Blog Nachgefragt und Nachgehakt

Schwangerschaft ist keine Krankheit

04.05.2023 AOK PLUS 8 Min. Lesedauer

„Schwangere Frauen haben es schwer, die neun Monate nicht als Krankheit zu sehen. Alles wird ständig per High-Tech-Medizin überwacht“, sagt Stephanie Hahn-Schaffarczyk. Die Hebamme ordnet die Ergebnisse einer AOK PLUS-Auswertung zur Gesundheit von Schwangeren ein und gibt wertvolle Tipps.

Stephanie Hahn-Schaffarczyk arbeitet als Hebamme im Klinischen Bereich und ist seit 2017 Vorsitzende des Sächsischen Hebammenverbands e. V.

Kugelrund und gesund? Für den Großteil der Schwangeren in Sachsen und Thüringen lässt sich dies bejahen. Die AOK Die AOK hat mit mehr als 20,9 Millionen Mitgliedern (Stand November 2021) als zweistärkste Kassenart… PLUS hat dafür die Abrechnungsdaten ihrer schwangeren Versicherten in beiden Bundesländern untersucht. Im Vergleich zu 2016 kommen die werdenden Mütter heute besser durch die Schwangerschaft. Einige typische Schwangerschaftserkrankungen wie Wasseransammlungen, Eiweiß im Urin, Venenkrankheiten und Hämorrhoiden treten seltener auf. Allerdings ist bei Stoffwechsel-Erkrankungen wie Diabetes ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen und auch psychische Beschwerden zeigen eine aufsteigende Tendenz. Bestätigt hat sich außerdem, dass mit zunehmendem Alter der werdenden Mütter das Risiko für bestimmte Beschwerden steigt und Erkrankungen häufiger auftreten.

Was meinen Sie zu den Ergebnissen?

"Die Zahlen der AOK PLUS haben mit nicht verwundert. Der Anstieg bei den Wochenbettdepressionen ist einerseits sicherlich darauf zurückzuführen, dass das Thema in der Öffentlichkeit kein Tabu mehr ist und damit auch Betroffene ihre Hemmungen verlieren, darüber zu sprechen und sich Hilfe zu holen. Einen anderen Grund sehe ich darin, dass das Leben schlichtweg schneller geworden ist. Soziale Medien mit ihrer Informationsflut ‚fordern‘ eine ständige Erreichbarkeit. Im Internet lässt sich jedes Wehwehchen nachlesen, welches früher als ‚normales‘ Schwangerschaftssymptom abgetan worden wäre. Schwangere und frischgebackene Mütter sind damit häufig überfordert, verunsichert und setzen sich selbst unter Druck."

Und den Anstieg bei Schwangerschaftsdiabetes?

"Da kommen mehrere Faktoren zusammen wie mangelnde Bewegung und ungesunde Ernährung. Bewegung spielt sowohl für eine gesunde Psyche als auch für einen gesunden Körper eine große Rolle. Doch die wenigsten Schwangeren nehmen Sportangebote war. Ungesunde Mahlzeiten und viele meist ebenso ungesunde Snacks tun ihr übriges. Viele Schwangere essen kaum noch unverarbeitete Lebensmittel. Ein paar Stunden nichts zu essen und auf das normale Hungergefühl zu achten, ist für viele undenkbar. Dabei lässt sich mit gesunder Ernährung ungemein viel beeinflussen."

Das sind aber nicht nur Probleme von Schwangeren…

"Nein, da bei Schwangeren aber zum Beispiel ein Diabetestest gemacht wird, fällt dieser eher auf. Würde die ganze Bevölkerung getestet, wäre die Diabetikerzahl sicher deutlich höher als aktuell bekannt. Grundsätzlich sind das Probleme der heutigen Generation – Fast Food statt frisch Gekochtem, Couch statt Bewegung. Schon junge Frauen bewegen sich deutlich weniger als früher. Das fängt in der Schulzeit an und setzt sich im Arbeitsleben fort."

Früher waren die Schwangeren also aktiver während der Schwangerschaft?

"Sicherlich nicht alle, aber verstärkt werden die Effekte, da heutzutage bzw. seit der Corona-Pandemie mehr Schwangere und diese zum Teil eher ins Beschäftigungsverbot geschickt werden. Damit bleibt noch mehr Zeit zu Hause, für ungesundes Essen, wenig Bewegung und um den eigenen Befindlichkeiten nachzugehen. In Ländern wie Island oder Österreich, wo weniger oder keine Beschäftigungsverbote ausgesprochen werden, treten Wochenbettdepressionen und andere Erkrankungen deutlich seltener auf als in Deutschland."

Viele Beschäftigungsverbote: Sind die Schwangeren heute kränker als früher?

"Nein, sie werden mitunter kränker gemacht. Früher waren sie freudiger Erwartung, heute sind sie in anderen Umständen. Schwangere Frauen haben es schwer, die neun Monate nicht als Krankheit wird in der Medizin als Abweichung von Gesundheit oder Wohlbefinden verstanden. Allerdings stößt die… zu sehen. Alles wird ständig per High-Tech-Medizin überwacht und mitunter in Diagnosen festgehalten. Sie müssen regelrecht nachweisen, dass sie gesund sind. Dabei ist Schwangerschaft keine Krankheit!"

Können Sie das konkretisieren?

"Schwangere sind in Deutschland fast schon überversorgt. Schon ab der 20. Woche wird in vielen Praxen ganz regulär ein CTG geschrieben, obwohl das oft unnötig ist. Das kostet das Gesundheitssystem extrem viel Geld und hat ja auch Auswirkungen auf die Frauen, die ständig in sich hineinhorchen, ob mit ihnen und dem Baby alles in Ordnung ist."

Natürliche Geburt oder Kaiserschnitt?

"Ganz klar, die natürliche Geburt. Dies ist ja das Handwerk von uns als Hebammen. Bei Komplikationen ist der Kaiserschnitt natürlich ein Segen für Mutter und Kind. Doch ihre steigende Anzahl ist sicherlich nicht darauf zurückzuführen. Viele Schwangere haben falsche Vorstellungen von der Geburt und scheuen die Schmerzen. Und ehrlicherweise muss auch gesagt werden, dass ein Krankenhaus Krankenhäuser sind Einrichtungen der stationären Versorgung, deren Kern die Akut- beziehungsweise… mit einem Kaiserschnitt viermal mehr Geld verdient als mit einer natürlichen Geburt. Dabei belaufen sich die Kosten auf ungefähr 1.000 Euro – egal, wie sie lang sie dauert."

Was möchten Sie den Schwangeren mitgeben?

"Begrüßen Sie Ihre Schwangerschaft als das Wunder des Lebens! Ihr Körper hat das Potential und ganz viel Kraft eine Schwangerschaft zu empfangen, ein Kind in sich heranwachsen zu lassen und zu gebären. Ihre körperlichen Veränderungen sind ganz normal und grundsätzlich erst einmal etwas Gutes, Sie müssen davor keine Angst haben. Bewegen Sie sich regelmäßig, aber ruhen Sie auch, wenn es notwendig ist. Nehmen Sie sich Zeit für die Mahlzeiten und essen Sie gesund – aber keinesfalls für zwei!"

2 Kommentare

Guten Tag A.S.,

nein, ich bin die Autorin des Beitrags und habe persönlich das Interview mit der Hebamme geführt. Dass Schwangere unter gewissen Beschwerden leiden (können), stellen wir nicht in Abrede - und ich weiß, wovon ich schreibe, denn ich bin aktuell selbst schwanger. Der Umstand "Schwangersein" ist aber keine Krankheit per se und sollte auch nicht als diese angesehen werden, auch wenn die "permanente" Kontrolle und die zahlreichen Untersuchungen dies vermuten lassen könnten. Meiner Meinung nach erklären die Ausführungen von Frau Hahn-Schaffarczyk sehr gut, warum sie zu dieser Einschätzung kommt. Nichtsdestotrotz können mit einer Schwangerschaft sicherlich Krankheiten einhergehen, wie etwa Schwangerschaftsdiabetes, die eine Behandlung notwendig machen und den Körper der werdenden Mutter zusätzlich belasten.

Diesen Quatsch hat sicherlich ein Mann geschrieben. Eine Schwangerschaft ist ganz sicher kein Spaziergang für den Körper! Dieser dämliche Spruch „Schwangerschaft ist keine Krankheit“ ist nur eine Methode die Beschwerden von Schwangeren herunter zu machen.

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