Reformstau in der Pflege
Viele gesundheitspolitische Gesetzesvorhaben werden wegen des Bruchs der Ampel-Koalition wohl nicht realisiert. Einige sind für die Zukunft des Gesundheitswesens aber zentral. Neben der Krankenhausreform, die auf der Kippe steht, ist vor allem der Stillstand in der Pflege eine bittere Pille für Pflegebedürftige, Pflegende und die soziale Pflegeversicherung insgesamt.
Angespannte Finanzlage
Die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach noch vor Kurzem in Aussicht gestellte Finanzreform der Pflegeversicherung Die Pflegeversicherung wurde 1995 als fünfte Säule der Sozialversicherung eingeführt. Ihre Aufgabe… kann ad acta gelegt werden. Ebenso wie die Hoffnungen auf finanzielle Entlastungen, die im Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition verankert waren und deren Umsetzung die AOK Die AOK hat mit mehr als 20,9 Millionen Mitgliedern (Stand November 2021) als zweistärkste Kassenart… -Gemeinschaft immer wieder im Interesse der Pflegebedürftigen eingefordert hat. Eine zentrale Forderung hierbei ist die Steuerfinanzierung der Rentenversicherungsbeiträge für pflegende Angehörige. Damit bleibt die finanzielle Lage der sozialen Pflegeversicherung (SPV) weiterhin äußerst angespannt. Trotz der Beitragssatzanpassung Mitte 2023 hat das Bundesamt für Soziale Sicherung Das Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) ist eine selbstständige Bundesbehörde, die dem… zur Sicherung der Zahlungsfähigkeit der Pflegekassen im Mai 2024 die Ausgabendeckungsquote des Betriebsmittel-Solls für alle Pflegekassen schrittweise von 0,7 (70 Prozent) einer Monatsausgabe auf 0,5 abgesenkt. Das reicht aber offensichtlich nicht aus. Für 2024 wird ein Defizit in Höhe von knapp zwei Milliarden Euro prognostiziert.
Kurz nach dem Koalitionsbruch und in letzter Minute hat das Bundesgesundheitsministerium nun noch eine Pflege Kann die häusliche Pflege nicht im erforderlichen Umfang erbracht werden, besteht Anspruch auf… -Beitragssatz-Anpassungsverordnung für das Jahr 2025 auf den Weg gebracht, deren Inkrafttreten aufgrund des Koalitionsbruchs noch nicht sicher ist. Mit der Verordnung Einige Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung bedürfen einer schriftlichen Anweisung durch… soll der Beitragssatz der SPV zum 1. Januar um 0,2 Prozentpunkte angehoben und damit auf 3,6 Prozent für Versicherte mit Kindern festgesetzt werden. Dies verschafft der SPV allenfalls eine kleine Atempause, ist aber keine nachhaltige Finanzierungslösung.
Strukturreformen notwendig
Die Lage in der pflegerischen Versorgung ist nicht weniger herausfordernd. Die Entwicklung der Zahl der Pflegebedürftigen in der SPV liegt deutlich über den bisherigen Prognosen der Bundesregierung – zu Beginn dieses Jahres waren es etwa 5,24 Millionen Menschen. Zum Jahresende 2021 gab es in Hessen 368.400 Personen, die Leistungen der SPV beziehen. Diese Zahl dürfte mittlerweile deutlich höher liegen und übertrifft bereits jetzt die im Hessischen Pflegebericht 2023 prognostizierten Zahlen für 2030. Für 2024 erwartet die Pflegekasse AOK Hessen Ausgaben in Höhe von 1,82 Milliarden Euro, was ein Zuwachs um mehr als 60 Prozent im Vergleich zu 2017 ist.
Der steigende Versorgungsbedarf trifft dabei auf einen anhaltenden Fachkräfteengpass, der aufgrund nicht mehr zeitgemäßer Versorgungsstrukturen sogar noch verstärkt wird. Der Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege greift das Thema in seinem aktuellen Gutachten „Fachkräfte im Gesundheitswesen Das Gesundheitswesen umfasst alle Einrichtungen, die die Gesundheit der Bevölkerung erhalten,… . Nachhaltiger Einsatz einer knappen Ressource“ auf und fordert auch Strukturreformen in der Langzeitpflege, um die Fachkräftesituation zu verbessern. Er kommt zu der Überzeugung, dass der Versorgungsbedarf in den bisherigen Strukturen künftig nicht gedeckt werden kann, selbst wenn es zu einer überdurchschnittlichen Zunahme an Personal kommen würde. Er empfiehlt neben der flächendeckenden Bedarfserfassung auch eine Weiterentwicklung des Qualitätsmonitorings.
Dringender Handlungsbedarf
Aus Sicht der AOK Hessen als größte Pflegekasse im Land sollte eine grundlegende Pflegereform eine der Top-Prioritäten der neuen Bundesregierung werden. Zur Weiterentwicklung der Pflegefinanzierung und -versorgung macht ein AOK-Positionspapier Vorschläge, um die pflegerischen Versorgungsstrukturen nachhaltig abzusichern und weiterzuentwickeln. Das Leistungs- und Vertragsrecht der SPV sollte eine den Bedürfnissen und Bedarfslagen der pflegebedürftigen Menschen entsprechende, passgenaue und individuelle Gestaltung des Pflegesettings ermöglichen. Mit einer Flexibilisierung des Leistungsrechts und einer Zusammenfassung der Leistungen in Budgets kann dies besser gelingen.
Zudem werden auf diese Weise die Angehörigen entlastet und die finanziellen Mittel effizienter eingesetzt. Die Absicherung der Versorgung kann nur gelingen, wenn die sozialräumlichen Sorgestrukturen lokal gestaltet werden. Die AOK Hessen bietet sich als Partner für die Kommunen an, um eine gemeinsame Bedarfs- und Sorgestrukturplanung zu entwickeln. Den Rahmen dafür sollte eine Landesstrukturplanung bilden – wobei es gilt, die Konnexität von Aufgaben- und Finanzverantwortung zu gewährleisten.
AOK unterstützt Landespflegeplanung
Vor diesem Hintergrund begrüßt und unterstützt die AOK Hessen die Absicht der Hessischen Landesregierung, basierend auf dem Hessischen Pflegebericht 2023 ein Landespflegekonzept zu erarbeiten, um weitere pflegepolitische Maßnahmen auf den Weg zu bringen. Robert Ringer, bei der AOK Hessen für Pflege zuständig, bekräftigt: „Die AOK Hessen befürwortet den geplanten Ansatz, gemeinsam mit den relevanten Akteuren in der Pflege Lösungsvorschläge zu erarbeiten, denn die komplexen Herausforderungen können wir nur gemeinsam bewältigen.“