Niedersachsens AOK-Chef Dr. Jürgen Peter schätzt die Insolvenzgefahr bei Kliniken als gering ein
Im Interview mit der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ) lehnt Dr. Peter höhere Vergütungen ab — es müsse nicht mehr Geld ins System, sondern mehr System in die Verteilung des Geldes.
Die Niedersächsische Allianz für die Krankenhäuser hält viele Kliniken für insolvenzgefährdet und sieht zunehmend die Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum bedroht. Teilen Sie diese Sorge, Herr Peter?
Viele Krankenhäuser sind in einer schwierigen Lage, weil die Zahl der Behandlungsfälle seit der Corona Krise im Durchschnitt um 13 Prozent gesunken ist und infolge des Mangels an Fachkräften Stationen geschlossen wurden. Dadurch sind nur noch zwei von drei Betten belegt. Zudem müssen die Häuser seit letztem Jahr ohne Corona-Hilfen auskommen, während die Ausgaben zum Beispiel für Energie und das Personal deutlich gestiegen sind. Trotzdem wird in Niedersachsen kein Krankenhaus Krankenhäuser sind Einrichtungen der stationären Versorgung, deren Kern die Akut- beziehungsweise… schließen müssen, das für die Versorgung notwendig ist.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft rechnet für dieses Jahr mit 80 Pleiten bundesweit und spricht in diesem Zusammenhang von einem „kalten Strukturwandel".
In Niedersachsen gab es im vergangenen Jahr zwei Insolvenzen bei insgesamt 165 Krankenhäusern. Tatsächlich sind in den letzten zehn Jahren landesweit sechs Kliniken nach einem Insolvenzverfahren geschlossen worden. Wenn in Deutschland von 1700 Häusern 80 Insolvenz anmelden und am Ende 20 Kliniken tatsächlich aufgeben müssten, wäre das eine Quote von rund einem Prozent. Wer hier von einem „kalten Strukturwandel" spricht, schürt Panik. Das ist keine Pleitewelle, das ist Panikmache.
Die Niedersächsische Allianz fordert für dieses Jahr eine zusätzliche Anhebung der Vergütungen für die Krankenhäuser um 4 Prozent halten Sie das für angemessen?
Nein. Wir sind bei der aktuellen Finanzierungsrunde beim Landesbasisfallwert Der Landesbasisfallwert dient im Rahmen der Krankenhausfinanzierung der Berechnung der Kosten, die… also der durchschnittlichen Vergütung Die Leistungserbringer im Gesundheitswesen werden nach unterschiedlichen Systemen vergütet. Die… je Behandlung an die Obergrenze gegangen. Der laufende Betrieb der Krankenhäuser ist damit auskömmlich finanziert. Die Defizite resultieren daraus, dass die Investitionen nicht ausreichend finanziert werden. Und das liegt in der Verantwortung der Länder. Die duale Finanzierung der Kliniken, nach der die Krankenkassen Die 97 Krankenkassen (Stand: 26.01.22) in der gesetzlichen Krankenversicherung verteilen sich auf… die Betriebskosten übernehmen und die Länder die Investitionen, ist leider nur ein Mythos.
Die Landesregierung hat das erkannt und will zusammen mit den Kommunen in den kommenden zehn Jahre insgesamt 3 Milliarden Euro für Investitionen zur Verfügung stellen.
Das ist auch gut so. Es ist sehr zielführend, dass die Landesregierung für den Krankenhausstrukturprozess deutlich mehr Geld in die Hand nimmt. Wir sehen aber auch, dass die Bundespolitik weiterhin versucht, bei der geplanten Strukturreform der Krankenhäuser staatliche Aufgaben auf Kosten der Krankenkassen zu finanzieren. Die Beitragszahler sind aber nicht die Hausbank des Bundes.
Sie spielen an auf den Transformationsfonds in Höhe von 50 Milliarden Euro, mit dem der Bund und die Länder den Umbau der Kliniklandschaft hin zu mehr Spezialisierung und Zentralisierung fördern wollen der Bundesanteil soll von der gesetzlichen Krankenversicherung kommen. In Berlin ist die finanzielle Not angesichts der Schuldenbremse eben groß. Würden Sie den Fonds lieber verkleinern?
Nicht unbedingt. Der Fonds darf nur nicht aus Beitragsgeldern bestückt werden, da Daseinsvorsorge eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Die Wahrheit ist aber auch, dass sehr viel Geld im System ist und wir zukünftig mehr System bei der Verteilung der Mittel brauchen. Wir müssen weg von der Finanzierung per Gießkanne, weg von Fehlanreizen bei der Förderung. Viele Krankenhäuser müssen jetzt ihre Strukturen anpassen und sich weiter spezialisieren. Dank einer veränderten Aufgabenteilung können sie Patienten künftig besser versorgen und selbst bessere wirtschaftliche Ergebnisse erzielen. Damit werden sie zukunftsfähig.
Interview: Jens Heitmann | Hannoversche Allgemeine Zeitung | 02.04.24