Hintergrund

Klima und Gesundheit

Immer weiter steigende Temperaturen bedrohen nicht nur das Gleichgewicht unserer Umwelt, sondern haben auch starke Auswirkungen auf unsere Gesundheit. Für das deutsche Gesundheitswesen ergibt sich durch den Klimawandel eine doppelte Herausforderung: Zum einen ist grundsätzlich mit einem erhöhten Behandlungsaufwand und zusätzlichen Kosten zu rechnen. Zum anderen ist der Gesundheitssektor auch selbst in der Pflicht, die eigenen Emissionen schnell zu senken.

Foto: vertrocknete, rissige, braune Erde auf der ein Stethoskop liegt

Schon 1971 Warnungen vor Klimawandel

Das Verbrennen fossiler Energien setzt große Mengen Treibhausgas frei und ist hauptverantwortlich für die globale Erderwärmung. Diese Erkenntnis ist in der Wissenschaft unstrittig – und wird auch nicht erst seit Kurzem diskutiert. Bereits 1971 warnt die Deutsche Physikalische Geselschaft (DPG) erstmals davor, dass ein menschengemachter Klimawandel unumkehrbar sein könnte.

Acht Jahre später tagt der erste weltweite Klimagipfel – damals unter der Leitung der World Meteorological Organization WMO und noch ohne Beteiligung der Politik. 1985 meldet sich die Deutsche Physikalische Gesellschaft erneut zu Wort – diesmal deutlicher: „Um die drohende Klimakatastrophe zu vermeiden, muss bereits jetzt wirkungsvoll damit begonnen werden, die weitere Emission der genannten Spurengase drastisch einzuschränken. Wenn diese Einschränkungen aufgeschoben werden, bis in vermutlich ein bis zwei Jahrzehnten deutliche Klimaveränderungen sichtbar werden, wird es aller Voraussicht nach bereits zu spät sein."

Klimakonferenz in Paris: den Klimawandel stoppen

Es dauert allerdings noch bis zum Jahr 2015, bis sich auf der Klimakonferenz von Paris erstmals alle Staaten der Welt in einem Abkommen darauf verständigen, die Erderwärmung signifikant zu begrenzen: auf deutlich unter 2 Grad Celsius, idealerweise auf 1,5 Grad Celsius. Wie dringend die Reduktion von CO2-Emissionen mittlerweile geworden ist, macht der sechste Sachstandsbericht des Weltklimarats IPCC deutlich. Die Experten dieses UN-Gremiums warnen, dass sich mit jeder weiteren Verzögerung von Klimaschutzmaßnahmen und der Anpassung an den Klimawandel „das Fenster der Gelegenheit schließen werde, eine lebenswerte und nachhaltige Zukunft für alle zu sichern". Knapp die Hälfte der Menschheit ist laut dem letzten IPCC-Bericht schon jetzt durch die zunehmenden Auswirkungen des Klimawandels hochgradig bedroht. Mit dem Klimaschutzgesetz reagiert der deutsche Gesetzgeber 2019 auf die Herausforderungen durch den Klimawandel und legt klare Ziele zur CO2-Reduktion vor.

Die deutschen Bemühungen

Im März 2021 erklärt das Bundesverfassungsgericht das damalige Klimaschutzgesetz der Großen Koalition als verfassungswidrig. Die im Gesetz benannten Minderungsziele griffen zu kurz und würden somit die Gefahren des Klimawandels zu großen Teilen der jüngeren Generation aufbürden, so die Richter. Den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur wie geplant auf deutlich unter zwei Grad und möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen, sei dann nur mit immer dringenderen und kurzfristigeren Maßnahmen machbar. Damit würden die jungen Menschen in ihren Freiheitsrechten verletzt. "Von diesen künftigen Emissionsminderungspflichten ist praktisch jegliche Freiheit potenziell betroffen, weil noch nahezu alle Bereiche menschlichen Lebens mit der Emission von Treibhausgasen verbunden und damit nach 2030 von drastischen Einschränkungen bedroht sind", heißt es in der Erklärung. Im Mai 2021 legt die Ampelkoalition das geänderte Klimaschutzgesetz vor. Demnach sollen bis 2030 die Emissionen um 65 Prozent gegenüber 1990 sinken. Für das Jahr 2040 gilt ein Minderungsziel von mindestens 88 Prozent. Bis zum Jahr 2045 soll Deutschland Treibhausgasneutralität erreichen. Diese Klimaziele werden kontinuierlich per Monitoring überprüft.

Expertinnen und Experten sind sich allerdings einig, dass die hier formulierten Ziele mit den bislang geplanten Veränderungen nicht erreichbar sind. Zudem monieren viele Medizinerinnen und Mediziner wie etwa die Umweltmedizinerin Prof. Dr. med. Claudia Traidl-Hoffmann, Direktorin des Instituts für Umweltmedizin am Helmholtz Zentrum München, dass Deutschland bei der Abfederung der direkten gesundheitlichen Folgen des Klimawandels im Vergleich zu anderen europäischen Staaten zu wenig tut. So seien beispielsweise flächendeckend in ganz Deutschland Hitzeaktionspläne nötig, um hitzebedingte und UV-bedingte Erkrankungen und Todesfälle durch Präventionsmaßnahmen auf kommunaler Ebene zu vermeiden beziehungsweise zu minimieren.

Auch der Gesundheitsökonom Prof. Dr. Wolfgang Greiner kritisiert, dass sowohl im Bereich der Verhaltens- als auch der Verhältnisprävention sofortige Maßnahmen nötig seien, um die Bevölkerung besser zu schützen. Andere EU-Staaten zeigten, wie man es besser machen könne:

„Frankreich hat beispielsweise ein sehr umfangreiches Informationsportal mit direkter Ansprache vulnerabler Gruppen ins Leben gerufen, an dem man sich nur ein Beispiel nehmen kann.“

Prof. Dr. Wolfgang Greiner, Uni Bielefeld

Für das deutsche Gesundheitswesen Das Gesundheitswesen umfasst alle Einrichtungen, die die Gesundheit der Bevölkerung erhalten,… ergibt sich durch den Klimawandel eine doppelte Herausforderung: Zum einen ist aufgrund der damit einhergehenden steigenden gesundheitlichen Risiken grundsätzlich mit einem erhöhten Behandlungsaufwand und zusätzlichen Kosten zu rechnen. Zum anderen ist der Gesundheitssektor auch selbst in der Pflicht, die eigenen Emissionen schnell zu senken. Für das deutsche Gesundheitswesen sind dementsprechend kurzfristig hohe Investitionen in den Klimaschutz notwendig.

5,2 Prozent der nationalen Emissionen im Gesundheitssektor

Bislang emittiert der Gesundheitssektor in Deutschland jährlich rund 70 Millionen Tonnen Klimagase (Stand 2019) – das entspricht etwa 5,2 Prozent der gesamten nationalen Emissionen. Innerhalb des Gesundheitssektors machen nach Angaben der Bundesärztekammer die Medizinprodukte Medizinprodukte sind Apparate, Instrumente, Vorrichtungen, Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen oder… und die damit verbundenen Lieferketten mit 71 Prozent den größten Anteil aus. Direkte Emissionen aus Gesundheitseinrichtungen sind für etwa 17 Prozent der Emissionen verantwortlich. Weitere indirekte Emissionen durch Strom, Wärme, Kühlung belaufen sich auf zwölf Prozent. Bestimmte Narkosegase tragen in Industrieländern bis zu 1,7 Prozent zum Fußabdruck bei.

Pro Mensch und Jahr emittiert die Gesundheitsversorgung insgesamt etwa 700 Kilogramm CO2. Mit dem Klimapakt Gesundheit wollen maßgebliche Akteure des Gesundheitswesens und der Pflege Kann die häusliche Pflege nicht im erforderlichen Umfang erbracht werden, besteht Anspruch auf… das ändern. Sie bekennen sich hierin zu ihrer gemeinsamen Verantwortung, die gesundheitliche und pflegerische Versorgung an klimabedingte Herausforderungen anzupassen und gleichzeitig den CO2-Fußabdruck des Gesundheitswesens zu minimieren. Exemplarisch zu nennen sind hier etwa

  • allgemeine Energieeinsparungen durch energieeffiziente Geräte,
  • energetische Sanierungen an den Gebäuden,
  • Abfallvermeidung,
  • nachhaltige Beschaffung von Arbeitsmaterialien oder
  • die Nutzung erneuerbarer Energien.

Nachhaltige Lieferketten sicherzustellen, wie es beispielsweise die AOK Die AOK hat mit mehr als 20,9 Millionen Mitgliedern (Stand November 2021) als zweistärkste Kassenart…   bereits in den Arzneimittel Nach der Definition des Arzneimittelgesetzes (AMG) sind Arzneimittel insbesondere Stoffe und… -Rabattverträgen umsetzt, ist ein weiterer wichtiger Punkt, den ökologischen Fußabdruck zu verbessern. Zudem bekennen sich die gesetzlichen Krankenkassen Die 97 Krankenkassen (Stand: 26.01.22) in der gesetzlichen Krankenversicherung verteilen sich auf… im Klimapakt zu ihrer Pflicht, gesundheitsfördernde Strukturen in Pflegeeinrichtungen, Kindergärten, Schulen, Betrieben und Kommunen aktiv zu stärken und einen Beitrag zur gesundheitsorientierten Bewältigung des Klimawandels zu leisten. Dies kann – nicht nur, aber auch – über eine Umstellung der Ernährung nach dem Vorbild der Planetary Health Diet funktionieren.

Unterstützung bekommt der Gesundheitssektor in seinen Bemühungen auch von der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG). KLUG ist ein Netzwerk von Einzelpersonen, Organisationen und Verbänden aus dem gesamten Gesundheitsbereich, das sich 2017 gegründet hat. Ziel des Netzwerkes ist es, über die erheblichen gesundheitlichen Auswirkungen der Klimakrise aufzuklären und die Gesundheitsberufe zu befähigen, die notwendige Transformation hin zu einer klimaneutralen Gesellschaft zu bewerkstelligen.

Foto: Schwitzender Mann wischt sich mit Taschentuch die Stirn ab.
Die Berichte des Weltklimarates zeigen eindeutig: Weltweit werden Starkregen stärker, Hitzewellen tödlicher, Böden trockener, Wirbelstürme und Sturmfluten richten mehr Verluste und Schäden an. Das gefährdet unsere Gesundheit auf vielfältige Weise.