Reform
Gesetz zur digitalen Modernisierung von Versorgung und Pflege (DVPMG)
Mit dem Gesetz zur digitalen Modernisierung von Versorgung und Pflege (DVPMG) will das Bundesgesundheitsministerium an das Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) und an das Patientendaten-Schutzgesetz (PDSG) anknüpfen. Das Ziel besteht insbesondere darin, die digitale Kommunikation im Gesundheitswesen schneller und sicherer zu machen.
Auswirkungen auf Versicherte
- Versicherte erhalten einen Anspruch auf die Versorgung mit digitalen Pflegeanwendungen (Dipa), sofern sie das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in das Verzeichnis für digitale Pflegeanwendungen aufgenommen hat. Sie erhalten zudem einen Anspruch auf ergänzende Unterstützungsleistungen zur Nutzung der Dipa. Für beide Leistungen zusammen übernehmen die Pflegekassen insgesamt bis zu 50 Euro im Monat.Versicherte können künftig die Daten von digitalen Gesundheitsanwendungen (Diga), beispielsweise Blutzuckerwerte aus einer Diabetes-App, selbst in ihre elektronische Patientenakte einstellen.
- Hilfsmittel und Implantate, die elektronisch Daten übermitteln und dem Hersteller zur Verfügung stehen, müssen ab dem 1. Juli 2024 für die Versicherten zugänglich gemacht werden. Entsprechende Hilfsmittel und Implantate benötigen dafür eine Schnittstelle für verschreibbare digitale Gesundheitsanwendungen (Diga), damit sie bei Bedarf für die Versorgung des Patienten genutzt werden können.
- Versicherte können die in ihrer Digitalen Gesundheitsanwendung, beispielsweise einer Diabetes-App, gesammelten Daten über eine Schnittstelle auch einer Apotheke zugänglich machen, damit die dort gesammelten Werte in die Apotheken-Beratung einbezogen werden können.
- Versicherte können nun auch Heilmittel wie beispielsweise Ergotherapie als Videobehandlung in Anspruch nehmen.
- Versicherte erhalten auf Wunsch von Ihrer Krankenkasse als Alternative zur bisherigen Identifizierung mit der elektronischen Gesundheitskarte eine sichere digitale Identität.
- Ab dem 1. Januar 2024 können sich Versicherte mit einem digitalen Identitätsnachweis beispielsweise für Videosprechstunden oder digitale Gesundheitsanwendungen authentifizieren.
- Versicherte sollen auf der Suche nach Angeboten zu Videosprechstunden besser unterstützt werden. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung wird beauftragt, ein bundesweit nutzbares zentrales Vermittlungsportal bereitzustellen, über das Versicherte barrierefrei Termine der Videosprechstunde buchen können.
- Bis zum 1. Juli 2024 sollen schrittweise Notfalldaten, die bislang auf der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) abgelegt waren, auf einer elektronischen Patienten-Kurzakte gespeichert werden. Die eGK dient künftig nur noch als Versicherungsnachweis und soll beim Arzt auch kontaktlos eingelesen werden können.
- Der Anspruch der Versicherten auf die Erstellung eines Medikationsplans in Papierform wird um den Anspruch auf die Erstellung eines elektronischen Medikationsplans ergänzt. Versicherte sollen künftig auf den elektronischen Medikationsplan über ihre persönliche Patienten-Kurzakte zugreifen können bzw. mindestens bis zum 1. Juli 2024 über ihre elektronische Gesundheitskarte.
- Erklärungen der Versicherten zur Organ- und Gewebespende können ab dem 1. Juli 2022 im dafür bestimmten Organspenderegister abgegeben, geändert und widerrufen werden. Änderungen an der Organspende-Erklärung sollen auch über die Versicherten-Apps der Krankenkassen möglich sein. Die bisherige Möglichkeit einer Organspendeerklärung auf der eGK entfällt ab diesem Zeitpunkt.
- Versicherte sollen ab dem 1. Januar 2022 nicht nur über mobile Endgeräte, sondern auch über ihre stationären Geräte (Desktop-PC) auf ihre ePatientenakte zugreifen können.
- Versicherte sollen spätestens ab dem 1. Januar 2022 bei einer elektronischen Verordnung von Arzneimitteln über die entsprechende E-Verordnungs-App auch direkt auf Informationen im Nationalen Gesundheitsportal zugreifen können, um sich qualitätsgesichert über den Wirkstoff informieren zu können. Ein Zugriff auf das Nationale Gesundheitsportal wird ebenfalls über die ePA möglich.
- Versicherte können Rezept- und Dispensierinformationen aus der E-Verordnungs-App (wo sie nach 100 Tagen gelöscht werden) in ihre elektronischen Patientenakte (ePA) übertragen, um dort einen Überblick über die Arzneimittelhistorie zu haben.
- Schwangere Versicherte können ihre Hebamme berechtigen, wichtige Daten zur Schwangerschaft und Mutterschaft, die über die Daten des elektronischen Mutterpasses hinausgehen, in der elektronischen Patientenakte zu dokumentieren.
Auswirkungen auf Ärzte/ambulante Pflege
- Die Kassenärztliche Bundesvereinigung errichtet ein nutzerfreundliches Portal, das die Versicherten künftig beim Auffinden von telemedizinischen Versorgungsangeboten unterstützt.
- Ärzte, die Videosprechstunden anbieten, können ab sofort den Terminservicestellen dafür freiwillig freie Termine melden.
- Videosprechstunden von Vertragsärzten werden auf das wöchentliche Mindestsprechstundenangebot angerechnet.
- Psychotherapeutische Akutbehandlungen sollen künftig auch im Rahmen einer Videosprechstunde stattfinden können. Bis zum 30. September 2021 muss der Bewertungsausschuss die entsprechenden Voraussetzungen festlegen.
- Videosprechstunden dürfen bei Vertragsärzten/Psychotherapeuten die Obergrenze von 30 Prozent aller Leistungen im Quartal nicht überschreiten.
- Die Kassenärztlichen Vereinigungen werden verpflichtet, auch im Rahmen des ärztlichen Notdienstes telemedizinische Leistungsangebote ergänzend zu ihrem Präsenzangebot zur Verfügung zu stellen.
- Ärztliche Notdienstpraxen der Kassenärztlichen Vereinigungen können mit Krankenhäusern auch kooperieren, um die technische Ausstattung der Krankenhäuser zur Erbringung telemedizinischer Leistungen durch Notdienstpraxen zu nutzen oder die Krankenhäuser selbst diese Leistung erbringen zu lassen.
- Die Kassenärztlichen Vereinigungen müssen bis zum 31. Dezember 2021 die Versicherten im Internet in geeigneter Weise bundesweit einheitlich informieren über die Sprechstundenzeiten der Vertragsärztinnen und Vertragsärzte sowie die Zugangsmöglichkeiten von Menschen mit Behinderungen zur Versorgung.
- Mit Einführung der elektronischen Patientenkurzakte sollen ab dem 1. Januar 2023 auch zahnärztliche Leistungen zur Aktualisierung von Datensätzen der elektronischen Patientenkurzakte vergütet werden.
- Ärzte sollen künftig in geeigneten Fällen auch im Rahmen der ausschließlichen Fernbehandlung Arbeitsunfähigkeit ohne vorherige Präsenzbehandlung für bis zu drei Tage einmalig feststellen dürfen. Der GBA ist aufgefordert, bis Ende 2021 die geeigneten Fälle zu spezifizieren.
- Kassenärztliche Vereinigungen können Strukturfondsmittel künftig auch zur Umsetzung telemedizinischer Konzepte einsetzen. Hierbei sollen insbesondere digitale Netzwerke zwischen ärztlichen und nichtärztlichen Leistungserbringern mit Leistungserbringern der Pflege sowie Heilmittelerbringern gefördert werden.
- Neben Ärzten können nun auch Heilmittelerbringer und Hebammen telemedizinische Leistungen abrechnen. Leistungen von Heilmittelerbringern und Hebammen, die im Zusammenhang mit DiGAs erbracht werden, werden ebenfalls künftig vergütet.
- Sind an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmende ermächtigte Ärzte nicht an die Telematikinfrastruktur angebunden, drohen Sanktionen. Die Frist, ab der Sanktionen drohen, wurde von Ende 2020 auf den 31. Dezember 2021 verlängert.
- Für die sichere Kommunikation zwischen Ärzten und Versicherten werden künftig auch ein Videokommunikationsdienst und ein Messangerdienst errichtet. Die Ärzte können dabei festlegen, ob nur sie den Beginn einer Kommunikation starten können.
- Ärzte, Zahnärzte und Psychotherapeuten werden verpflichtet, ab 1. Januar 2023 Verordnungen digitaler Gesundheitsanwendungen als E-Rezept über die Telematikinfrastruktur zu übermitteln.
- Ärzte und Psychotherapeuten müssen häusliche Krankenpflege und außerklinische Intensivpflege (jeweils ab 1. Juli 2024), Soziotherapie (ab 1. Juli 2025) sowie Heil- und Hilfsmittel inklusive digitale Gesundheitsanwendungen und verschreibungspflichtige Arzneimittel (jeweils 1. Januar 2023) künftig elektronisch verordnen. Ab dem 1. Juli 2026 gilt diese Verpflichtung auch zur Verordnung von Verbandsmitteln, Blut- und Harnteststreifen, Diäten zur enteralen Ernährung sowie verordnungsfähigen Medizinprodukten (ab 1. Juli 2026).
- Um entsprechende ärztliche elektronische Verordnungen verarbeiten zu können, müssen auch Pflegedienste und andere Leistungserbringer sukzessive an die Telematikinfrastruktur angeschlossen werden.
- Die Kassenärtzliche Bundesvereinigung erhält den Auftrag, bisherige browserbasierte Angebote zu Videosprechstunden am Computer um eine Variante für mobile Endgeräte zu erweitern.
- Die Kassenärtzliche Bundesvereinigung erhält den Auftrag, das Nationale Gesundheitsportal um weitere Infos zur vertragsärztlichen Versorgung zu ergänzen.
- Die wissenschaftlich gestützte Erprobung von Telepflege zur Verbesserung der pflegerischen Versorgung von Pflegebedürftigen aus Mitteln des Ausgleichsfonds der Pflegeversicherung wird bis 2024 verlängert. Ambulante Pflegeeinrichtungen erhalten einen einmaligen Zuschuss für den Ausbau der digitalen Infrastruktur. Dafür stehen in den Jahren 2022 bis 2024 insgesamt zehn Millionen Euro zur Verfügung. Pro Pflegeeinrichtung werden bis zu 40 Prozent der Kosten (maximal 12.000 Euro) für die digitale oder technische Ausrüstung und damit verbundene Schulungen übernommen.
Auswirkungen auf Krankenhäuser/stationäre Pflege
- Bislang waren Krankenhäuser verpflichtet, sich bis Ende 2020 an die Telematikinfrastruktur anzubinden. Mit Ablauf dieser Frist drohten Sanktionen. Diese Frist wird nun bis zum 31. Dezember 2021 verlängert.
- Vollstationäre Pflegeeinrichtungen erhalten bis 2024 einen einmaligen Zuschuss für den Ausbau der digitalen Infrastruktur. Pro Pflegeeinrichtung werden bis zu 40 Prozent der Kosten (maximal 12.000 Euro) für die digitale oder technische Ausrüstung und damit verbundene Schulungen übernommen.
Auswirkungen auf Krankenkassen
- Krankenkassen müssen spätestens ab dem 1. Januar 2023 auf Wunsch ihrer Versicherten diesen als Alternative zur Identifizierung mit der elektronischen Gesundheitskarte eine sichere digitale Identität für das Gesundheitswesen barrierefrei zur Verfügung stellen.
- Um die Entwicklung des neuen Leistungsbereiches der digitalen Gesundheitsanwendungen in der gesetzlichen Krankenversicherung einzuschätzen, erstellt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (GKV-SV) erstmals zum 31. Dezember 2021 und in Folge jährlich einen Bericht über die Erbringung solcher Leistungen.
- Pflegekassen werden verpflichtet, neben Präsenzkursen künftig auch digitale Pflegekurse anzubieten.
- Der Zeitraum zur Verhandlung des Erstattungspreises digitaler Gesundheitsanwendungen zwischen Kassen und Herstellern wird auf neun Monate verkürzt.
- Die Vergütung digitaler Gesundheitsanwendungen auf Grundlage des Herstellerpreises umfasst einen Zeitraum von maximal zwölf Monaten nach Aufnahme in das Verzeichnis für digitale Gesundheitsanwendungen. Die Regelung gilt unabhängig davon, ob die Aufnahme zunächst zur Erprobung oder dauerhaft erfolgt.
- Der GKV-Spitzenverband baut bis zum 1. Juli 2023 die nationale eHealth-Kontaktstelle auf und betreibt diese, so dass Versicherte ihre Gesundheitsdaten auch Ärzten im EU-Ausland sicher und übersetzt zur Verfügung stellen können.
- Krankenkassen können nun bei Personen, die eine gesetzliche Rente beziehen, auch nachträglich feststellen, dass sie der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung unterliegen. Dies kann zur Erstattung oder Nacherhebung von Beiträgen führen.
- Damit Krankenkassen medienbruchfrei Zugang zu elektronischen Verordnungen bekommen, die von den Kassen bewilligt werden müssen, erhält die gematik den Auftrag, hierfür die entsprechenden Voraussetzungen zu schaffen.
- Der jährliche Beitrag des GKV-Spitzenverbands zur Finanzierung der gematik wird je Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung von einem Euro auf 1,50 Euro angehoben.
- Gesetzliche Krankenkassen werden verpflichtet, ihre Versicherten über die Möglichkeiten von Digitalen Gesundheitsanwendungen zu informieren und wie die Patienten die damit erhobenen Daten in ihrer elektronischen Patientenakte ihrem Arzt zugänglich machen können.
- Mit der Einführung des Organspenderegisters ab dem 1. Juli 2022 müssen Krankenkassen ihren Versicherten nicht mehr alle zwei Jahre einen Organspendeausweis und Informationsmaterialien zur Organspende zuschicken.
Auswirkungen auf Finanzierung
- Der Betrieb und die Weiterentwicklung des Nationalen Gesundheitsportals werden im Jahr 2021 mit 4,5 Millionen Euro und im Jahr 2022 mit 5 Millionen Euro veranschlagt.
- Die Beitragserhöhung zur Finanzierung der Gesellschaft für Telematik führt beim Spitzenverband Bund der Krankenkassen zu Mehrkosten in Höhe von jährlich 27 Millionen Euro, die durch Umlage von den gesetzlichen Krankenkassen refinanziert werden.
- Durch die Erweiterung der Kommunikation im Medizinwesen bei den Leistungserbringern, die Einführung digitaler Identitäten, die Realisierung des Zugriffs auf das Register zur Organ- und Gewebespende und die Erstattung der Betriebskosten im Rahmen der Anbindung der Heil- und Hilfsmittelerbringer, der zahntechnischen.
- Labore sowie der Erbringer Soziotherapeutischer Leistungen an die Telematikinfrastruktur entstehen den Krankenkassen einmalige Kosten von rund 111 Millionen Euro sowie anschließende jährliche Kosten von rund 75 Millionen Euro.
- Für die soziale Pflegeversicherung ergeben sich aus der Versorgung mit digitalen Pflegeanwendungen mittelfristig jährliche Mehrausgaben. Im Jahr 2022 sind dies schätzungsweise rund 30 Millionen Euro, im Jahr 2023 rund 65 Millionen Euro, im Jahr 2024 rund 100 Millionen Euro und im Jahr 2025 rund 130 Millionen Euro.
- Der Gesellschaft für Telematik entstehen zur Erfüllung ihrer neuen Aufgaben einmalig Kosten in Höhe von insgesamt rund 2,6 Millionen Euro.
Beitragssatz
14,6 % (+ evtl. Zusatzbeitrag Seit 2009 erhalten die gesetzlichen Krankenkassen zur Deckung ihrer Ausgaben Zuweisungen aus dem… )