„Nichts beschönigen, daraus lernen“
Eine Arbeitsgruppe im Unternehmensbereich Markt hat sich daher bei der AOK PLUS mit dem Phänomen beschäftigt und den Anstoß gegeben: Zum Kulturwandel im Unternehmen gehört eine neue Fehlerkultur. Denn wenn es gelingt, Fehler nicht mit „Angst“ sondern mit „Chance“ zu assoziieren, ist der Blick in Richtung Zukunft gerichtet. „Wenn es gelingt, Schwachstellen in den Prozessen zu erkennen und offen anzusprechen, können wir künftige Fehler verhindern. Wir suchen nicht nach Sündenböcken, sondern entwickeln unsere Prozesse weiter“, erläutert Simone Pfretzschner, Regionalgeschäftsführerin der Region Gera/Plauen und Leiterin der Arbeitsgruppe.
Klar, Fehler sind nie ganz vermeidbar. Daher muss der Umgang mit Fehlern auf zwei Ebenen betrachtet werden, zum einen das Vermeiden, bevor ein Fehler passiert, zum anderen das Lernen aus einem Fehler, der bereits geschehen ist. So können durch den Aufbau von Fachwissen an Schnittstellen Fehler vermieden werden. Hintergrund ist der gleiche Wissenstand bei allen Beteiligten sowie ein dadurch bedingtes gegenseitiges Verständnis für aktuelle Teamsituationen und anstehende Herausforderungen. Für die Lernkultur ist es wichtig, einen lösungsorientierten Umgang mit Fehlern aufzubauen. „Die Absicherungsmentalität überwinden, offen mit Fehlern umgehen und Schuldzuweisungen nicht mehr zulassen“, fordert daher Pfretzschner. Grundlage dafür ist ein wertschätzendes und vertrauensvolles Klima.
Interview: Fehler passieren – entscheidend ist der Umgang damit
Zum Kulturwandel im Unternehmen gehört eine neue Fehlerkultur. Was das bedeutet erklärt Ottmar Walz, Geschäftsführer Markt der AOK PLUS im Interview mit Rico Schubert.
Schubert: Wie gehen sie damit um, wenn im Team jemand einen Fehler macht?
Walz: Grundsätzlich, Fehler werden nicht verschwiegen. Positive Fehlerkultur heißt reden, um auch Verbesserungen daraus ziehen können. Oft genug werden Fehler nicht thematisiert. Das passiert auch Führungskräften, denen es unangenehm ist, mal eine negative Rückmeldung zu geben. Das halte ich für falsch, denn man vergibt die Chance sich weiter zu entwickeln. Fehler ansprechen, heißt nicht zu verurteilen. Dafür ist Feedback da. Eine Rückmeldung zu geben, wenn es mal nicht so gut gelaufen ist - das kann man in einem anständigen Ton und wertschätzend machen. Bestenfalls mit einem Hinweis, wie es besser gehen könnte.
Schubert: Spielt es eine Rolle in der Beurteilung, ob es ein „großer“ oder ein „kleiner“ Fehler war?
Walz: Das spielt keine Rolle. Es geht um Feedback, was sehe ich, was erlebe ich mit anderen. Der Begriff ist ja auch falsch: Was ist denn ein verzeihlicher Fehler und was nicht? Ich halte es für falsch, das an der Größe der Auswirkungen festzumachen. Wie ist es denn, wenn ein Arzt einen Fehler macht, bei dem es um Leben und Tod geht? Auch wenn das Thema Qualitätsmanagement im Krankenhaus ein anders sein wird, als etwa im Marketingbereich. Entscheidend ist die Reaktion darauf, wie man beim nächsten Mal mit der Situation umgeht.
Schubert: Für eine positive Fehlerkultur sei es gut die Grundlagen schriftlich nieder zu legen, damit es für den Mitarbeiter verbindlich wird. Das sei wichtig, sagen Studien.
Walz: Deswegen hat sich eine Arbeitsgruppe mit der Fehlerkultur im UB Markt beschäftigt. Die Ergebnisse liegen jetzt vor. Mit diesem Projekt appellieren wir in die Mannschaft: Lasst Fehler zu, geht anständig damit um, lernt daraus. Aber das dürfen eben nicht nur Worte sein, sondern wir handeln auch so – und lassen uns an solchen Aussagen messen.
Teil des Auftrags war, dass da anfassbare und umsetzbare Maßnahmen herauskommen. Es geht eben nicht nur um Schönwetterreden, und dann gibt es Situationen, in denen die Menschen das Gegenteil erleben. Daher ist wichtig, dass insbesondere für die Führungskräfte, aber auch im Kollegenkreis untereinander, ein Handlungsleitfaden bereitsteht.
Die Gruppe hat einen Prozess für den Umgang mit Fehlern erarbeitet. Methoden wie Fuckup-Night (jeder erzählt über seinen größten Fehler) oder Retrospektiven oder die Chance der Woche werden empfohlen – das sind anfassbare und für den Mitarbeiter erlebbare Formate, die Scheitern und Fehler transparent machen können und woraus ein Lernprozess entsteht. Das ist wichtig, es handelt sich eben nicht nur um Worte. Unsere Mitarbeiter können darauf vertrauen.
Schubert: Wie sollte sich das Arbeitsumfeld des Einzelnen als Mitarbeiter verändern, damit aus Fehlern besser gelernt werden kann?
Walz: Ich würde mir wünschen, dass die Mitarbeiter den Führungskräften auch einen Vertrauensvorschuss dahingehend geben und einfach probieren, Fehler zu berichten. Das darf dann natürlich nicht enttäuscht werden.