Hintergrund

Apothekenreform: Flexibler am Markt agieren

Auch Apotheken sind von Fachkräftemangel und Ausdünnung der Versorgung in der Fläche betroffen. Mit einer Apothekenreform will der Bundesgesundheitsminister eine flächendeckende Arzneimittelversorgung sicherstellen.

Der Referentenentwurf des Apotheken-Reformgesetzes betont die Notwendigkeit, das bestehende Apothekennetz mit persönlicher Vor-Ort-Beratung zu erhalten. Angesichts des Fachkräftemangels und eines wachsenden Versorgungsgefälles zwischen Stadt und Land sollen Apothekenstandorte in strukturschwachen Regionen gezielt gefördert werden. Dabei setzt die Reform im Wesentlichen auf zwei Säulen: Zum einen soll die Vergütungssystematik angepasst werden, zum anderen sind Erleichterungen beim Betrieb von Zweig- und Filialapotheken geplant. Die AOK Die AOK hat mit mehr als 20,9 Millionen Mitgliedern (Stand November 2021) als zweistärkste Kassenart… NordWest unterstützt die Zielsetzung der Reform. „Es ist richtig, die Vergütung Die Leistungserbringer im Gesundheitswesen werden nach unterschiedlichen Systemen vergütet. Die… zugunsten ländlicher Apothekenstandorte neu zu ordnen“, meint Birgit Ewen.

„Es ist richtig, die Vergütung zugunsten ländlicher Apothekenstandorte neu zu ordnen.“

Birgit Ewen

Fachbereichsleiterin Arzneimittel

Die Fachbereichsleiterin Arzneimittel Nach der Definition des Arzneimittelgesetzes (AMG) sind Arzneimittel insbesondere Stoffe und… befürwortet vor allem die bessere Honorierung der Nacht- und Notdienste. „Die Frequenz von Nacht- und Notdiensten ist ein Maß für die Beteiligung an der regionalen Versorgung. Von einer Erhöhung der Zuschläge würden in erster Linie Apotheken in Regionen mit geringer Apothekendichte profitieren.“ Auch das Absenken des prozentualen Anteils der Apothekenvergütung weist nach ihrer Auffassung in die richtige Richtung: „Das Honorar sollte sich am Abgabevorgang und nicht so sehr am Abgabepreis orientieren.“ Allerdings greife der Gesetzentwurf hier noch zu kurz. Mit einer undifferenzierten Erhöhung des Packungsfixums würden generell Apotheken mit hohem Packungsabsatz gefördert, gibt Ewen zu bedenken. „Um flächenversorgende Apotheken zu fördern, muss die Vergütungssystematik zielgenauer sein.“ Angesichts der steigenden Arzneimittelpreise sei es zudem angezeigt, den prozentualen Vergütungsanteil nach oben hin zu begrenzen. „Diese für den Großhandel bereits geltende Deckelung sollte analog auf die Apotheken übertragen werden“, meint Ewen.

Nachbesserungen hält sie auch bei der Finanzierung von pharmazeutischen Dienstleistungen für geboten. Inzwischen sei der pauschal über Packungszuschläge finanzierte Topf auf 380 Millionen Euro angeschwollen. „Die pharmazeutischen Dienstleistungen bleiben hinter den Erwartungen zurück“, erläutert Ewen. Deshalb solle der Finanzierungstopf aufgelöst und die pharmazeutischen Dienstleistungen dann direkt abgerechnet werden. 

Als grundsätzlich zielführend bewertet die Expertin die im Gesetzentwurf vorgesehenen Erleichterungen für den Betrieb von Apotheken. Unter den Stichwörtern Flexibilisierung und Entbürokratisierung sind unter anderem flexiblere Öffnungszeiten für Apotheken, die einfachere Gründung von Zweigapotheken, eine geteilte Filialapothekenleitung sowie die Anerkennung ausländischer Abschlüsse vorgesehen. „Mehr Filial- und Zweigapotheken sind ein wichtiger Baustein, um eine flächendeckende Vor-Ort-Versorgung zu gewährleisten“, meint Ewen. Dazu sollten die Potenziale der Digitalisierung und Telepharmazie besser ausgeschöpft werden. Angesichts des sich forcierenden Fachkräftemangels müsse aber auch über weitere Optionen nachgedacht werden, zum Beispiel über die Nutzung von telepharmazeutisch unterstützten Abgabeautomaten in unterversorgten Regionen als Ergänzung zur Vor-Ort-Versorgung. Insgesamt enthalte der Referentenentwurf einige sachgerechte Ansätze, um auch zukünftig eine flächendeckende Arzneimittelversorgung sicherzustellen. Diese gelte es jetzt im weiteren Verfahren mit den beteiligten Akteuren pragmatisch und konstruktiv weiterzuentwickeln.

Mehr lesen