Expertengremium weist Datenschützer-Kritik an ePA zurück
Berlin, 5. Oktober 2020 Der Wissenschaftliche Beirat für Digitale Transformation der AOK Nordost hält die Kritik des Bundesdatenschutzbeauftragten Ulrich Kelber (SPD) an der elektronischen Patientenakte (ePA) für unbegründet. „Die ePA in ihrer jetzigen Form widerspricht nicht den Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung“, sagte Prof. Dirk Heckmann, Geschäftsführer des unabhängigen Gremiums. Heckmann ist Inhaber des Lehrstuhls für Recht und Sicherheit der Digitalisierung an der TU München. In einer heute veröffentlichten Stellungnahme zur Datenhoheit bei der elektronischen Patientenakte begründet der Beirat wie folgt.
Patientinnen und Patienten können entscheiden, welchem Arzt sie die ePA freischalten
Zwar stimme es, dass Patient*innen nach dem Stufenkonzept des PDSG erst ab 2022 die Möglichkeit haben, auf Dokumentenebene zu entscheiden, welche Ärzte welche Befunde einsehen dürfen. Dass die Patient*innen den Zugriff auf die ePA vorerst nur als Ganzes freigeben können, bedeute aber nicht, dass das Gesetz europarechtswidrig sei. „Die Nutzung der Patientenakte ist freiwillig, niemand wird gezwungen, überhaupt von ihr Gebrauch zu machen“, heißt es in der Stellungnahme. Das Beispiel, der Zahnarzt könne künftig alle Befunde des konsultierten Psychiaters sehen, sei im Rahmen des PDSG zudem keineswegs erlaubt. Ein solcher Datenzugriff hätte schon jetzt ernste berufsrechtliche und ggf. sogar strafrechtliche Konsequenzen.
„Die ePA ist auch 2021 keine ‚Alles-oder-nichts-Lösung‘, betont der Wissenschaftliche Beirat. Denn Patient*innen können auch 2021 selbst entscheiden, welchen Ärzt*innen sie den Zugriff auf die ePA erlauben – und bei welchen Behandlern sie bei den herkömmlichen Übertragungswegen, zum Beispiel per Post, bleiben möchten. Die Vorteile der ePA den Nutzer*innen möglichst früh zukommen zu lassen, sei auch „unter dem Aspekt eines notwendigen Digitalisierungsschubs – nicht zuletzt unter den erschwerten Bedingungen einer Pandemie, bei der etwa ein Lockdown ‚analoge‘ Prozesse zum Erliegen bringen kann – ein nachvollziehbares Anliegen.“
Sanktionen gegen Krankenkassen seien kontraproduktiv
Mehrere Datenschützer hatten Sanktionen angekündigt, falls die Krankenkassen die ePA gemäß den gesetzlichen Vorgaben umsetzen. Aus Sicht des Wissenschaftlichen Beirats ist das kontraproduktiv, denn die Kassen gerieten dadurch in ein Dilemma. Verletzten sie wie von den Datenschützern gefordert, die vom PDSG auferlegten Pflichten, drohten wiederum Sanktionen der Rechtsaufsichtsbehörde, dem Gesundheitsministerium. „Letztlich wird der Streit zwischen dem Bundesdatenschutzbeauftragten und dem Bundestag auf dem Rücken der Krankenkassen und damit auch auf dem Rücken der Versicherten ausgetragen“, so die abschließende Einschätzung der Expert*innen.
Das Positionspapier „Datenhoheit bei der elektronischen Patientenakte“ finden Sie hier.
Wissenschaftlicher Beirat für Digitale Transformation
Der im November 2016 gegründete Wissenschaftliche Beirat für Digitale Transformation der AOK Nordost berät die Dreiländerkasse kritisch und unabhängig bei Fragen der digitalen Transformationen im Gesundheitswesen.
Mitglieder des Beirates sind:
- Dipl.-Pol. Inga Bergen (Sprecherin)
- Prof. Dr. Wilfried Bernhardt
- Prof. Dr. Dr. Walter Blocher
- Prof. Dr. Stefan Heinemann
- Prof. Dr. Dr. h.c. Stefan Jähnichen
- Dr. Anne Paschke
- Dipl.-Psych. Marina Weisband
Die Geschäftsführung liegt bei Prof. Dr. Dirk Heckmann.