Gesetzliche Regelung oder Tarifvertrag?
Die gesetzlichen Regelungen über die Höhe des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung befinden sich im Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG). Von diesen Vorschriften darf nicht zum Nachteil der Beschäftigten abgewichen werden. Das EFZG lässt allerdings ausdrücklich zu, dass durch einen Tarifvertrag eine von den gesetzlichen Regelungen abweichende Bemessungsgrundlage des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts festgelegt werden kann. Sie kann sowohl den Geldfaktor als auch den Zeitfaktor betreffen.
Betriebsvereinbarungen oder einzelne Arbeitsverträge können solche vom Gesetz abweichenden Regelungen nicht festlegen. Es kann aber im Geltungsbereich eines entsprechenden Tarifvertrags die Anwendung seiner Bestimmungen über die Höhe der Entgeltfortzahlung auch zwischen nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Beschäftigten vereinbart werden.
Fortzuzahlendes Arbeitsentgelt
Für die Entgeltfortzahlung gilt das Entgeltausfallprinzip: Der Arbeitgeber zahlt bei Arbeitsunfähigkeit seiner Beschäftigten für längstens sechs Wochen das Arbeitsentgelt weiter, das in dieser Zeit bei Arbeitsfähgkeit erzielt worden wäre.
- Tariferhöhungen während der Arbeitsunfähigkeit wirken sich folglich auf die Höhe der Entgeltfortzahlung aus.
- Dies gilt ebenso für Veränderungen im Beschäftigungsverhältnis. So werden beispielsweise vereinbarte Arbeitszeitveränderungen, die während der Arbeitsunfähigkeit eines oder einer Beschäftigten eintreten, bei der Höhe des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts berücksichtigt.
- Auch ein Statuswechsel von der Ausbildung in ein Beschäftigtenverhältnis wirkt sich auf die Höhe des fortzuzahlenden Arbeitsentgelts aus.
Fortzuzahlen sind alle Bezüge, die Beschäftigte in der für sie maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit erzielt hätten – und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sie steuer- und beitragspflichtig sind. Hierzu gehören insbesondere das nach Zeit oder Arbeitsleistung bemessene Arbeitsentgelt und die Ausbildungsvergütung. Auch Zuschläge für Sonn-, Feiertags- oder Nachtarbeit, wenn zu den entsprechenden Zeiten die Arbeit ausgeübt worden wäre, zählen zum fortzuzahlenden Arbeitsentgelt. Ebenso sind Zuwendungen für eine Altersversorgung fortzuzahlen.
Nicht fortzuzahlen sind:
- Auslagenersatz
- Auslösungen
- Schmutzzulagen
- Fahrkostenzuschüsse (oder ähnliche Leistungen, die an tatsächlich entstandene Aufwendungen der Beschäftigten anknüpfen)
- Überstundenvergütungen (Grundvergütung und Überstundenzuschlag)
- Einmalzahlungen wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld
Berechnung der Entgeltfortzahlung
Für die Berechnung der Entgeltfortzahlung an erkrankte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist nicht das Bruttoarbeitsentgelt im Sinne des Lohnsteuer- und Sozialversicherungsrechts maßgebend, sondern das Bruttoarbeitsentgelt im Sinne des Arbeitsrechts. Dies bedeutet, dass beispielsweise auch Sonn-, Feiertags- und Nachtzuschläge zum fortzuzahlenden Arbeitsentgelt gehören können.
Ausgangsbasis für die Entgeltfortzahlung an Beschäftigte ist stets die regelmäßige Arbeitszeit, in der wegen bestehender Arbeitsunfähigkeit nicht gearbeitet werden kann.
Ist das Arbeitsentgelt nach Monaten bemessen, ist eine Umrechnung erforderlich, wenn Arbeitsentgelt nur für einen Teil des Monats zu zahlen ist – vor allem also dann, wenn die Entgeltfortzahlung im Lauf eines Monats endet und die Arbeit anschließend nicht sofort wiederaufgenommen wird. In solchen Fällen ist bei der Umrechnung – vorbehaltlich anderer Umrechnungsmethoden (zum Beispiel aufgrund des Tarifvertrags) – nach folgender Formel vorzugehen:
(Monatsentgelt x Zahl der Arbeitstage der Entgeltfortzahlung) / Zahl der Arbeitstage des jeweiligen Monats |
Beispiel: Berechnung der Entgeltfortzahlung
Monatliches Gehalt | 3.000 € |
Arbeitsunfähigkeit | 1.7. bis 31.8. |
Entgeltfortzahlung | 1.7. bis 11.8. |
Juli 2022 | 21 Arbeitstage |
1. bis 11.8. | 9 Arbeitstage |
Höhe der Entgeltfortzahlung | |
---|---|
Juli | 3.000 € |
August | 3.000 € x 9/23 = 1.173,91 € |
Wird die Arbeitsleistung nach Stunden bezahlt, ist die Entgeltfortzahlung aus den durch die Arbeitsunfähigkeit ausgefallenen Stunden und dem Stundenlohn zu berechnen.
Beispiel: Berechnung bei Stundenlohn
Stundenlohn | 16 € |
Regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit | 5 x 8 Stunden = 40 Stunden |
Arbeitsunfähigkeit | 1.7. bis 31.8. |
Entgeltfortzahlung | 1.7.bis 11.8. |
Juli | 21 Arbeitstage |
1. bis 11.8.2022 | 9 Arbeitstage |
Höhe der Entgeltfortzahlung | |
---|---|
Juli | 21 x 8 x 16 € = 2.688 € |
August | 9 x 8 x 16 € = 1.152 € |
Manche Beschäftigte erhalten von ihrem Arbeitgeber ein Leistungsentgelt gezahlt (beispielsweise Akkordlohn, Provision, Leistungszulage). Ist für diese Beschäftigten Entgeltfortzahlung zu leisten, richtet sie sich nach dem in der regelmäßigen Arbeitszeit erzielbaren Durchschnittsverdienst.
In der Praxis ist das durch Arbeitsunfähigkeit entfallene Leistungsentgelt aber kaum exakt festzustellen. Daher wird in der Regel ein Vergleich erforderlich: Was hätte der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin erzielt, wenn er oder sie nicht erkrankt wäre?
Dazu ist die Methode zu wählen, die dem Entgeltausfallprinzip am ehesten gerecht wird. Hierbei ist grundsätzlich vom Arbeitsentgelt eines gleichartig beschäftigten Arbeitnehmers auszugehen. Ist das nicht möglich, ist der in der Vergangenheit erzielte Durchschnittsverdienst zugrunde zu legen. Basis hierfür sollte der letzte abgerechnete Entgeltabrechnungszeitraum sein.
Beispiel: Berechnung bei Akkordlohn
Die Arbeitnehmerin erhält einen monatlichen Akkordlohn. Sie arbeitet in einer Akkordgruppe, die aus insgesamt zwei Beschäftigten besteht. Bei Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers oder einer Arbeitnehmerin aus der Akkordgruppe ist der erzielte Akkordlohn des oder der nicht erkrankten Beschäftigten als Entgeltfortzahlung zu leisten.