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Finanzielle Herausforderungen der GKV

23.04.2025 AOK Rheinland-Pfalz/Saarland 3 Min. Lesedauer

Im Interview erläutert Ralf Schreiner, Geschäftsbereichsleiter Finanzen und Controlling der AOK Rheinland-Pfalz/Saarland, die finanziellen Herausforderungen der gesetzlichen Krankenversicherung von den Fragen der Gerechtigkeit über den Risikostrukturausgleich bis hin zur nachhaltigen Finanzierung.

Foto: Geldscheine in Euro und ein Stethoskop
Die Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung steht vor großen Herausforderungen.
Portraitfoto Ralf Schreiner
Ralf Schreiner, Geschäftsbereichsleiter Finanzen und Controlling der AOK Rheinland-Pfalz/Saarland

Die Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ist ein zentrales Thema in politischen und gesellschaftlichen Diskussionen. Grundlegende Fragen zur Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit der Finanzierung sowie zu Lösungen für eine faire Gesundheitsversorgung müssen geklärt werden.

Herr Schreiner, zunächst einmal vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview nehmen. Als Geschäftsbereichsleiter Finanzen und Controlling kommen Sie täglich mit den finanziellen Herausforderungen der GKV in Berührung. Erläutern Sie kurz, wie Sie die aktuelle Finanzierung der GKV im Hinblick auf die Beitragshöhe für Bürgergeldempfänger bewerten. In welchem Umfang wird die Beitragszahlung durch den Staat als nicht kostendeckend eingeschätzt?

Ralf Schreiner: „Die Beitragszahlungen des Staates für die Bürgergeldbeziehenden decken die tatsächlichen Gesundheitskosten dieser Gruppe nur zu etwa einem Drittel. Unter dem Strich fehlen der GKV allein dadurch jährlich etwa zehn Milliarden Euro, die seit Jahren durch die restlichen Beitragszahlenden finanziert werden müssen. Würde der Staat diese Lücke schließen, könnte der durchschnittliche Zusatzbeitragssatz um fast 0,5 Beitragssatzpunkte günstiger ausfallen. Statt einer Anhebung des durchschnittlichen Zusatzbeitragssatzes um 0,8 Prozentpunkte wäre zum 01.01.2025 eine Anhebung um ca. 0,3 Beitragssatzpunkte auskömmlich gewesen.“

Inwieweit werden die Gesundheitskosten der Bürgergeldempfänger im Rahmen des Risikostrukturausgleichs (RSA) ausreichend berücksichtigt?

Die Gesundheitskosten der Bürgergeldbeziehenden werden im RSA genauso berücksichtigt, wie die anderer Personengruppen, die Krankenkassen Die 97 Krankenkassen (Stand: 26.01.22) in der gesetzlichen Krankenversicherung verteilen sich auf… erhalten hierfür Zuweisungen nach den Kriterien des RSA. Das Problem liegt vielmehr darin, dass im „RSA-Topf“ wegen der vorgenannten nicht auskömmlichen „Beitragszahlung“ des Staates nicht genug Geld zur Finanzierung der Kosten dieser Personengruppe vorhanden ist. In der Konsequenz müssen alle anderen Beitragszahlenden der GKV einen höheren Zusatzbeitragssatz zahlen.

Welche finanziellen Auswirkungen hat die nicht kostendeckende Beitragszahlung auf die GKV und deren Stabilität?

Die finanzielle Lage der GKV ist schon seit mehreren Jahren angespannt. Angekündigte Strukturreformen der letzten Regierungen wurden nicht angegangen. Stattdessen wurden etliche kostensteigernde Gesetze ohne qualitativen Mehrwert für die Gesundheit der Versicherten beschlossen, daher steigen die Ausgaben schon lange stärker als die Einkommen der Mitglieder. Durch die zweimalige Abschmelzung der Vermögensreserven der GKV in den Jahren 2021 und 2023 per „Zwangsabgabe“ um in Summe rund 10,1 Milliarden Euro wurde das strukturelle GKV-Problem verschleiert. Zum 31.12.2024 verfügte die GKV nur noch über Betriebsmittel und Rücklagen in Höhe von acht Prozent einer Monatsausgabe. Die gesetzliche Vermögensuntergrenze liegt allerdings bei 20 Prozent.

Welche Rolle spielt der Risikostrukturausgleich (RSA) derzeit bei der Ausbalancierung der Beiträge und der Verteilung von Gesundheitskosten zwischen den Krankenkassen?

Der Risikostrukturausgleich ist zusammen mit dem Einkommensausgleich von zentraler Bedeutung für einen fairen Kassenwettbewerb. Der RSA sorgt durch die Morbiditätsorientierung und Altersorientierung der Zuweisungen grundsätzlich dafür, dass die finanziellen Mittel dorthin kommen, wo sie zur Versorgung der Versicherten gebraucht werden. Dennoch besteht weiterhin, wie durch wissenschaftliche Gutachten belegt ist, eine systematische Unterfinanzierung bei vulnerablen Versichertengruppen. Zusätzlich zum RSA gleicht der Einkommensausgleich unterschiedliche Einkommensstrukturen der Mitglieder bei den Krankenkassen aus. Durch diese beiden Komponenten wird eine Risikoselektion Die Einführung des weithin unbeschränkten Krankenkassenwahlrechts durch das 1993 in Kraft getretene… der Krankenkassen um gut verdienende, junge und gesunde Menschen verhindert und das Grundprinzip der GKV, das Solidaritätsprinzip Das Solidaritätsprinzip ist ein Strukturmerkmal der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV): Die… – die Jungen zahlen für die Alten, die Gesunden für Kranken und die Einkommensstarken für die Einkommensschwachen – gewahrt!

Wie kann der RSA reformiert werden, um eine gerechtere Mittelverteilung und Finanzierung für sozial schwächere Gruppen zu erreichen und welche politischen Maßnahmen sind notwendig, um die Gerechtigkeit im Gesundheitssystem langfristig zu sichern?

Die zukünftige Ausgabenpolitik muss sich an der Einkommensentwicklung orientieren, um die Belastung durch Sozialbeiträge nicht weiterhin überproportional zu steigern. Die Zuweisungen für vulnerable Gruppen sind zu gering, was Risikoselektionsanreize für Krankenkassen schafft. Eine Reform könnte die Aufnahme zusätzlicher Risikomerkmale im RSA bringen. Zudem müssen zukünftige politische Maßnahmen sicherstellen, dass Ressourcen effektiv eingesetzt werden, indem die Ausgabenpolitik an der Einkommensentwicklung orientiert wird. Überflüssige Strukturen im Gesundheitswesen Das Gesundheitswesen umfasst alle Einrichtungen, die die Gesundheit der Bevölkerung erhalten,… müssen abgebaut werden. Das Wirtschaftlichkeitsgebot Das Wirtschaftlichkeitsgebot ist wie das Gebot der Qualität ein wesentlicher Maßstab für die… ist einzuhalten, damit die Beitragsgelder der Solidargemeinschaft zielgenau, effektiv und effizient eingesetzt werden. So kann die Belastung durch Sozialbeiträge fair verteilt werden.

Herr Schreiner, wir bedanken uns an dieser Stelle für den interessanten Einblick in die Herausforderungen der Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung. Wir freuen uns über ein Schlusswort von Ihnen.

Ich wünsche mir, dass die künftige Regierung trotz der vielfältigen Probleme und Herausforderungen, die unser Land aktuell zu meistern hat, die Situation der gesetzlichen Krankenversicherung weit oben auf die Agenda nimmt. Die Ausgaben für Gesundheit sind Im EU-Vergleich in Deutschland am höchsten, die Belastung der Beitragszahlenden entsprechend hoch, aber die Bürgerinnen und Bürger erleben immer mehr, dass die Qualität ist ein zentrales Versorgungsziel der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Im Rahmen der… der Versorgung und der flächendeckende Zugang zu Gesundheitsangeboten unzureichend ist. Das muss sich ändern.

Porträt: Jan Rößler, Pressesprecher AOK Rheinland-Pfalz/Saarland
Pressesprecher

Jan Rößler

AOK Rheinland-Pfalz/Saarland