz gibt es kaum ein Thema, das gesundheitspolitisch derzeit nicht adressiert wird. Wie behalten Sie dabei den Überblick?
Bettina Müller: Die Gesetzgebung im Bereich der Gesundheitspolitik Die Gesundheitspolitik ist ein facettenreiches Gebiet, das weit über die in der Öffentlichkeit mit… hatte schon immer eine sehr hohe Schlagzahl, darauf ist man eingestellt, darauf sind auch die Arbeitsstrukturen in der Fraktion und in der Facharbeitsgruppe eingerichtet. In der letzten Wahlperiode war die Agenda wegen der Corona-Pandemie noch viel umfangreicher. Zudem hatte der damalige Gesundheitsminister die Angewohnheit, vieles stark zersplittert in Einzelregelungen auf zahlreiche Omnibusgesetze zu verteilen oder gar darin zu verstecken. Da geht es jetzt unter Karl Lauterbach schon transparenter und strukturierter zu, wenn auch nicht weniger arbeitsreich.
Kordula Schulz-Asche: Da ich den Koalitionsvertrag mitverhandelt habe, habe ich natürlich auch die Forderungen zu Gesundheit und Pflege Kann die häusliche Pflege nicht im erforderlichen Umfang erbracht werden, besteht Anspruch auf… im Blick in der Umsetzung. Diese Reformen sind zum Teil seit Jahren überfällig, manche, wie die Aufwertung der Pflege im Gesundheitswesen Das Gesundheitswesen umfasst alle Einrichtungen, die die Gesundheit der Bevölkerung erhalten,… , begleiten mich seit Anfang meiner politischen Arbeit. Aber ich habe auch das Glück, in einer sehr kompetenten und engagierten Fraktion tätig zu sein. Sinnvolle Arbeitsteilung unter Kolleginnen und Kollegen macht es überhaupt erst möglich, alles zu bewältigen, so wie im Gesundheitssystem oder dem Krankenhaus Krankenhäuser sind Einrichtungen der stationären Versorgung, deren Kern die Akut- beziehungsweise… letztendlich auch.
In der Gesundheitspolitik stehen wir laut dem Bundesgesundheitsminister vor einem „Herbst der Reformen“. Welche Gesetze haben für Sie eine besondere Priorität und warum?
Müller: Ich bin seit Jahren für die SPD-Fraktion Fachberichterstatterin für die Gesundheitsberufe und halte daher vor allem die drei anstehenden Gesetzesvorhaben für die Pflegeberufe für besonders wichtig. Wir hatten im letzten Herbst bereits mit dem Pflegestudiumstärkungsgesetz die hochschulische Pflegeausbildung reformiert und mit zusätzlichen Kompetenzen auf ein neues Level gehievt. Das soll mit dem Pflegekompetenzgesetz jetzt auch für die berufliche Pflegeausbildung erfolgen. Mit dem Pflegeassistenzeinführungsgesetz wollen wir zudem die Ausbildung unterhalb der Fachausbildung verbessern und vor allem vereinheitlichen. Noch haben wir hier einen Flickenteppich von zwei Dutzend unterschiedlichen Ländergesetzen. Hier ist auch der Personalbedarf am dringendsten. Mit dem Advanced-Practice-Nurses-Gesetz kommt dann noch eine Regelung für eine Pflegeausbildung auf Master-Niveau, die die Pflegeprofession nach oben abrundet und die pflegerische Versorgung in Zeiten zunehmenden Ärztemangels auf dem Land verbessern hilft. Am Ende haben wir in der Pflege ein klug abgestimmtes, ineinandergreifendes und vor allem durchlässiges System von Pflegeberufen, deren Gewicht im G-BA und durch eine Organisation der Profession auf Bundesebene noch zusätzlich gestärkt wird. Gerne hätte ich auch noch, wie ursprünglich geplant, die Berufsgesetze für Physiotherapeuten, Logopäden und Ergotherapeuten novelliert. Auch hier besteht dringender Reformbedarf und Nachwuchsmangel, aber dafür wird die Zeit wohl nicht reichen.
Schulz-Asche: Der demografische Wandel trifft das Gesundheitswesen und die Pflege in besonderer Weise. Der zunehmende Fachkräftemangel bei gleichzeitig steigender Nachfrage von Gesundheits- und Pflegeleistungen wird unsere Versorgungsstrukturen zukünftig noch weiter strapazieren. Um dem zu begegnen, gibt es nicht das eine Wunderheilmittel. Meiner Meinung nach wäre dem System aber schon viel geholfen, wenn die Zusammenarbeit besser funktionieren würde. Deshalb müssen wir eine bestmögliche Zusammenarbeit der Sektoren und der Gesundheitsberufe ermöglichen. Für die Pflege im Speziellen sind meine aktuellen Prioritäten die Pflegefachassistenz und die Aufwertung des Pflegeberufs. Dass wir aus 27 verschiedenen Hilfs- und Assistenzberufen einen bundeseinheitlichen Assistenzberuf schaffen, sorgt für mehr qualifizierte Köpfe und Hände. Gemeinsam mit der überfälligen Aufwertung der Fachpflege im Pflegekompetenzgesetz, einschließlich der Heilkundeerbringung, werden Voraussetzungen dafür geschaffen, hohe Versorgungsqualität in Zukunft sicherstellen zu können. Leider nicht im Gesetz enthalten ist die in den Eckpunkten versprochene Einführung des Berufsbildes der Advanced-Practice-Nurses. Die Etablierung dieses Berufsbildes sowie der Community-Health-Nurse in Deutschland halte ich aber für elementar, um international anschlussfähig zu werden und die pflegerische Versorgung im ländlichen Raum zu stärken und sicherzustellen. Lauterbach hat hier ein eigenständiges Gesetz versprochen, daher erwarte ich aus dem Gesundheitsministerium einen Regelungsvorschlag. Darauf werde ich beharren.
Stichwort: Pflege. Die finanzielle Schieflage in der Pflegeversicherung spitzt sich immer mehr zu. Was sollte aus Ihrer Sicht im Finanzkonzept von Lauterbach stehen, um diesen Sozialversicherungszweig zu stabilisieren?
Müller: Die Pflegeversicherung Die Pflegeversicherung wurde 1995 als fünfte Säule der Sozialversicherung eingeführt. Ihre Aufgabe… leidet vor allem daran, dass aus ihrem Topf Leistungen finanziert wurden und werden, die als gesamtgesellschaftliche Aufgaben eigentlich aus dem Bundeshaushalt oder aus anderen Töpfen bezahlt werden müssten, wie zum Beispiel die Rentenbeiträge für pflegende Angehörige, Pandemiekosten oder die medizinische Behandlungspflege – um nur drei zu nennen. Diese Belastung durch versicherungsfremde Leistungen ist die Bezeichnung für Leistungen der Sozialversicherung , die nicht zu deren eigentlichem Auftrag… muss daher vorrangig im Fokus einer Pflegereform stehen.
Schulz-Asche: Wir Grüne haben bereits in der vergangenen Legislaturperiode Konzepte erarbeitet, die die Finanzierung nachhaltiger und solidarischer gestalten. Dabei halten wir es insgesamt für wichtig, Einkommen und Vermögen stärker zu berücksichtigen, allerdings bereits bei der Erhebung der Beiträge für die Pflegeversicherung und nicht erst im Pflegefall. Damit würden die Versicherten entsprechend ihrer Möglichkeiten zu einem solidarischen und leistungsfähigen System beitragen. Einen weiteren wichtigen Schritt sehen wir in der Erstattung von versicherungsfremden Leistungen an die Pflegeversicherung. Dabei handelt es sich um gesamtgesellschaftliche Aufgaben, die aus Steuermitteln zu finanzieren sind. Denn eine solide Finanzierung ist wichtig, damit die Pflegeversicherung das Versprechen erfüllen kann, die Kosten für die reine Pflege weitgehend abzusichern. Es ist nicht hinnehmbar, dass Pflegebedürftige trotz langjähriger Beitragszahlung am Ende auf Sozialhilfe angewiesen sind, um pflegerisch versorgt zu werden. Das zerstört das Vertrauen der Menschen in die Pflegeversicherung. Die Finanzierung der Pflege ist am Ende aber nicht die alleinige Aufgabe eines einzelnen Ministers, sondern der gesamten Gesellschaft. Bund und Länder müssen sich jetzt an einen Tisch setzen, bis die Aufgabenverteilung und die Finanzierung klar sind. Zu lange wurde dieses Thema von Regierungen vertagt.
Sie haben angekündigt 2025 nicht mehr für den Bundestag zu kandidieren. Haben Sie schon Pläne für die Zeit danach?
Müller: Ich habe fünf Enkelkinder, da wird es im Ruhestand sicher nicht weniger langweilig, als mit fünf parallellaufenden Gesetzesinitiativen im Bundestag zu jonglieren.
Schulz-Asche: Ja, natürlich. Ich plane mehr Zeit für meine Familie und mich, aber auch weiteren Einsatz für die Stärkung der Pflege. Ich kann mir sehr gut vorstellen, ehrenamtlich in der Pflege- oder Altenpolitik aktiv zu bleiben. Also vielleicht wird der Terminkalender ein wenig leerer, aber stillsitzen war noch nie meine Stärke.