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Thüringen als „Experimentierraum“

17.05.2023 AOK PLUS 5 Min. Lesedauer

Wie zukunftsfähig ist die Gesundheitsversorgung aus Thüringen? Die Frage stand im Mittelpunkt des Diskussionsabends „Bundesweit lenken, regional denken“. Rainer Striebel, Vorstandsvorsitzender der AOK PLUS, warb für mehr Vertrauen und war sich sicher: „Wir können das.“

In einer forsa-Umfrage wurden die Deutschen befragt, welche Einrichtungen für sie vor Ort verfügbar sein sollten. Der Hausarzt lag mit 97 Prozent auf Platz 1, Apotheken hielten 92 Prozent der Befragten für sehr wichtig bzw. wichtig. Die Ergebnisse unterstreichen die Relevanz der Gesundheitsversorgung für die Menschen. Sie ist essentiell für die Attraktivität einer Region und ihrer Bevölkerung. Doch gerade im ländlichen Raum kommt die Gesundheitsversorgung aktuell ins Wanken.

Probleme setzen im Osten deutlich früher an

Grundlage für eine zukunftssichere Versorgungsgestaltung sind eine stabile finanzielle Situation der Leistungserbringer Unter diesem Sammelbegriff werden alle Personengruppen zusammengefasst, mit denen die Krankenkassen… und bezahlbare Krankenkassenbeiträge für Versicherte und Arbeitgeber. Doch nicht Geld allein ist der entscheidende Faktor. Der demografische Wandel, der sich verschärfende Fachkräftemangel, fehlende Spezialisierungen der Krankenhäuser und große regionale Unterschiede zwischen Stadt und Land erfordern Strukturreformen, die Zusammenarbeit verschiedenster Akteure und die sinnvolle Einbindung technologischer und digitaler Lösungen. All diese Herausforderungen setzen in Ostdeutschland eher und teilweise stärker ein als in anderen Regionen. Deshalb ist es wichtig, den Umbau zum zukunftsfesten Gesundheitssystem mit ländlicher und auch ostdeutscher Perspektive aktiv mitzugestalten – und damit die ländliche Versorgung zu sichern.

Thüringen kann Transformation

Die Probleme sind in Thüringen unverkennbar. Die Einwohnerzahl des Freistaats ist seit 1990 um rund 500.000 auf 2,1 Millionen Menschen gesunken. Bis 2030 wird ein weiterer Bevölkerungsrückgang prognostiziert, einhergehend mit einer zunehmenden Überalterung, und die Zahl der Erwerbstätigen wird erheblich sinken (-13 Prozent). Doch Thüringen hat sich nach 1990 schon einmal komplett neu erfinden müssen – sich transformiert – und die Versorgungslandschaft modernisiert. Warum sollte dies nicht noch einmal gelingen?

Innovative, regionale Lösungen

Die AOK Die AOK hat mit mehr als 20,9 Millionen Mitgliedern (Stand November 2021) als zweistärkste Kassenart… PLUS kennt die Versorgungsbedarfe der Menschen in Thüringen, denn die Hälfte aller Einwohner zwischen Sonneberg und Nordhausen sind bei der Gesundheitskasse versichert. Und gemeinsam mit ihren Partnern geht die AOK PLUS die medizinische Versorgung im Freistaat an. Mit den Akteuren der Thüringer Gesundheitsversorgung wurde das Zielbild der medizinischen Versorgung erarbeitet und Lösungen skizziert. Eine Empfehlung ist, die Spezialisierung der Krankenhäuser stärker voranzutreiben, da so die Probleme wie Qualitätssicherung a) Qualitätssicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung: Vertragsärzte, Krankenhäuser und… und Fachkräftemangel zwar nicht gelöst, doch wenigstens abgemildert werden können.

Zusammenarbeit ist das A und O

Eine gute zukünftige Versorgung geht aber auch auf die Bedürfnisse der Menschen ein und bietet ihnen einen spürbaren Mehrwert. Die Partner vor Ort kennen die Bedürfnisse am besten und können passgenaue Lösungen entwickeln bzw. umsetzen. Pilotprojekte wie Preventicus sind aktuell kleine digitale Angebote, die aber eine große Wirkung für die hybride Versorgung haben. Wie wichtig das Zusammenspiel der Akteure ist, beweisen Projekte wie TeleDoc PLUS und ARMIN (Die Arzneimittelinitiative Sachsen-Thüringen). Nur im Zusammenspiel gelingt es, die Bedarfe der Menschen zu erkennen und zu bedienen. Und das ist das Entscheidende.

Plädoyer für mehr Vertrauen

Doch regionale Lösungen werden vom Gesetzgeber eher ausgebremst statt gefördert. Gemäß dem Prinzip „One fits all“ werden auf Bundesebene Vorhaben wie Gesundheitskioske oder die Zentralisierung von Vertragskompetenzen präferiert. Doch eine gute (ländliche) Versorgung in den Regionen kann es nur geben, wenn die Akteure vor Ort ihre Expertise zusammenlegen, die Bundespolitik ihnen den Rücken stärkt und auf ihre gestalterische Umsetzungsfähigkeit vertraut. Es braucht die gesetzliche Freiheit, ähnlich eines „Experimentierraums“, regional passende Ansätze auszuprobieren und mit den dafür benötigten Partnern anzuwenden. Die ein oder andere Lösung kann später auch in ganz Deutschland wirksam werden.

Solide Finanzierung als Basis

Neben der gesetzlichen Flexibilität gehört die nachhaltige Stärkung der Finanzen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der sozialen Pflegeversicherung Die Pflegeversicherung wurde 1995 als fünfte Säule der Sozialversicherung eingeführt. Ihre Aufgabe… (SPV) zu den verlässlichen Rahmenbedingungen. Die erfolgten Rücklagenabführungen erzielten das genaue Gegenteil. Für die AOK PLUS bedeutete dies die Abführung von knapp 850 Millionen Euro an Beitragsgeldern der Versicherten und Arbeitgeber in den vergangenen zwei Jahren. Doch es braucht vor allem eine faire Geld-Verteilsystematik, die insbesondere ländlichen Regionen nicht noch mehr Geld entzieht, sondern Möglichkeiten für Lösungen schafft.

Hintergrund „Bundesweit lenken, regional denken“

Teilnehmende der Podiumsdiskussion (v.l.): Dr. med. Paula Piechotta - Mitglied des Bundestages (Bündnis 90/Die Grünen), Rainer Striebel - Vorstandsvorsitzender AOK PLUS, Heike Werner (Linke), Thüringer Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Familie und Frauen, Dr. med. Annette Rommel - Erste Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen, Michael Weller - Abteilungsleiter im BMG.

Am 11. Mai fand in der Thüringer Landesvertretung beim Bund in Berlin eine gemeinsame Veranstaltung der AOK PLUS und des Thüringer Sozialministeriums (TMASFFG) unter dem Titel „Bundesweit lenken, regional denken. Zukunftsfähige Gesundheitsversorgung aus Thüringen“ statt. Impulse setzten die Thüringer Gesundheitsministerin Heike Werner (Linke), AOK-PLUS Vorstand Rainer Striebel und die Präsidentin der Landesärztekammer Thüringen, Dr. Ellen Lundershausen. In der anschließenden Podiumsdiskussion, an der weiterhin Dr. med. Paula Piechotta (Mitglied des Bundestages, Bündnis 90/Die Grünen), Michael Weller (Abteilungsleiter im BMG) und Dr. med. Annette Rommel (Erste Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen) teilnahmen, wurde offensichtlich, wie wichtig eine gemeinsam erarbeitete Vision für die Zukunft ist.