Digitale Effizienz - menschliche Nähe
Impulspapier des wissenschaftlichen Beirats der AOK Nordost zu „Digital Health“ für die 20. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages
Am 26. Oktober 2021 beginnt die 20. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages. Unabhängig von der laufenden Regierungsbildung zeichnen sich Schwerpunkte politischer Gestaltung der nächsten Monate und Jahre ab, wie sie bereits in den Wahlprogrammen und anderen Verlautbarungen der Parteien zum Ausdruck gekommen sind. So dürfte nicht nur „Digitalisierung“ im Allgemeinen eine besondere Rolle spielen, sondern ihr Einfluss auf die Fortentwicklung des Gesundheitswesens im Besonderen fokussiert werden. Auch wenn die Corona-Pandemie – gemessen an der Sterblichkeitsrate – schlimmste Befürchtungen bisher nicht hat wahr werden lassen, so ist doch zweierlei deutlich geworden:
- Die unmittelbaren und mittelbaren Folgen der Pandemie belasten das Gesundheitssystem und die öffentliche Hand in erheblicher Weise.
- Die Pandemie hat die Defizite eines bei weitem nicht hinreichend digitalisierten Gesundheitswesens und einer überkommenen öffentlichen Verwaltung wie im vielzitierten Brennglas deutlich werden lassen.
Diese Defizite zeigten sich auf allen systemrelevanten Ebenen:
Auf der Infrastrukturebene (also bei der Hardware, den Netzwerkverbindungen etc.) wurde sichtbar, dass es vielen Akteuren, insbesondere den Gesundheitsämtern, auch 20 Jahre nach Beginn des 21. Jahrhundert, dem „digitalen Zeitalter“, immer noch an grundlegender moderner IT-Ausstattung mangelt (sinnbildlich hierfür: das Faxgerät). Demzufolge sind die Leistungserbringer und Leistungsträger unseres Gesundheitswesens auch weit von einer Vernetzung, geschweige denn Automatisierung entfernt.
Denn selbst dort, wo die technologische Basis geschaffen (oder zumindest konzipiert) wurde, wie etwa bei der Telematikinfrastruktur, fehlt es auf der Prozessebene an etablierter digitaler Unterstützung, wie es sich besonders an der stockenden Einführung der elektronischen Patientenakte zeigt, für die ja schon die gesetzlichen Grundlagen geschaffen wurden). Dies ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass die gesellschaftliche Akzeptanz von staatlichen Lösungen an Legitimität, Nutzen und Aufklärung hängt. So werden selbst sinnvolle Innovationen im Gesundheitsbereich (wie die digitalen Gesundheitsanwendungen), die nicht prima facie im Entscheidungsstadium stecken bleiben oder operativ versanden, oft nur verzögert in der konkreten Versorgung wirksam, weil eine systematisch und systemisch entwickelte Kultur des verantwortungsvollen und legalen Umganges mit digitalen Technologien nicht konsequent genug entwickelt wurde. Sinnvolle Initiativen wie beispielsweise die digitale Kontaktnachverfolgung mit der Software Sormas werden zu spät implementiert, sind nicht interoperabel und erfordern mangels Schnittstellen zu bestehenden Softwarelösungen zuweilen eine redundante Datenerfassung.
Spätestens auf der Nutzungsebene erkennt man die größten Versäumnisse, das Fehlen oder die mangelnde Nutzbarkeit der heute verfügbaren Datenbestände. Selbst dort, wo relevante Gesundheitsdaten in digitaler Form und hoher Qualität vorliegen, ist keineswegs gewährleistet, dass sie all jenen, die an ihrer Verwertung und Nutzung ein legitimes Interesse haben (Ärzte, Patienten, Behörden, Forschungseinrichtungen u.a.m.), auch genau dann zur Verfügung stehen, wenn sie benötigt werden. Soweit der Datenzugriff „aus Datenschutzgründen“ versagt wird, mag dies zuweilen an einer fragwürdigen Auslegung der DSGVO oder einer vermeidbaren tatsächlich datenschutzwidrigen Gestaltung der Datenflüsse liegen. Es könnte aber auch die Unwilligkeit der mit der Wahrnehmung von Datenschutzanliegen beauftragten Personen sein, das positive Potenzial der DSGVO sachgerecht wahrzunehmen (oder eben kluge Impulse zur Weiterentwicklung zu geben) und nicht unterhalb des vom rechtlichen Rahmen ermöglichten Leistungsniveaus zu stagnieren.
Zwar wurde in der letzten Legislaturperiode vieles auf den Weg gebracht, wurden notwendige gesetzliche Grundlagen beschlossen und war der politische Wille erkennbar, das Gesundheitswesen mit digitalen Mitteln effizienter und effektiver zu gestalten. Jedoch fehlen noch etliche Konzepte und Bausteine für ein schlüssiges Gesamtkonzept. Das zeigt auch ein Blick in die politischen Programme, die – ohne auf parteipolitische Details einzugehen – das Folgende adressieren:
Im Mittelpunkt steht dort die elektronische Patientenakte (ePA), die als ein Baustein hin zu einer digitalisierten Gesundheitsversorgung bis 2030 weiterentwickelt werden soll – nicht zuletzt, um Informationslücken zwischen Praxis und Krankenhaus durch digitale Versorgungsketten zu schließen. Diese Weiterentwicklung dient auch dazu, die ePA einfach zugänglich und verständlich zu gestalten. Dass hierbei der Schutz von Patientendaten hohe Priorität besitzt, versteht sich von selbst. Wie dies konkret geschehen soll, wird aber allenfalls angedeutet.
Eine zweite Säule neben der ePA nimmt die Telemedizin ein. Diese solle vorangetrieben werden, um vor allem auf dem Land chronisch Kranke und ältere Patienten gut und kontinuierlich zu versorgen.
Größere Aufmerksamkeit erhält die Modernisierung des öffentlichen Gesundheitsdienstes in seiner ganzen Aufgabenvielfalt und auf allen Verwaltungsebenen. So sollen bis 2026 etwa 4 Milliarden Euro für den Personalaufbau und die Digitalisierung der unteren Gesundheitsbehörden durch den Bund gemäß dem Bund-Länder-Pakt für den Öffentlichen Gesundheitsdienst bereitgestellt werden. Vorgeschlagen wird auch die Errichtung eines Bundesinstituts für Gesundheit, welches u.a. als zentrales Public-Health-Organ durch die Bündelung bestehender Strukturen zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung beitragen soll.
Einen Schwerpunkt legen die Parteiprogramme auf die Pflege, auch unter Aspekten der Digitalisierung. Dies gilt etwa für die Weiterentwicklung technischer Assistenz- und Warnsysteme für mehr Sicherheit und Eigenständigkeit von älteren Menschen oder die Entlastung der Pflegekräfte durch den Ausbau digitaler Infrastrukturen und Pflegedokumentation. Erreicht werden sollen eine hohe Lebensqualität im Alter bei gleichzeitiger Entlastung der Pflegekräfte durch Digitalisierung, Smart-Home-Technologien und modernste Roboter. Telepflege solle eine längere gute Versorgung von pflegebedürftigen Personen im gewohnten Umfeld ermöglichen.
Die Bedeutung medizinischer Forschung wird in den Wahlprogrammen demgegenüber nur ansatzweise thematisiert. Am konkretesten ist der Vorschlag zum Aufbau eines Bio-IT-Forschungszentrums, um den Transfer von der Forschung in die Anwendung zu beschleunigen und innovative Behandlungsmöglichkeiten hervorzubringen (z.B. digitale Datenspeicherung in DNA und 3D-Druck von biologischem Gewebe).
In institutioneller Hinsicht erwähnenswert ist der Vorschlag, die Gesundheitsbehörden der Länder und Kommunen weiter zu modernisieren, personell zu verstärken und mit dem Robert Koch-Institut, das zum deutschen Public-Health-Institut ausgebaut werden soll, zu vernetzen.
Dass, wie die Corona-Pandemie deutlich gezeigt hat, gerade angesichts globaler Gesundheitsrisiken europäische (internationale) Lösungen erforderlich sind, betonen Vorschläge wie jener einer Stärkung des europäischen Zentrums für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten oder auch der Gedanke der Gründung einer europäischen Gesundheitsunion, die alle Ressourcen in der personalisierten Medizin bündelt.
Der wissenschaftliche Beirat der AOK Nordost appelliert an die neue Bundesregierung, ihre Gesundheitspolitik an den tatsächlichen Bedürfnissen der Menschen auszurichten, die in der Pandemie offenbar gewordenen Versäumnisse in der Digitalisierung umgehend und umfassend zu analysieren und das Gesundheitssystem auf einen zeitgemäßen und zukunftsfesten Stand zu bringen. Die in den Wahlprogrammen avisierten Reformvorschläge zur Gesundheitspolitik gehen in die richtige Richtung, müssten aber konkretisiert, operationalisiert und vor allem Teil einer größeren, zukunftsgerichteten Idee eines modernen Gesundheitswesens mit digitaler Effizienz und menschlicher Nähe werden.
1. Nähe zum Menschen!
Digitale Effizienz muss dazu dienen, die Nähe zum Menschen im Gesundheitswesen wieder in den Fokus zu setzen; es geht um seine Würde, sein Leben und seine Gesundheit. Das betrifft in erster Linie die Patientinnen und Patienten, aber auch die im Gesundheitswesen arbeitenden Menschen, deren Bedürfnisse gerade einem Trend zu (digitaler) Effizienz nicht zum Opfer fallen dürfen. Genau genommen zeigt Digitalisierung ihr menschliches Antlitz, wenn man ihre entlastenden Momente dergestalt nutzt, dass sie den Menschen zugutekommen – und nicht einseitig den öffentlichen Kassen. Diese ethische Perspektive hat auch ökonomische Vorteile, denn bei interessengerechtem Einsatz schaffen digitale Anwendungen und Infrastrukturen bessere Rahmenbedingungen für ein gesünderes, präventionsorientiertes Leben.
2. Daten nutzen!
Um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es einer besseren, gezielten Erfassung, Verarbeitung und Nutzung von Gesundheitsdaten. Es gibt genügend Beispiele für eine funktionierende Datennutzung, sogar in Echtzeit (etwa im Verkehrssektor, bei Frühwarnsystemen oder im Handel), sodass es für eine bessere Gesundheitsversorgung weniger technische, denn (rechts-) kulturelle Hürden zu überwinden gilt. Hierzu zählt auch ein Paradigmenwechsel im Verständnis von Datenschutz und Datennutzung. Bislang wurde die Verarbeitung von Gesundheitsdaten vielfach besonders unter dem Aspekt des Schutzes personenbezogener Daten problematisiert, während man den Angriffs- und Missbrauchspotentialen eher nachlässig begegnete und viele Nutzer vor Datenpreisgabe zurückschrecken, weil sie Sorge vor solchem Missbrauch haben. Richtig und zielführend wäre es unterdessen, die legitime Nutzung von Gesundheitsdaten zu unterstützen und zu fördern, sowie missbräuchliches Verhalten konsequent zu unterbinden und entsprechend zu sanktionieren. Dies entspräche auch dem Geist der Datenschutzgrundverordnung, die den Datenverkehr gleichberechtigt neben den Datenschutz stellt (Art. 1 DSGVO) und Instrumente benennt, eine grundrechtskonforme und interessengerechte Datenverarbeitung insbesondere durch Technikgestaltung zu fördern (Art. 25 DSGVO). Der zweifellos bestehenden Schutzbedürftigkeit sensibler Gesundheitsdaten wird man nicht durch eine pauschale Verhinderung von Datenverarbeitung gerecht, sondern durch innovative Gestaltung von Technologien und deren Einbindung in ein lernendes und verstehendes Gesundheitssystem. Jenseits herkömmlicher Anonymisierungs- und Einwilligungsverfahren haben technische Innovationen viel Raum, den berechtigten Interessen der Patientinnen und Patienten auf informationelle Selbstbestimmung Rechnung zu tragen. Eine große Rolle sollte künftig die (Rück-)Verfolgbarkeit bei Identitätsdiebstahl und Datenmissbrauch spielen. Durch systematisches und effizientes Risikomanagement könnte auch eine größere Vertrauensbasis geschaffen werden, um den Datenumgang im Gesundheitsbereich interessengerecht zu gestalten. Derzeit unterbleibt eine sinnvolle Nutzung von Gesundheitsdaten häufig nur, weil man deren Risiken nicht abschätzen kann. Damit aber werden aber gerade die wichtigen Zukunftsfelder wie Präzisionsprävention oder Präzisionsmedizin nur langsam weiterentwickelt, und im Wettbewerb mit vor allem kommerziellen Anbietern aus den USA und China entsteht eine Unwucht. Ohne smarte und wettbewerbsfähige Gesundheitsdatennutzungsmodelle in Deutschland und Europa, die auch zeitnah zur Verfügung stehen, wird es schwer werden, die Etablierung gesellschaftlich nicht wünschenswerter Geschäftsmodelle abzuwehren.
3. Infrastruktur gestalten!
Grundlage hierfür ist eine Telematikinfrastruktur mit leistungsfähigen Verbindungen und funktionierenden Endpunkten, die zügig auszubauen und entlang der sich wandelnden Bedarfe nutzerfreundlich weiterzuentwickeln ist. Deshalb darf nicht an veralteten Prozessen festgehalten werden. Behandlungswege neu zu gestalten, setzt Offenheit gegenüber technologischen Innovationen, die Überwindung innerer Widerstände und ständige Lernbereitschaft voraus. Die nicht mehr neue Formel „lebenslanges Lernen“ hat gerade im Gesundheitssektor eine überragende Bedeutung. Nähe kann darüber hinaus buchstäblich gebildet werden, wenn Versorgungsdefizite in strukturschwachen ländlichen Regionen durch digitale Anwendungen überwunden werden (Telemedizin, Telepflege). Dies lässt sich ganz konkret optimieren: So könnten etwa Kliniken der Maximalversorgung auch telemedizinisch kleinere Krankenhäuser bei der Behandlung von zeitkritischen Notfällen unterstützen; Videosprechstunden und Telekonsile entlasten die Vor-Ort-Medizin, und telemedizinische Behandlungszentren betreuen 24/7 chronische Behandlungsfälle. Digitale Medizinprodukte, auch in Form von Apps, unterstützen die Patientinnen und Patienten im eigenverantwortlichen Umgang mit ihrer Erkrankung.
Gerade um der schnellen Etablierung digitaler Gesundheitsanwendungen wegen war deren großzügige Zulassung zunächst richtig, auch wenn sie letztlich nicht die erhofften Anreize bot. Nun sollten wieder bewährte Maßnahmen der Qualitätssicherung greifen. Innovative Produktentwicklung mit agilen Methoden kann medizinischen Fortschritt begünstigen, darf aber auch bestimmte Qualitätsstandards nicht vernachlässigen.
4. Digitalkompetenz verbessern!
Um all dies zu erreichen, bedarf es einer viel stärkeren Vermittlung von Digital- und Datenkompetenz bei allen Akteuren im Gesundheitswesen und auch bei den Versicherten. Denn letztlich kommt es auch bei der Gesundheitspolitik mit Blick auf die Chancen und Risiken der Digitalisierung auf die Menschen an. Deutlicher denn je zeigt das Wahlergebnis zum 20. Deutschen Bundestag – der ersten Bundestagswahl nach bzw. während einer Pandemie – dass sich die Menschen von überkommenen politischen Konzepten nicht mehr repräsentiert und verstanden fühlen. Diese Vermittlung zu gestalten, ist eine politische Aufgabe ersten Ranges. Die Gesundheitsdatenkompetenz ist sowohl als private wie auch als public digital health literacy wesentlich relevanter als viele andere heute etwa im formalisierten Bildungssystem vermittelten Kompetenzen.
5. Von Vorreitern lernen!
Der allerseits ersehnte Digitalisierungsschub kann nicht gelingen, wenn man zu lange überlegt statt zu handeln, und überdies versucht, das Rad immer wieder neu zu erfinden. Es ist deshalb empfehlenswert, Digitalstrategien zeitnah umzusetzen, anstatt diese von Vorneherein optimieren zu wollen. Vor allem sollte man bereit sein, bewährte Konzepte, Lösungen und Anwendungen aus anderen Ländern zu übernehmen, statt solche selbst von Grund auf neu zu entwickeln. Von Vorreitern zu lernen, setzt Kräfte frei und eröffnet die Chance für eine zeitnahe, qualitätsorientierte Modernisierung des Gesundheitswesens.
Insgesamt gilt es, Digitalisierung im Gesundheitswesen groß zu denken: In einem digitalisierten und effizienten Gesundheitswesen müssen Menschen und ihre Bedürfnisse an erster Stelle stehen. Die Legitimierung gesundheitsfördernder Maßnahmen und Ziele, die Optimierung der sachdienlichen Geschäfts- und Verwaltungsprozesse, die Digitalisierung der Daten, die Vernetzung der Akteure und Inhalte, aber auch (Teil-)Automatisierung der Informationserfassung und -auswertung – all dies findet bereits in anderen Sektoren statt und lässt sich auf den Gesundheitssektor verantwortungsvoll und gegenstandsangemessen übertragen. Einwände hiergegen lassen sich entkräften:
Finanziell: Investitionen in „Digital Health“ lohnen sich schon deshalb, weil die Behebung von Versäumnissen der Digitalisierung letztlich teurer ist, wie sich während der Pandemie deutlich gezeigt hat (vor allem, wenn man die Kollateralschäden mitbedenkt).
Rechtlich: Gesetze lassen sich ändern und anpassen. Das Grundrecht auf Schutz von Leben und Gesundheit hat einen so hohen Wert, dass gesundheitsfördernden, ausgewogenen Maßnahmen kaum überwiegende Gegeninteressen entgegengehalten werden können.
Ethisch: Es gibt eine Pflicht zum verantwortungsvollen Umgang gerade mit Technologien, die in starkem Maße den menschlichen Autonomieraum präfigurieren – ein Algorithmus unterscheidet sich nicht nur durch seine Digitalität vom Stereoskop. Der schnittstellengeprägte Zusammenhang zwischen Menschen als moralische Akteure und Maschinen als zunehmend auch, aber anders „autonome“ Entitäten, wird die Zukunft der Medizin deutlich prägen. Sorgen vor einer „Dehumanisierung“ der Medizin sind nachvollziehbar. Sie lassen sich aber entkräften. Umgekehrt sind die ethischen Argumente für eine angemessene Nutzung digitaler Chancen auf Prävention, Diagnose, Therapie und Nachsorge überzeugend, woraus die Pflicht zur Evaluierung und Nutzung dieser Chancen folgt.
Technologisch: Der Markt für digitale Gesundheitsanwendungen boomt. Maßgeschneiderte Lösungen lassen sich auch kurzfristig entwickeln, wenn man die richtigen Partner zusammenbringt. Um ein „Vergabeversagen“ zu vermeiden, gilt es vorrangig, die richtige Expertise bei den öffentlichen Auftraggebern anzusiedeln. Um für hochqualifizierte Fachkräfte speziell im digitalen Zeitalter attraktiv zu sein, erweist sich das Besoldungsrecht des öffentlichen Dienstes (wie auch an vielen anderen relevanten Stellen) als absolut hinderlich. Marktübliche Vergütungsmöglichkeiten könnten helfen, den Zukauf überteuerter Beratungsdienstleistungen zu vermeiden.
Organisatorisch: Die Zeit ist reif für eine große Staats- und Verwaltungsreform bis in die unteren Verwaltungseinheiten, um agiles und zielorientiertes Arbeiten zu ermöglichen. Die Pandemie hat gezeigt, dass Bürokratie zur Gefahr wird, wenn mutierte Viren sich nicht an Durchführungsverordnungen halten. Pointiert: Operation gelungen, Patient tot.
Kulturell: Wir brauchen einen gesamtgesellschaftlichen Diskurs über den Wert von Gesundheit und der Gesundheitsberufe. Digitalisierung muss den Menschen dienen – die Zufriedenheit von Patientinnen und Patienten und von im Gesundheitswesen arbeitenden Menschen muss ein relevanter Indikator der Digitalen Transformation werden.
Die nun beginnende Legislaturperiode sollte genutzt werden, Staat, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Wissenschaft für die gute Sache zusammenzubringen.
Die Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirats für Digitale Transformation der AOK Nordost
- Dipl.-Pol. Inga Bergen, Sprecherin
- Prof. Dr. Dirk Heckmann, Geschäftsführer
- Prof. Dr. Wilfried Bernhardt
- Prof. Dr. Dr. Walter Blocher
- Prof. Dr. Stefan Heinemann
- Prof. Dr. Dr. h.c. Stefan Jähnichen
- Prof. Dr. Anne Paschke
- Dipl.-Psychologin Marina Weisband