Fragen und Antworten zum Gesundheitskiosk
Was ist ein Gesundheitskiosk?
Ein Gesundheitskiosk ist ein niedrigschwelliges Beratungsangebot, das sich an alle Menschen, insbesondere aber an vulnerable Personengruppen richtet. Die Mitarbeitenden sprechen in der Regel mehrere Sprachen, so dass in der Beratung auch Sprachbarrieren abgebaut werden können. In der kultursensiblen Beratung können Fragen zu Versorgungsthemen des Gesundheits- und Sozialwesens aufgegriffen und beantwortet werden. Hier nimmt der Gesundheitskiosk vorwiegend eine koordinierende, informierende Funktion ein und begleitet die Menschen hin zu den passenden regionalen Angeboten. Darüber hinaus gestaltet der Gesundheitskiosk die Vernetzung der Akteure vor Ort und sorgt für abgestimmte Versorgungsprozesse. Somit werden vorhandene Ressourcen bestmöglich eingebunden, um Synergieeffekte der zahlreichen Institutionen zu nutzen.
Warum sind Gesundheitskioske wichtig für die Versorgung?
Das deutsche Gesundheitssystem ist überaus komplex. Zugleich wird die Bevölkerung immer heterogener. In einigen Stadtteilen – und auch im ländlichen Raum – fehlt es an einem ausreichenden Zugang zur medizinischen Grundversorgung. Um die Chancengerechtigkeit zu erhöhen, hat die AOK Die AOK hat mit mehr als 20,9 Millionen Mitgliedern (Stand November 2021) als zweistärkste Kassenart… Rheinland/Hamburg eine Vorreiterrolle bei den sogenannten Gesundheitskiosken eingenommen. Die Gesundheitskioske helfen, die Gesundheitskompetenz der beratenen Personen zu erhöhen, Sprachbarrieren zu überwinden sowie Prävention Prävention bezeichnet gesundheitspolitische Strategien und Maßnahmen, die darauf abzielen,… und Gesundheitsförderung ist ein fortlaufender Prozess mit dem Ziel, allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über… im Alltag der Menschen zu etablieren. Individuelle Beratungen ermöglichen einen leichteren Zugang zur Versorgung und helfen, Angebote des Sozial- und Gesundheitswesens miteinander zu verzahnen.
Welche Leistungen werden in einem Gesundheitskiosk angeboten?
Die Leistungen eines Gesundheitskiosks sind vielfältig und orientieren sich an dem Bedarf der Menschen, die den Gesundheitskiosk aufsuchen. Nach einer ersten – bei Bedarf mehrsprachigen - sozialen und medizinischen Anamnese werden die Menschen zu den für sie relevanten Themen beraten und zur Inanspruchnahme motiviert. Neben Präventionsmaßnahmen und ärztlichen Leistungen wird beispielsweise auch die Angebote der Wohlfahrtverbände, die Beantragung von Leistungen der Agentur für Arbeit oder die Mitgliedschaft in Sportvereinen für einen gesundheitsfördernden Lebensstil informiert. Zudem sind Compliance Compliance – das Befolgen einer ärztlichen Anweisung – bezeichnet die Bereitschaft des Patienten,… – also der Mitwirkung an Therapien und medizinischen Behandlungen – sowie Gesundheitskompetenz – also das Finden, Verstehen und Bewerten von Gesundheitsinformationen – Themen der Beratungsgespräche.
Wieso wird der Gesundheitskiosk von der gesetzlichen Krankenversicherung finanziert, wenn Beratungen durchgeführt werden, die nicht in den Aufgabenbereich der gesetzlichen Krankenversicherung fallen?
Die vielschichtigen Beratungsbedarfe setzen sich nach unseren Erfahrungen zu gleichen Teilen aus sozialen und medizinischen Schwerpunktthemen zusammen, teilweise mit starken Schnittmengen. Eine strikte Trennung zwischen sozialen und gesundheitlichen Anliegen ist kaum möglich – beide Lebenswelten greifen ineinander. Im Gespräch über eine gesundheitliche Fragestellung zeigen sich häufig auch andere soziale Beratungsbedarfe – oder andersherum. Zudem ist belegt, dass sozioökonomisch schlechter gestellte Menschen, häufig gesundheitliche Probleme aufweisen. Nach Ansicht der AOK Rheinland/Hamburg sollte die Finanzierung auf eine möglichst breite Basis durch die verschiedensten Sozialleistungsträger gestellt werden, zumindest aber wäre eine paritätische Finanzierung zu gleichen Teilen durch die Kommunen und die gesetzliche sowie private Krankenversicherung In der privaten Krankenversicherung (PKV) wird Versicherungsschutz durch private Unternehmen… wünschenswert.
Wie sollten Gesundheitskioske finanziert werden?
Da im Gesundheitskiosk eine ganzheitliche Definition von Gesundheit im Sinne der WHO gelebt wird, werden Themen des Gesundheits- und Sozialwesens gleichermaßen bedient. Somit sollte nach Ansicht der AOK Rheinland/Hamburg auch eine Finanzierung paritätisch gestaltet werden. Die vom Bundesministerium für Gesundheit Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) ist zuständig für die Politikbereiche Gesundheit,… in einem Referentenentwurf für ein Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsversorgung in der Kommune (Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz – GVSG) vorgesehene Aufteilung zu 74,5 % zulasten der GKV entspricht nicht der Versorgungsrealität, welche die bisherigen Projekte vorweisen.
Wie fügt sich ein Gesundheitskiosk in die bestehenden Versorgungsstrukturen ein?
In einem Gesundheitskiosk werden die vorhandenen regionalen Leistungserbringer Unter diesem Sammelbegriff werden alle Personengruppen zusammengefasst, mit denen die Krankenkassen… und sonstigen Akteure aktiv angesteuert. Vorhandene Angebote werden den hilfesuchenden Menschen erklärt und Ansprechpartner vermittelt. Für Versorgungslücken werden in Workshops bzw. im Dialog mit den kommunalen Institutionen sowie Akteuren des Gesundheits- und Sozialwesens gemeinsam Lösungen entwickelt. Parallele Strukturen sollen ausdrücklich vermieden werden.
Führt der Gesundheitskiosk zu Doppelstrukturen aufgrund der vielen bereits vorhandenen Angebote des sozialen Hilfesystems?
Nein. Der Gesundheitskiosk fasst die regionalen Angebote gebündelt zusammen und stellt sich als koordinierendes und zusteuerndes Element in einer sehr komplexen Versorgungsstruktur dar. Die verschiedensten Angebote des sozialen Hilfesystems werden als Infrastruktur genutzt und für den Klienten nach individuellem Bedarf angeboten. Vorhandene Angebote werden den Hilfesuchenden erklärt und eine Inanspruchnahme zielgerichtet begleitet. Es werden keine Konkurrenzprodukte und -leistungen angeboten.
Wie lässt sich der regionale Bedarf eines Gesundheitskiosks ermitteln?
Den Krankenkassen Die 97 Krankenkassen (Stand: 26.01.22) in der gesetzlichen Krankenversicherung verteilen sich auf… liegen zahlreiche Daten zur gesundheitlichen Versorgung vor. Somit könnte auf dieser Basis eine Ermittlung von Bedarfen anhand der GKV-Routinedaten auch Sekundärdaten genannt, sind Daten, die routinemäßig von der gesetzlichen Krankenversicherung… auf Postleitzahlenebene erfolgen. Die AOK Rheinland/Hamburg hat ein Scoring-System zur Bedarfsermittlung entwickelt, welches u. a. die Indikatoren Bürgergeld-Quoten, das mittlere Todesalter, die Anzahl von Geburten, Inanspruchnahme von Pflegeleistungen, Notfallbehandlungen, Polymedikation sowie Haus- und Facharzt Will ein Arzt nach erfolgter Approbation eine Fachgebietsbezeichnung (zum Beispiel Arzt für… -Behandlungen, aber auch morbiditätsbezogene Faktoren, wie Diagnosen von koronaren Herzerkrankungen, Diabetes, Schlaganfällen, psychischen Erkrankungen, chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen und Adipositas umfasst. Insgesamt lässt sich daraus sehr zielgenau ein möglicher Standort für einen Gesundheitskiosk ermitteln. Eine Verteilung nach dem Gießkannen-Prinzip ohne Bezug zur regionalen Versorgung sollte vermieden werden.
Ist eine Anzahl von 1.000 Gesundheitskiosken in Deutschland bedarfsgerecht?
Dies scheint eine rein normative Festsetzung zu sein bezogen auf einen Gesundheitskiosk je 80.000 Einwohner. Nach unserer Einschätzung entsprechend der obenstehenden Bedarfsanalyse sind 1.000 Gesundheitskioske deutlich zu hoch angesetzt. Realistischer und vorsichtig geschätzt erscheint eine Anzahl zwischen 50 und 100 Gesundheitskiosken deutschlandweit plausibler. Gesundheitskioske sollten zielgerichtet in Regionen verortet werden, wo sie tatsächlich bezogen auf Krankheitslast und Sozialindikatoren benötigt werden. Da ein Gesundheitskiosk – nach dem von der AOK Rheinland/Hamburg in Hamburg, Köln, Solingen, Aachen und Essen bereits geförderten Modell – insbesondere durch ein funktionierendes Netzwerk und niedrigschwellige Erreichbarkeit geprägt ist, eignen sich weitläufige, infrastrukturarme, ländliche Regionen beispielsweise nur bedingt. Dort müsste eine andere Form gefunden werden, um den Zugang zur Versorgung sicherzustellen.
Aus welchem Grunde sollten ärztliche Delegationsleistungen grundsätzlich kein Bestandteil des Leistungsportfolios von Gesundheitskiosken sein?
Gesundheitskioske, wie wir sie verstehen und einrichten, sind vor allem dort sinnvoll, wo es Defizite beim Zugang zur medizinischen Versorgung gibt – sie sind aber ausdrücklich nicht als Ersatzpraxen gedacht, sollen und können auch nicht die ambulante ärztliche Versorgung ersetzen. Entscheidend für die regionale Akzeptanz und den Nutzen ist die Eingliederung in die Versorgungsstrukturen vor Ort, also die Kooperation – dabei kann es wie in Solingen durchaus so sein, dass von Anfang an sehr eng mit einem ärztlichen Netzwerk zusammengearbeitet wird. Wir wollen keine Doppelstrukturen in unserem ohnehin stark fragmentierten Gesundheitssystem schaffen. Gesundheitskioske können Arztpraxen durch Übernahme des Versorgungsmanagements, das in den Arztpraxen aus Kapazitätsgründen oft zu kurz kommt, spürbar entlasten. Dieser Effekt wurde in der Evaluation des Innovationsfonds Das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz vom 16. Juli 2015 gibt dem Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) den… -Projektes in Hamburg-Billstedt bestätigt. Die Versorgung mit ärztlichen Leistungen bleibt von der Lotsenfunktion unbenommen und soll weiterhin von den Ärztinnen und Ärzten erbracht werden.
Wer kommt als Managementgesellschaft für die wirtschaftliche Verantwortung eines Gesundheitskiosks infrage?
Die den Gesundheitskiosk betreibende Managementgesellschaft trägt die Verantwortung für die Umsetzung dieses Versorgungsmodells. Anzuführen sind als potentielle Betreiber Gesellschaften der Wohlfahrtverbände, kommunal angegliederte Gesellschaften oder Ärztenetze. Zu den Aufgaben gehört unter anderem die Implementierung des Gesundheitskiosks, das Führen von Personal-Auswahlgesprächen, die Übernahme der wirtschaftlichen Verantwortung und das Einhalten aller datenschutzrechtlicher Aspekte. Auch die Gestaltung qualitätsgesicherter Beratungsleistungen sowie die Koordination der Netzwerkarbeit werden durch die Managementgesellschaft übernommen. Da der Managementgesellschaft ein Gesamtbudget auf Basis der zu erwartenden Kosten zur Verfügung gestellt wird, eignen sich gewinnorientierte Unternehmen im Kontext dieser Versorgung nicht.
Nimmt der Gesundheitskiosk den Ärzten die Arbeit bzw. Patientinnen und Patienten weg?
Nein, das Angebot des Gesundheitskiosks wirkt komplementär und nicht substitutiv.
Ärztliche und fachärztliche Versorgung Die ambulante vertragsärztliche Versorgung ist unterteilt in eine hausärztliche und eine… obliegt selbstverständlich den niedergelassenen Medizinern. Der Gesundheitskiosk nach dem Verständnis der AOK Rheinland/Hamburg erbringt keine medizinischen Leistungen, sondern entlastet die Ärzte im Bereich des Versorgungsmanagements und der Koordination von Leistungen, welches einen hohen Zeitaufwand mit sich bringt. Auch für fremdsprachliche Patientinnen und Patienten bietet der multilinguale Ansatz des Gesundheitskiosks die Möglichkeit, die Krankheit wird in der Medizin als Abweichung von Gesundheit oder Wohlbefinden verstanden. Allerdings stößt die… und Therapie auf Basis der ärztlichen Diagnosen und Behandlungen für den Klienten flankierend zu erläutern. Der Gesundheitskiosk unterstützt u. a. bei den Themen Termintreue, Diagnose-Verständnis, Compliance sowie möglicher Inanspruchnahme von fachärztlicher Expertise. Für die Ärztinnen und Ärzte wirken die Beratungsaktivitäten des Gesundheitskiosks damit entlastend. Den Ärztinnen und Ärzten vor Ort wird somit ein stärkerer Fokus auf die medizinische Versorgung ermöglicht.
Welche Qualifikationen, auch in der Leitung eines Gesundheitskiosks, sind erforderlich?
Für eine qualitativ hochwertige Beratung ist die Auswahl des Beratungspersonals von entscheidender Bedeutung. Die Stelle der Gesundheitskiosk-Leitung sollte durch eine Person mit hoher Eigenverantwortung und Expertise im Gesundheitswesen Das Gesundheitswesen umfasst alle Einrichtungen, die die Gesundheit der Bevölkerung erhalten,… besetzt werden. Die Leitung des Gesundheitskiosks führt nicht nur die Mitarbeitenden und schafft Orientierung, sondern ist auch verantwortlich für die Akquise und Pflege Kann die häusliche Pflege nicht im erforderlichen Umfang erbracht werden, besteht Anspruch auf… eines sektorenübergreifenden Netzwerks. Die durch den Referentenentwurf verbindliche pflegerische Qualifikation erscheint uns auch mit Blick auf die bestehenden Projekte im Rheinland nicht zielkonform. Die weiteren Mitarbeitenden sollten sowohl aus den Berufsbildern des medizinischen Bereichs, wie Pflegekräfte, medizinische Fachangestellte oder Community Health Nurses, als auch aus dem sozialen Bereich, wie Sozialarbeiter oder Quartiersmanager, stammen, um hier sämtliche Beratungsbedarfe abdecken zu können. Gleichzeitig ist bei der Auswahl auf Mehrsprachigkeit und einen sensiblen Umgang mit kulturellen Besonderheiten zu achten.
Nimmt der Gesundheitskiosk den anderen Versorgungseinrichtungen das Pflegepersonal weg, obwohl heute schon ein Mangel an ärztlichem und pflegerischem Personal besteht?
Nein. Der Gesundheitskiosk bietet vielmehr die Möglichkeit, auch Menschen wieder für das Gesundheitswesen zu gewinnen, die ihren pflegerischen Beruf aus verschiedenen Gründen nicht weiter ausüben wollen oder können. Zudem setzen sich die Teams nicht nur aus Pflegekräften oder medizinischen Fachangestellten zusammen, sondern auch aus Menschen mit sozialwissenschaftlicher Qualifikation. Somit wird sichergestellt, dass sowohl die medizinische als auch die sozialen Versorgungsthemen erklärt und vermittelt werden können.