Reform

Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung / Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG)

In Kraft getreten: 01.01.2011 2 Min. Lesedauer

Das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) führt die Nutzenbewertung und darauf basierende Preisverhandlungen von neuen Arzneimitteln ein.

Auswirkungen auf Versicherte

  • Gesetzlich Versicherte können ab 1. Januar 2011 anstelle des rabattierten Arzneimittels ein teureres Medikament eines anderen Herstellers mit identischem Wirkstoff wählen. Die Mehrkosten müssen sie selbst bezahlen.

Auswirkungen auf Ärzte/ambulante Pflege

  • Die mit dem AVWG am 1. Mai 2006 eingeführte Bonus-Malus-Regelung wird zum 1. Januar 2011 abgeschafft. Auch die Pflicht für Ärzte, bei der Verordnung besonders teurer oder mit Risiko verbundenen Medikamenten die Zweitmeinung eines Spezialisten einzuholen, läuft zum Jahresende aus.
  • Die Wirtschaftlichkeitsprüfungen werden verschlankt: Die Selbstverwaltung erhält die Möglichkeit, die Richtgrößenprüfungen durch eine Prüfung der Wirkstoffauswahl und Mengen in den einzelnen Anwendungsgebieten abzulösen.
  • Die Krankenkassen können mit Vertragsärzten Regelungen zur bevorzugten Verordnung von Vertragsarzneimitteln treffen. Die Teilnahme der Ärzte erfolgt im Rahmen freiwilliger Vereinbarungen. Bei Teilnahme kann im Vertrag eine vollständige Freistellung des Arzneimittels von der Richtgrößenprüfung vorgesehen werden.

Auswirkungen auf Krankenhäuser/stationäre Pflege

  • Die bislang geltenden Mehrleistungsabschläge auf Landesebene werden durch einen verursacherbedingten Abschlag ersetzt. Kliniken, die mehr Leistungen erbringen als zuvor vereinbart (Mengenausweitung), müssen dafür ab 2017 einen dreijährigen Abschlag (Fixkostendegressionsabschlag) für alle abgerechneten Leistungen in Kauf nehmen. Bislang hatten solche Mengenausweitungen über den Mehrleistungsabschlag Auswirkungen auf den Landesbasisfallwert, mit dem alle Kliniken abrechnen. Die Höhe des Abschlags wird auf der Landesebene vereinbart. Ausgenommen von dem Abschlag sind bestimmte Leistungen wie Transplantationen oder Frühgeborenenversorgung. Für Leistungen, die nicht mengenanfällig sind (zum Beispiel Geburten) und für Leistungszuwächse, die durch eine Verlagerung zwischen Krankenhäusern entstehen, gilt ein hälftiger Abschlag.

Auswirkungen auf Krankenkassen

  • Die Preisgestaltung für neu auf den Markt kommende Medikamente ändert sich. Zwar kann ein Pharmahersteller die Preise für patentgeschützte Medikamente zunächst wie bisher frei festsetzen. Spätestens drei Monate danach muss er allerdings den medizinischen Zusatznutzen seines Medikamentes im Vergleich zu bereits auf dem Markt befindlichen Mitteln nachweisen. Ergibt sich kein Zusatznutzen, unterliegt das Medikament der Festbetragsregelung, bei einem nachgewiesenen Zusatznutzen muss der Pharmahersteller spätestens innerhalb eines Jahres nach Markteinführung mit dem GKV-Spitzenverband Preisverhandlungen führen. Grundlage für die Preisverhandlung ist eine Kosten-Nutzen-Bewertung des Medikamentes, die der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) oder in seinem Auftrag das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) erstellt. Medikamente zur Behandlung seltener Krankheiten (Orphan Drugs) werden von dieser Nutzenbewertung ausgenommen, wenn der GKV-Umsatz für die entsprechenden Medikamente jeweils unter 50 Millionen Euro liegt.
  • Jede Krankenkasse kann abweichend oder ergänzend von der Preisvereinbarung auf Bundesebene die Versorgung mit innovativen Arzneimitteln in eigener Initiative durch Rabattverträge regeln.
  • Alle Rabattverträge zwischen Kassen und Pharmaherstellern sollen prinzipiell eine Laufzeit von zwei Jahren haben.
  • Ab 1. Januar 2011 gilt in der GKV das Kartellverbot (Paragraf 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen). Die Zuständigkeit für kartell(vergabe)rechtliche Streitigkeiten zwischen Kassen und Leistungserbringern wird von den Sozialgerichten auf die Zivilgerichte übertragen. Dies hat vor allem Konsequenzen für Rabattverträge zwischen Kassen und Pharmafirmen. Pharmahersteller, die sich durch die Teilnahme eines Konkurrenten an einem Rabattvertrag benachteiligt fühlen, können nun vor einem Zivilgericht gegen den Rabattvertrag klagen. Erst 2008 hatte die Große Koalition den Sozialgerichten die Zuständigkeit für das Kartellvergaberecht zugewiesen. Damit kommt es jetzt zu einer Aufspaltung des Rechtsweges: Die Zivilgerichte sind für die Rechtmäßigkeit des Zustandekommens der Verträge, die Sozialgerichte für die Rechtmäßigkeit der Inhalte zuständig.
  • Die Pharmazeutische Industrie und die Hersteller von Medizinprodukten dürfen sich an Projekten zur Integrierten Versorgung beteiligen. Zur Gründung eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) sind Pharmafirmen und Medizinproduktehersteller allerdings nicht berechtigt.
  • Krankenkassen erhalten von den Apotheken einen Rabatt für verkaufte verschreibungspflichtige Medikamente. In den Jahren 2011 und 2012 beträgt der Rabatt jeweils 2,05 Euro. Von April 2007 bis Ende 2008 betrug der Rabatt 2,30 Euro. Für 2009 hatte ein Schiedsgericht den Rabatt auf 1,75 Euro gesenkt. Für nicht verschreibungspflichtige Medikamente müssen die Apotheken den Kassen fünf Prozent Rabatt auf den Abgabepreis einräumen.
  • Impfstoffanbieter können von den Krankenkassen künftig keine höheren Preise für Impfstoffe verlangen als in den europäischen Nachbarländern (Referenzpreissystem). Über die Preise können die Unternehmen mit den Krankenkassen verhandeln.
  • Der Großhandelszuschlag für Fertigarzneimittel wird neu geregelt: Künftig setzt sich der Großhandelszuschlag aus einem Festzuschlag in Höhe von 60 Cent je Packung und einem prozentualen Zuschlag von 1,7 Prozent des Herstellerabgabepreises (maximal 20,40 Euro) zusammen.
  • Umwandlung der im Januar 2000 (siehe GKV-Gesundheitsreform 2000) eingeführten Modellphase zur Unabhängigen Patientenberatung (Paragraf 65 b des Fünften Sozialgesetzbuchs) in eine Regelleistung. Die gesetzlichen Krankenkassen sollen die unabhängige Patientenberatung mit jährlich 5,2 Millionen Euro (bislang: 5,13 Millionen) finanzieren, eine verpflichtende Mitfinanzierung durch die private Krankenversicherung ist nicht vorgesehen.

Beitragssatz

15,5 %