Hintergrund

Karenztage bergen Risiken für Beschäftigte und Unternehmen 

Sinkt der Krankenstand, wenn Arbeitnehmende die Kosten für den ersten Krankentag selbst tragen müssen? So einfach ist es nicht. Denn die Wiedereinführung eines Karenztages birgt Risiken für Beschäftigte und Unternehmer und dürfte für noch vollere Arztpraxen sorgen. Außerdem können Unternehmen selbst etwas tun, um den Krankenstand zu reduzieren.

Eine Frau beugt sich über eine Schüssel mit einer Flüssigkeit. Die Frau hat ein rotes Handtuch über dem Kopf. Sie wirkt erkältet.

Der Allianzchef Oliver Bäte hat eine Diskussion um die Wiedereinführung eines Karenztages entfacht. Würde dieser wieder eingeführt, dann müssten Beschäftigte die Kosten für den ersten Krankheitstag selbst zahlen. Bäte und andere Wirtschaftsvertreter wie der Mercedes-Chef Ola Källenius verweisen auf andere europäische Länder und hoffen durch die Wiedereinführung der Karenztage den hohen Krankenstand Der Krankenstand beziffert die Zahl der arbeitsunfähig geschriebenen Kranken bezogen auf 100… in Deutschland einzudämmen.  

Aber wie sinnvoll ist die Wiedereinführung von Karenztagen aus Sicht der AOK Die AOK hat mit mehr als 20,9 Millionen Mitgliedern (Stand November 2021) als zweistärkste Kassenart… ? „Krankheiten, egal, ob es um einen Atemwegsinfekt, eine Krebserkrankung oder um eine Depression geht, können jede beschäftigte Person treffen. Angesichts des aktuellen Fachkräftemangels und der älter werdenden Belegschaften sollten alle Chancen genutzt werden, damit die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Beschäftigten langfristig erhalten bleibt“, erläutert Helmut Schröder, Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO Das WIdO (Wissenschaftliches Institut der AOK) liefert als Forschungs- und Beratungsinstitut der… ). 

Drohende Produktionsverluste, wenn Mitarbeitende krank zur Arbeit gehen

Grundsätzlich gebe es keinen Anlass zum Misstrauen bei Krankmeldungen. Schröder ergänzt mit Blick auf spezifische vulnerable Gruppen: „Es besteht das Risiko, dass notwendige krankheitsbedingte Ausfalltage nicht in Anspruch genommen werden. Leidtragende sind an erster Stelle die Beschäftigten, die durch einen solchen Raubbau an ihrem Körper die kurz- und langfristigen Folgen zu tragen haben und auch eine Chronifizierung ihrer Erkrankung in Kauf nehmen und damit gegebenenfalls auch in den Unternehmen längerfristig krankheitsbedingt ausfallen. Auch die Betriebe tun sich keinen Gefallen, wenn sie einen kranken Beschäftigten arbeiten zu lassen, da Produktionsverluste drohen, zum Beispiel durch ansteckende Krankheiten, die auf andere Mitarbeitende übertragen werden.“  

Risiko überfüllter Arztpraxen

Der Geschäftsführer des WIdO weist auf eine weitere negative Auswirkung von Karenztagen hin. „Karenztage könnten übrigens auch dazu führen, dass sich Angestellte bereits am ersten Tag einer Krankheit wird in der Medizin als Abweichung von Gesundheit oder Wohlbefinden verstanden. Allerdings stößt die… eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellen lassen - das wiederum würde die Arztpraxen noch voller machen, als sie es bereits heute sind.“ 

Unternehmen haben Einfluss auf Krankenstand

Unternehmen können selbst sinnvolle Maßnahmen ergreifen, um den hohen Krankenstand und die damit verbundene Kostenbelastung zu reduzieren. Anke Jurchen, Leiterin der betrieblichen Gesundheitsförderung ist ein fortlaufender Prozess mit dem Ziel, allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über… bei der AOK Nordost betont: „Wichtig ist, dass Arbeitgeber neben Gesundheitsangeboten an die Beschäftigten auch andere Aspekte der Unternehmenskultur in den Blick nehmen. Zum Beispiel, indem Gesprächskultur und Arbeitsabläufe verbessert und Arbeitsplätze ergonomischer gestaltet werden. Auch eine an den Bedürfnissen der Mitarbeitenden orientierte Arbeitszeit kann zu einer höheren Zufriedenheit und zu einem gesünderen Betriebsklima beitragen.“ 

Hoher Krankenstand durch Atemwegsinfekte

Der aktuelle Fehlzeiten-Report des WIdO weist als Treiber des hohen Krankenstandes insbesondere Atemwegserkrankungen aus. „Hier können die in der Corona-Zeit erprobten Hygieneregeln helfen, beispielsweise überfüllte und schlecht gelüftete Meetingräume am Arbeitsplatz vermeiden, oder, falls möglich, Home-Office-Regelungen zu treffen“, sagt Schröder. 

Die AOK Nordost hat 2024 insgesamt 467 Unternehmen zum Thema Betriebliche Gesundheitsförderung Seit dem Inkrafttreten des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes zum 1. April 2007 sind die bisherigen… beraten und unterstützt. Dabei ist es beispielweise der Pflegeheimkette SenVital gelungen, Krankenstand und Fluktuation mit  Betrieblicher Gesundheitsförderung zu senken, wie Geschäftsführerin Beata Paluchowska in diesem Interview berichtet.