GKV-Finanzierung

Die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland

Ein faires Gesundheitssystem beruht auf gesellschaftlicher Solidarität. Dazu gehört, dass alle Menschen die gleichen Zugangsmöglichkeiten zu einer qualitätsgesicherten medizinischen Versorgung erhalten.

Die 95 gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland versichern 90 Prozent der Bevölkerung, das sind über 73 Millionen Versicherte. Sie setzen sich dafür ein, dass die Beiträge der Versicherten und Arbeitgeber in eine hochwertige und wirtschaftliche Gesundheitsversorgung fließen. Und sie tragen Sorge dafür, dass die Ausgaben für Gesundheit fair verteilt werden – unabhängig von Alter, Einkommen oder Krankheitsrisiko.

Die großen gesellschaftlichen Herausforderungen sorgen jedoch dafür, dass die Sozialsysteme, darunter die Kranken- und Pflegeversicherung, unter einem erheblichen finanziellen Druck stehen. Die Ausgaben der Krankenkassen für die Versorgung der Versicherten steigen stärker als die Einnahmen, die sie aus dem Gesundheitsfonds erhalten.

Damit sich Menschen auch in Zukunft darauf verlassen können, dass ihre Gesundheit an erster Stelle steht, braucht es verantwortungsbewusste politische Entscheidungen. Nachhaltige Reformen sind notwendig, um weiterhin eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung für alle garantieren zu können, die ohne Leistungskürzungen auskommt, aber finanzierbar bleibt. Dazu müssen Steuermittel eingesetzt werden, um die steigende Beitragssatzspirale zu stoppen und die Sozialabgabenquote zu senken. Denn hohe Abgaben treffen insbesondere den Teil der Bevölkerung, der ohnehin von steigenden Lebenshaltungskosten massiv betroffen ist.

 

Drei Fragen an Wolfgang Ropertz

Wolfgang Ropertz,
Verwaltungsratsvorsitzender der AOK Rheinland/Hamburg für die Arbeitgeberseite

Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesamt für Soziale Sicherung hat jüngst bestätigt: Der Morbi-RSA, der Unterschiede bei den finanziellen Risiken in der gesetzlichen Krankenversicherung ausgleichen soll, hat deutliche Schwächen. Was läuft schief?

Aus dem Gesundheitsfonds fließt zu wenig Geld für die Versorgung vulnerabler Versichertengruppen: Krankenkassen, die überdurchschnittlich viele Menschen versichern, die besondere Versorgungsbedarfe haben, erhalten zu geringe Zuweisungen. Das heißt, diese Kassen müssen deutlich mehr Geld für die Versorgung von Versicherten mit einer hohen Krankheitslast und einem eher geringen Einkommen aufwenden, als sie erhalten. Die Differenz müssen die Beitragszahlenden über höhere Zusatzbeitragssätze ausgleichen.

Wo sehen Sie den dringendsten Handlungsbedarf?

Die Politik muss jetzt aktiv werden, um die systematische finanzielle Unterdeckung von Versicherten, die unter mehreren Erkrankungen leiden oder chronisch krank sind und zugleich über ein geringes Einkommen verfügen, zu beheben. Dazu ist es wichtig, Kennzeichen wie die Zuzahlungsbefreiung und den Bezug von Bürgergeld zu berücksichtigen. Diese Versichertenmerkmale liegen bereits vor, eine Anpassung des Risikostrukturausgleichs ist daher zügig und ohne großen Aufwand umsetzbar.

Warum ist das so wichtig?

Die finanziellen Lasten in der Solidargemeinschaft sind ungleich verteilt. In dem bestehenden System sind junge, gesunde Versichertengruppen finanziell überkompensiert. Für die Kassen besteht damit ein erheblicher Anreiz, sich stärker um jüngere, kostengünstigere Versicherte zu kümmern, was der Morbi-RSA verhindern sollte. Eine Selektion, die sozioökonomisch schlechter gestellte Menschen benachteiligt, verhindert einen fairen Wettbewerb und widerspricht dem solidarischen Prinzip der gesetzlichen Krankenversicherung.

Gerechtigkeitslücken im Finanzausgleich der Krankenkassen belasten Beitragszahlende

Die finanzielle Lasten in der Solidargemeinschaft sind ungleich verteilt, Änderungen beim Risikostrukturausgleich sind daher dringend notwendig

Drei neue Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesamt für Soziale Sicherung bestätigen: Der morbiditätsorientierte Risikostrukturausgleich (Morbi-RSA), der Unterschiede bei den finanziellen Risiken in der gesetzlichen Krankenversicherung ausgleichen soll, hat deutliche Schwächen. Insbesondere Versorgerkassen, die viele Versicherte mit einer hohen Krankheitslast und einem eher geringen Einkommen versichern, werden systematisch benachteiligt.

Die Dringlichkeit des Anliegens zeigt auch ein Beschluss der letzten Gesundheitsministerkonferenz, in dem der nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann ebenso wie die Mehrheit der Länder mit Blick auf die Spreizung bei den Zusatzbeiträgen eine Überprüfung des Risikostrukturausgleichs forderte.

„In den vergangenen Jahren haben wir gesehen, dass sich die Beitragssätze zwischen den Krankenkassen immer stärker unterscheiden. Grundsätzlich ist das positiv, da es den Wettbewerb zwischen den Krankenkassen befördert. Wir wollen jedoch nicht, dass diejenigen Kassen ins Hintertreffen geraten, die aufgrund ihrer Historie besonders viele pflegebedürftige oder sozial benachteiligte Versicherte haben. Hier muss der Bund den Risikostrukturausgleich überprüfen. Krankenkassen mit einem hohen Anteil besonders vulnerabler Versicherter brauchen einen angemessenen Ausgleich für ihre faktischen Mehrausgaben“, so Minister Laumann.

„Der Bund muss den Risikostrukturausgleich überprüfen. Krankenkassen mit einem hohen Anteil besonders vulnerabler Versicherter brauchen einen angemessenen Ausgleich für ihre faktischen Mehrausgaben.“

Karl-Josef Laumann

Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen

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  • Pressemitteilung "Gerechtigkeitslücken im Finanzausgleich der Krankenkassen" als PDF

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