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BFH 11.11.2020 - XI R 41/18
BFH 11.11.2020 - XI R 41/18 - Rücknahme der Gestattung der sog. Ist-Besteuerung im Gründungsjahr
Normen
§ 1 Abs 1 Nr 1 UStG 2005, § 13 Abs 1 Nr 1 Buchst a S 4 UStG 2005, § 16 Abs 1 S 1 UStG 2005, § 18 Abs 2 S 4 UStG 2005, § 19 Abs 3 S 3 UStG 2005, § 19 Abs 3 S 4 UStG 2005, § 20 Abs 1 S 1 Nr 1 UStG 2005, § 20 Abs 2 UStG 2005, § 47 Abs 3 UStDV 2005, § 5 AO, § 130 Abs 1 AO, § 130 Abs 2 Nr 3 AO, § 130 Abs 2 Nr 4 AO, § 148 AO, Art 66 EGRL 112/2006, § 20 S 1 Nr 1 UStG 2005, § 20 S 1 Nr 2 UStG 2005, § 20 S 1 Nr 3 UStG 2005, UStG VZ 2011, UStG VZ 2012, § 180 S 2 ZPO, § 176 Abs 2 ZPO
Vorinstanz
vorgehend FG München, 25. Oktober 2018, Az: 14 K 2375/16, Urteil
Leitsatz
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1. Der für die Gestattung der sog. Ist-Besteuerung maßgebende Gesamtumsatz (§ 20 Satz 1 Nr. 1 UStG) ist nach den voraussichtlichen Verhältnissen des Gründungsjahres zu bestimmen, wenn der Unternehmer seine unternehmerische Tätigkeit erst im laufenden Jahr begonnen hat. Für diese Prognose ist ein Gesamtumsatz nach den Grundsätzen der sog. Soll-Besteuerung zu schätzen.
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2. § 130 Abs. 2 Nr. 3 AO enthält ermessenslenkende Vorgaben; eine abwägende Stellungnahme des Finanzamts zur Rücknahme des durch falsche Angaben erwirkten rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts ist nicht erforderlich, wenn der Begünstigte von der Unrichtigkeit seiner Angaben wusste oder zumindest hätte wissen können und müssen.
Tenor
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Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts München vom 25.10.2018 - 14 K 2375/16 wird als unbegründet zurückgewiesen.
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Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
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A.
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Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GbR, die am 20.09.2011 gegründet wurde. Der Fragebogen zur steuerlichen Erfassung, der am 10.10.2011 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) eingegangen ist, weist Umsätze für das Jahr der Betriebseröffnung und für das Folgejahr in geschätzter Höhe von 30.000 € bzw. 100.000 € aus. Dem Antrag der Klägerin, die Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten (sog. Ist-Besteuerung) nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in der für das Jahr 2011 geltenden Fassung (a.F.) zu gestatten, entsprach das FA (Bescheid vom 15.12.2011 unter Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs). Es ging davon aus, dass der auf einen Jahresbetrag umgerechnete Gesamtumsatz des laufenden Kalenderjahres voraussichtlich nicht mehr als 500.000 € betragen werde.
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Mit Vertrag vom 15.11.2011 verpflichtete sich die Klägerin gegenüber der … GmbH (A), als Generalunternehmerin eine Photovoltaikanlage zu errichten. Von der vereinbarten Gesamtvergütung in Höhe von 1.258.000 € zzgl. Umsatzsteuer waren nach der Montage aller Module auf den Modultischen 450.000 €, nach der Installation der Wechselrichterstation mit Vorbereitung für den Netzanschluss weitere 450.000 € und nach einem Probebetrieb von 10 Monaten die restlichen 358.000 € zu zahlen. Die Teilbeträge sollten jeweils nur insoweit zur Zahlung fällig werden, als sie von A aus den laufenden Einnahmen der Stromeinspeisung beglichen werden konnten. Als spätester Zeitpunkt für die Inbetriebnahme der Photovoltaikanlage war der 31.12.2011 festgelegt.
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Die Klägerin stellte A unter dem 19.12.2011 für die (im Jahr 2011 erfolgte) Montage aller Module auf den Modultischen 450.000 € zzgl. 85.500 € Umsatzsteuer in Rechnung. Hierauf ging am 21.12.2011 auf dem Konto der Klägerin eine Gutschrift in Höhe von 77.350 € ein.
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Die Klägerin reichte am 27.03.2012 und am 11.06.2012 Umsatzsteuererklärungen für das Jahr 2011 ein. Sie gab Umsätze zu 19 % in Höhe des vereinnahmten Entgelts von (netto) 65.000 € an und ermittelte eine Steuervergütung von 54.186,98 €. Dieser Erklärung stimmte das FA nicht zu.
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Nach einer Außenprüfung nahm das FA mit Bescheid vom 08.08.2012 die Gestattung der Ist-Besteuerung nach § 130 Abs. 2 Nr. 3 und 4 der Abgabenordnung (AO) rückwirkend zurück. Es ermittelte die Umsatzsteuer nach vereinbarten Entgelten (sog. Soll-Besteuerung) und setzte mit Bescheid vom 23.08.2012 die Umsatzsteuer für das Jahr 2011 auf 66.499,96 € fest. Dabei ging es von Umsätzen zu 19 % mit einer Bemessungsgrundlage von 450.000 € aus.
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Das FA setzte die Umsatzsteuer für das Jahr 2012, die es ebenso nach vereinbarten Entgelten ermittelt hatte, mit Bescheid vom 21.03.2014 auf 142.770,87 € fest. Hiergegen legte die Klägerin gleichfalls Einspruch ein.
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Mit Einspruchsentscheidung vom 13.07.2016 wies das FA die Einsprüche als unbegründet zurück. Die Gestattung sei rechtswidrig gewesen, weil der nach § 19 Abs. 3 UStG zu berechnende Gesamtumsatz im Jahr 2011 mehr als 500.000 € betragen habe; dabei könne dahinstehen, ob die Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 Nr. 3 AO vorlägen, weil jedenfalls § 130 Abs. 2 Nr. 4 AO einschlägig sei.
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Im Verlauf des finanzgerichtlichen Klageverfahrens gab der Geschäftsführer der Klägerin u.a. an, dass es für die Angabe im Fragebogen (Summe der Umsätze des Jahres 2011: 30.000 €) keine konkrete Grundlage gegeben habe.
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Das Finanzgericht (FG) München wies die Klage mit seinem Urteil vom 25.10.2018 - 14 K 2375/16, das in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2019, 485 veröffentlicht ist, als unbegründet ab. Das Urteil wurde der Prozessbevollmächtigten der Klägerin ausweislich der Zustellungsurkunde am 10.11.2018 durch Einlegen in den Briefkasten zugestellt, ohne dass der Zusteller das Datum der Zustellung auf dem Umschlag vermerkt und seine Unterschrift hinzugefügt hätte.
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Die Klägerin legte gegen das Urteil des FG durch Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 11.12.2018, das beim Bundesfinanzhof (BFH) noch am selben Tag eingegangen ist, Revision ein.
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Der erkennende Senat hat mit Beschluss vom 23.09.2020 - XI R 41/18 das Verfahren wegen Umsatzsteuer für 2011 und 2012 gemäß § 121 Satz 1 i.V.m. § 73 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) abgetrennt. Es wird unter dem Az. XI R 28/20 fortgeführt.
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Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
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Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung vom 13.07.2016, soweit sie die Rücknahme der Gestattung der Ist-Besteuerung betreffen, sowie den Bescheid über die Rücknahme der Gestattung der Ist-Besteuerung vom 08.08.2012 aufzuheben.
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Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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B.
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Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet und deshalb gemäß § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen.
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I. Die Revision ist zulässig. Sie ist am 11.12.2018 und damit innerhalb der Frist des § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO eingelegt worden.
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1. Nach § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO ist die Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich beim BFH einzulegen. Die Revisionsfrist beginnt nach § 54 Abs. 2 FGO i.V.m. § 222 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 187 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs mit Ablauf des Tages, an dem die Zustellung erfolgt ist.
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a) Wählt das Gericht den Weg der Zustellung durch Zustellungsauftrag i.S. des § 53 Abs. 2 FGO i.V.m. § 176 ZPO, ist bei einer dann nach § 176 Abs. 2, § 180 ZPO zulässigen Ersatzzustellung die Zustellung grundsätzlich mit der Einlegung des Schriftstücks in den Briefkasten bewirkt (§ 180 Satz 2 ZPO). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass u.a. der Zusteller auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks das Datum der Zustellung vermerkt (§ 180 Satz 3 ZPO). Dieser Vermerk gehört zu den zwingenden Zustellungsvorschriften i.S. des § 189 ZPO. Fehlt dieser Vermerk, liegt ein Zustellungsmangel vor, der zur Unwirksamkeit der Zustellung führt (vgl. BFH-Beschlüsse vom 19.01.2005 - II B 38/04, BFH/NV 2005, 900, unter II.1.; vom 19.09.2007 - VI B 151/06, BFH/NV 2007, 2332, unter 1.; BFH-Urteile vom 21.09.2011 - I R 50/10, BFHE 235, 255, BStBl II 2012, 197, Rz 9; vom 28.07.2015 - VIII R 2/09, BFHE 251, 162, BStBl II 2016, 447, Rz 18).
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b) Verstößt eine Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten gegen zwingende Zustellungsvorschriften, weil --wie hier-- der Zusteller entgegen § 180 Satz 3 ZPO auf dem Umschlag des zuzustellenden Schriftstücks das Datum der Zustellung nicht vermerkt hat, ist das zuzustellende Dokument i.S. des § 189 ZPO in dem Zeitpunkt dem Empfänger tatsächlich zugegangen, in dem er das Schriftstück in die Hand bekommt (vgl. BFH-Beschluss vom 06.05.2014 - GrS 2/13, BFHE 244, 536, BStBl II 2014, 645, Rz 78; so auch BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2005, 900, unter II.1.; in BFH/NV 2007, 2332, unter 1.; BFH-Urteile in BFHE 235, 255, BStBl II 2012, 197, Rz 9; in BFHE 251, 162, BStBl II 2016, 447, Rz 20; Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12.09.2019 - IX ZR 262/18, Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht 2019, 1465, Rz 31). Im Streitfall ist dies erst am 12.11.2018, einem Montag, geschehen. Die am 11.12.2018 beim BFH eingegangene Revision wurde mithin innerhalb der mit Ablauf des 12.12.2018 endenden Frist des § 120 Abs. 1 Satz 1 FGO eingelegt.
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2. Danach kommt es auf die von der Klägerin hilfsweise beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand i.S. des § 56 Abs. 2 Satz 1 FGO nicht an.
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II. Die Revision ist jedoch unbegründet. Das FG hat zu Recht dahin erkannt, dass die Rücknahme der Gestattung der Ist-Besteuerung vom 15.12.2011 mit Bescheid vom 08.08.2012 (bestätigt durch Einspruchsentscheidung vom 13.07.2016) rechtmäßig ist.
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1. Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann gemäß § 130 Abs. 1 AO, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
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a) Die Gestattung nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 UStG a.F. (seit dem 01.01.2012: § 20 Satz 1 Nr. 1 UStG), die Steuer nicht nach den vereinbarten, sondern nach den vereinnahmten Entgelten zu berechnen, ist ein Verwaltungsakt, auf den § 130 Abs. 1 AO anwendbar ist (vgl. z.B. Bunjes/Korn, UStG, 19. Aufl., § 20 Rz 30; Frye in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 20 Rz 213; Michel in Offerhaus/Söhn/Lange, § 20 UStG Rz 191; Schüler-Täsch in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 20 Rz 80).
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b) Rechtswidrig i.S. des § 130 Abs. 1 AO ist ein Verwaltungsakt, wenn bei seinem Erlass von einem tatsächlich nicht gegebenen Sachverhalt ausgegangen oder das im Zeitpunkt seines Erlasses geltende Recht unrichtig angewandt worden ist (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 09.12.2008 - VII R 43/07, BFHE 223, 344, BStBl II 2009, 344, unter II.1., Rz 12, m.w.N.).
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2. Die Gestattung der Ist-Besteuerung mit Bescheid des FA vom 15.12.2011 war rechtswidrig; die Voraussetzungen für eine Ist-Besteuerung nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 UStG a.F. waren nach der im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung vom 13.07.2016 bestehenden Sach- und Rechtslage (z.B. BFH-Urteil vom 10.03.2016 - III R 2/15, BFHE 253, 12, BStBl II 2016, 508, Rz 21) von Anfang an nicht gegeben.
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a) Das FA kann nach § 20 Satz 1 Nr. 1 UStG auf Antrag gestatten, dass der Unternehmer die Steuer nicht nach den vereinbarten Entgelten (§ 16 Abs. 1 Satz 1 UStG), sondern nach den vereinnahmten Entgelten berechnen darf (Ist-Besteuerung), wenn dessen Gesamtumsatz (§ 19 Abs. 3 UStG) im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 500.000 € (seit dem 01.01.2020: 600.000 €) betragen hat.
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aa) Unionsrechtlich beruht § 20 UStG auf Art. 66 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL). Die Mitgliedstaaten können danach regeln, dass --abweichend von Art. 63 MwStSystRL, wonach Steuertatbestand und Steueranspruch grundsätzlich zu dem Zeitpunkt eintreten, zu dem die Lieferung von Gegenständen bewirkt oder die Dienstleistung erbracht wird-- der Steueranspruch für "bestimmte Umsätze" oder für "Gruppen von Steuerpflichtigen" entweder spätestens bei der Ausstellung der Rechnung entsteht oder spätestens bei der Vereinnahmung des Preises.
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Von diesem Wahlrecht hat der nationale Gesetzgeber mit § 20 UStG nur teilweise Gebrauch gemacht. Der Zeitpunkt der Steuerentstehung nach § 20 Satz 1 UStG richtet sich nur nach der Vereinnahmung des Entgelts und nicht nach der Ausstellung der Rechnung. Auch sind nur Gruppen von Steuerpflichtigen erfasst, nämlich die in § 20 Satz 1 UStG näher bezeichneten Unternehmer. Die nationale Regelung der Ist-Besteuerung in § 20 UStG entspricht jedoch den Vorgaben des Unionsrechts (vgl. BFH-Urteil vom 22.07.2010 - V R 4/09, BFHE 231, 260, BStBl II 2013, 590, Rz 31 ff. - wenn auch zu Art. 10 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern --Richtlinie 77/388/EWG-- und in Bezug auf § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG a.F.; z.B. Michel in Offerhaus/Söhn/Lange, § 20 UStG Rz 28; Frye in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 20 Rz 40.3; Friedrich-Vache in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 20 Rz 6; Lippross, Umsatzsteuer, 24. Aufl., S. 1184).
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bb) Gesamtumsatz ist gemäß § 19 Abs. 3 Satz 1 UStG die Summe der vom Unternehmer ausgeführten steuerbaren Umsätze i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG abzüglich bestimmter den Streitfall nicht betreffender steuerfreier Umsätze. Soweit der Unternehmer die Steuer nach vereinnahmten Entgelten berechnet (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG oder § 20 UStG), ist auch der Gesamtumsatz nach diesen Entgelten zu berechnen (§ 19 Abs. 3 Satz 2 UStG). Hat der Unternehmer --wie hier die Klägerin-- seine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nur in einem Teil des Kalenderjahres ausgeführt, ist der tatsächliche Gesamtumsatz in einen Jahresumsatz umzurechnen (§ 19 Abs. 3 Satz 3 UStG). Angefangene Kalendermonate sind bei der Umrechnung als volle Kalendermonate zu behandeln, es sei denn, dass die Umrechnung nach Tagen zu einem niedrigeren Jahresgesamtumsatz führt (§ 19 Abs. 3 Satz 4 UStG).
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cc) Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, dass es nicht auf die Verhältnisse des vorangegangenen, sondern auf die voraussichtlichen Verhältnisse des laufenden Kalenderjahres ankommt, wenn der Unternehmer seine unternehmerische Tätigkeit erst in diesem Jahr aufgenommen hat.
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(1) § 20 Satz 1 Nr. 1 UStG stellt im Hinblick auf die Gestattung der Besteuerung nach vereinnahmten Entgelten auf den Gesamtumsatz i.S. des § 19 Abs. 3 UStG im vorangegangenen Kalenderjahr ab. Der Fall, dass die unternehmerische Tätigkeit erstmals im Laufe eines Jahres aufgenommen wird, ist gesetzlich nicht geregelt; weder § 20 UStG noch § 19 Abs. 3 UStG verhalten sich dazu. Im Jahr der erstmaligen Aufnahme der gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit liegt kein Vorjahresumsatz vor, so dass --was ständiger Rechtspraxis entspricht und allgemein anerkannt ist (vgl. z.B. Michel in Offerhaus/Söhn/Lange, § 20 UStG Rz 92)-- für die Umsatzgrenze auf den voraussichtlichen Gesamtumsatz des laufenden Jahres abzustellen ist. Für das Jahr der Neugründung kommt es mithin darauf an, welche Umsätze der Unternehmer voraussichtlich erzielen wird (vgl. ebenso FG des Landes Brandenburg, Urteil vom 13.01.2004 - 1 K 3045/02, EFG 2004, 857, Rz 16; einhellige Meinung in der Literatur, vgl. z.B. Bunjes/Korn, a.a.O., § 20 Rz 12; Frye in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 20 Rz 159; Michel in Offerhaus/Söhn/Lange, § 20 UStG Rz 92; Schüler-Täsch in Sölch/Ringleb, a.a.O., § 20 Rz 34; BeckOK UStG/Müller, 26. Ed. [05.10.2020], § 20 Rz 49; Friedrich-Vache in Reiß/Kraeusel/Langer, UStG § 20 Rz 11; Stadie, Umsatzsteuergesetz, 3. Aufl., § 20 Rz 12; Fritsch in Fritsch/Huschens/Koisiak/Langer, UStG - eKommentar, Fassung vom 01.01.2020, § 20 Rz 6; Henseler in Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, § 20 Rz 13; Mrosek in Wäger, UStG, 1. Aufl., § 20 Rz 18; Lippross, a.a.O., S. 1185). Dies entspricht auch der Verwaltungsauffassung (vgl. Abschn. 20.1 Abs. 4 Satz 2 des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses) sowie der Regelung für die Sondervorauszahlung bei Dauerfristverlängerung in Neugründungsfällen nach § 18 Abs. 2 Satz 4 UStG i.V.m. § 47 Abs. 3 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) und der hinsichtlich der Besteuerungszeiträume 2021 bis 2026 zeitlich befristeten Regelung in § 18 Abs. 2 Satz 6 Halbsatz 2 UStG zur Abgabe monatlicher Voranmeldungen im Jahr der Gründung und im Folgejahr. Außerdem gilt für die Besteuerung von Kleinunternehmern (§ 19 UStG) im Hinblick auf den gleichfalls gesetzlich nicht geregelten Fall, dass der Unternehmer seine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit im Laufe eines Kalenderjahres neu aufnimmt, nichts anderes (vgl. BFH-Urteil vom 22.11.1984 - V R 170/83, BFHE 142, 316, BStBl II 1985, 142; BFH-Beschlüsse vom 18.10.2007 - V B 164/06, BFHE 219, 400, BStBl II 2008, 263, unter II.2.b, Rz 18; vom 02.04.2009 - V B 15/08, BFH/NV 2009, 1284, unter II.3.b, Rz 13). Abweichendes ist auch Art. 66 MwStSystRL nicht zu entnehmen.
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(2) Der Senat folgt nicht der mit der Revision vorgetragenen Rechtsmeinung, dass bei jeder Unternehmensneugründung im Erstjahr stets die Voraussetzung für eine Ist-Besteuerung hinsichtlich der nach § 20 Satz 1 Nr. 1 UStG definierten Umsatzgrenze erfüllt wäre. Zwar trifft es zu, dass ein neugegründeter Betrieb hinsichtlich der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen nach § 7g Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) begünstigt ist, ohne dass es insoweit auf die Größenmerkmale i.S. des § 7g Abs. 6 Nr. 1 EStG ankäme, die der begünstigte Betrieb zum Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres nicht überschritten haben darf (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 21.07.1999 - I R 57/98, BFHE 190, 103, BStBl II 2001, 127, unter B.I.; s.a. Blümich/Brandis, § 7g EStG Rz 78; Schmidt/Kulosa, EStG, 39. Aufl., § 7g Rz 72). Dies ist auf § 20 Satz 1 Nr. 1 UStG jedoch nicht entsprechend zu übertragen. Diese Regelung soll "kleineren" Unternehmern Erleichterungen bei der Organisation ihrer Buchführung und finanzielle Vorteile durch Entrichtung der Steuer erst bei Zufluss der Entgelte bringen (vgl. z.B. Bunjes/Korn, a.a.O., § 20 Rz 9). Unternehmer, die bereits im Stadium der Neugründung des Unternehmens die betreffende Umsatzgrenze überschreiten, bedürfen dieser Erleichterungen indes nicht.
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(3) Danach ist es bei Neugründungen im Hinblick auf § 20 Satz 1 Nr. 1 UStG erforderlich, den Gesamtumsatz (§ 19 Abs. 3 UStG) bis zum 31.12. des Erstjahres --im Streitfall mithin bis zum 31.12.2011-- zu schätzen und diesen voraussichtlichen Gesamtumsatz entsprechend § 19 Abs. 3 Satz 3 UStG auf einen für das ganze Jahr prognostizierten Gesamtumsatz hochzurechnen.
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dd) Ferner hat das FG zu Recht dahin erkannt, dass in diesem Rahmen die Umsätze des Erstjahres nach den Grundsätzen der Soll-Besteuerung zu schätzen sind.
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(1) Das FG hat sich mit der Vorentscheidung sowie mit seinem Urteil in einem Parallelverfahren vom gleichen Tag (14 K 2379/16, juris) der vom FG des Landes Brandenburg vertretenen Auffassung (Urteil in EFG 2004, 857), dass bei Neugründungen die voraussichtlichen Umsätze nach der Soll-Besteuerung zu bestimmen sind, angeschlossen. Dem stimmt ein Teil der Literatur zu (vgl. z.B. Michel in Offerhaus/Söhn/Lange, § 20 UStG Rz 92; BeckOK UStG/Müller, a.a.O., § 20 Rz 49; ablehnend aber z.B. Frye in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 20 Rz 161; Friedrich-Vache in Reiß/Kraeusel/Langer, § 20 UStG Rz 11; Stadie, a.a.O., § 20 Rz 12; Radeisen in Schwarz/Widmann/Radeisen, UStG, § 20 Rz 54; Lippross, a.a.O., S. 1185).
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(2) Dieser Auffassung schließt sich der Senat an. Nach § 19 Abs. 3 Satz 2 UStG, der von § 20 Satz 1 Nr. 1 UStG in Bezug genommen wird, ist der maßgebliche Gesamtumsatz nach vereinnahmten Entgelten zu berechnen, soweit der Unternehmer die Steuer nach vereinnahmten Entgelten berechnet. Die Grundsätze der Ist-Besteuerung finden bei der Ermittlung des maßgeblichen Gesamtumsatzes nur in den Fällen der Anzahlung (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG) und bei bereits erteilter Gestattung gemäß § 20 UStG Anwendung. Letztere liegt aber --wie das FG zu Recht erkannt hat-- bei einem Antrag auf Ist-Besteuerung gerade noch nicht vor. Die Bedeutung des § 19 Abs. 3 Satz 2 UStG für einen regelbesteuerten Unternehmer erschöpft sich darin, ob er die ihm bisher genehmigte Besteuerungsart der Ist-Besteuerung weiterführen darf. Für eine Neugründung --wie hier-- ist diese Vorschrift dagegen bedeutungslos - die Ist-Besteuerung findet erst dann Anwendung, wenn sie das FA durch die ihm obliegende Ermessensentscheidung genehmigt hat. Anderenfalls hätte es der Steuerpflichtige selbst in der Hand, die für ihn im Einzelfall günstigere Form der Ist-Besteuerung durch faktische Ausübung herbeizuführen und damit die Genehmigungspflicht des § 20 UStG zu unterlaufen (vgl. FG des Landes Brandenburg, Urteil in EFG 2004, 857). Insoweit ist auch der unionsrechtlichen Grundlage (Art. 66 MwStSystRL) nichts zu entnehmen, das diesem Ergebnis entgegenstehen könnte.
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(3) Eine (nicht gewollte) Benachteiligung von Unternehmern bei Unternehmensneugründungen gegenüber solchen Unternehmern, die ihr Unternehmen bereits im Vorjahr betrieben haben (so Frye in Rau/Dürrwächter, a.a.O., § 20 Rz 161), liegt darin nicht. Denn auch bei Letzteren ist bei einem Antrag auf Ist-Besteuerung der Gesamtumsatz grundsätzlich nach der Soll-Besteuerung zu berechnen. Beide Fälle unterscheiden sich nur dadurch, dass es bei dem Neugründer --da es ein "Vorjahr" seiner unternehmerischen Tätigkeit nicht gibt-- auf die Verhältnisse des laufenden Jahres ankommt. Anderenfalls würde die mögliche Rechtsfolge der Ist-Besteuerung bereits bei der Prüfung ihrer Voraussetzungen berücksichtigt, was systematisch jedoch unzutreffend ist (a.A. Radeisen in Schwarz/Widmann/Radeisen, a.a.O., § 20 Rz 54).
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ee) Danach war für das Jahr 2011 nach der im Zeitpunkt der Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung vom 13.07.2016 bestehenden Sach- und Rechtslage ein höherer Gesamtumsatz i.S. des § 20 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 19 Abs. 3 UStG als 500.000 € zu erwarten.
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(1) Nach den für den Senat i.S. des § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG, gegen die zulässige und begründete Rügen nicht vorgebracht sind, war als spätester Zeitpunkt für die Inbetriebnahme der Photovoltaikanlage der 31.12.2011 vertraglich festgelegt. Bereits für die erste Teilleistung, die Montage der Module auf den Modultischen, war ein Entgelt in Höhe von (netto) 450.000 € vereinbart, das A am 19.12.2011 zzgl. 85.500 € Umsatzsteuer in Rechnung gestellt wurde. Zu Recht hat das FG erkannt, dass für die anzustellende Prognose allein die konkrete unternehmerische Planung hinsichtlich des laufenden Erstjahres entscheidend ist. Daher ist es ohne Belang, ob die von der Klägerin abgerechnete Leistung bereits am 15.12.2011 ausgeführt wurde, welchen Betrag die Klägerin unter dem 19.12.2011 in Rechnung gestellt und A am 21.12.2011 tatsächlich gezahlt hat. Es ist jedenfalls von einem voraussichtlichen Umsatz von September bis Dezember 2011 mit einer Bemessungsgrundlage in Höhe von (netto) 450.000 € auszugehen, so dass der auf das Gesamtjahr hochgerechnete maßgebliche Gesamtumsatz 1.350.000 € beträgt.
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(2) Es bedarf keiner Entscheidung dazu, ob bereits im Rahmen der nach § 20 Satz 1 Nr. 1 UStG erforderlichen Prognose über den Gesamtumsatz des Gründungsjahres zu berücksichtigen ist, dass der Unternehmer --wie hier die Klägerin im Hinblick auf die im Vertrag vom 15.11.2011 getroffene Fälligkeitsabrede-- möglicherweise berechtigt ist, den für dieses Jahr geschuldeten Betrag der nach vereinbarten Entgelten berechneten Steuer nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG zu berichtigen. Die den Grundsätzen der Soll-Besteuerung folgende Schätzung der Summe der vom Unternehmer ausgeführten steuerbaren Umsätze i.S. des § 19 Abs. 3 Satz 1 UStG, die er im Jahr der Neugründung voraussichtlich erzielt hätte, wenn die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht nur in einem Teil dieses Jahres ausgeübt worden wäre, beinhaltet jedenfalls keine vorweggenommene inzidente Prüfung der Steuerfestsetzung des Erstjahres; die für dieses Jahr voraussichtlich festzusetzende Steuer ist für die Gestattung i.S. des § 20 Satz 1 Nr. 1 UStG, ob der Unternehmer die Steuer nach den vereinnahmten Entgelten berechnen darf, nicht vorgreiflich.
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Im Streitfall hatte das FA im Rahmen der nach § 130 Abs. 1, § 130 Abs. 2 Nr. 3 und 4 AO zu treffenden Ermessensentscheidung über die rückwirkende Rücknahme der Gestattung der Ist-Besteuerung im Zeitpunkt der Bekanntgabe der letzten Verwaltungsentscheidung mit Einspruchsentscheidung vom 13.07.2016 nicht davon ausgehen müssen, dass im Falle der Vergütung der Leistung in Raten die Entgeltansprüche unmittelbar nach Leistungserbringung uneinbringlich geworden sein könnten. Denn die § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG betreffende Frage, ob die Mitgliedstaaten berechtigt sind, bereits für den Besteuerungszeitraum der Steuerentstehung von einer Berichtigung nach Art. 90 Abs. 1 MwStSystRL auszugehen, wenn der Steuerpflichtige den zu vereinnahmenden Betrag mangels Fälligkeit erst nach über zwei Jahren nach Eintritt des Steuertatbestands vereinnahmen kann, wurde erst im Rahmen einer Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) mit Beschluss des V. Senats des BFH vom 21.06.2017 - V R 51/16 (BFHE 258, 505, Rz 69 ff.) aufgeworfen. Sie ist im Übrigen bis heute noch nicht abschließend geklärt (zur erneuten EuGH-Vorlage vgl. BFH-Beschluss vom 07.05.2020 - V R 16/19, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, BFH/NV 2020, 1029).
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Soweit der BFH bereits mit Urteil vom 24.10.2013 - V R 31/12 (BFHE 243, 451, BStBl II 2015, 674, Leitsatz) entschieden hat, dass ein der Sollbesteuerung unterliegender Unternehmer seinen Entgeltanspruch aufgrund eines vertraglichen Einbehalts zur Absicherung von Gewährleistungsansprüchen über einen Zeitraum von zwei bis fünf Jahren nicht verwirklichen kann, bereits für den Voranmeldungszeitraum der Leistungserbringung zur Steuerberichtigung berechtigt ist, betrifft dies einen anderen Sachverhalt.
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(3) Das FA hatte bei der zu treffenden Entscheidung über die rückwirkende Rücknahme der Gestattung der Ist-Besteuerung ferner ebenso wenig zu berücksichtigen, dass die Steuer bei der Berechnung nach vereinbarten Entgelten bei ratenweiser Vergütung im Lichte des Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL möglicherweise abweichend von § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 1 und 2 UStG nicht mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen oder Teilleistungen ausgeführt worden sind, entstanden sein könnte, sondern erst mit Ablauf des Zeitraums, auf den sich die geleisteten Zahlungen beziehen (vgl. EuGH-Urteil baumgarten sports & more vom 29.11.2018 - C-548/17, EU:C:2018:970, Rz 30 f.; BFH-Urteil vom 26.06.2019 - V R 8/19 (V R 51/16), BFHE 265, 544, Rz 17). Denn da § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 3 UStG, die Legaldefinition der Teilleistung, nicht unionsrechtskonform auslegbar ist, setzt die Anwendung des Art. 64 Abs. 1 MwStSystRL (vormals Art. 10 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 77/388/EWG) voraus, dass der Steuerpflichtige sich auf die Vorschrift beruft (vgl. BFH-Urteile in BFHE 265, 544, Rz 16; vom 22.08.2019 - V R 47/17, BFHE 266, 407, Rz 24, noch zu Art. 10 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 77/388/EWG). Das aber hatte die Klägerin --soweit bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 20 Satz 1 Nr. 1 UStG überhaupt relevant-- nicht getan.
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b) Ferner kommt im Streitfall die Gestattung der Ist-Besteuerung nach § 20 Satz 1 Nr. 2 UStG oder § 20 Satz 1 Nr. 3 UStG nicht in Betracht. Insbesondere hat die Klägerin mit Blick auf § 20 Satz 1 Nr. 2 UStG --wie das FG für den Senat bindend i.S. des § 118 Abs. 2 FGO festgestellt hat-- keine Befreiung nach § 148 AO erhalten.
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3. Ein begünstigender Verwaltungsakt darf nur unter den weiteren Voraussetzungen des § 130 Abs. 2 AO, der die nach § 130 Abs. 1 AO eröffnete Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts mit Wirkung für die Zukunft oder Vergangenheit einschränkt, zurückgenommen werden. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
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a) Ein Verwaltungsakt, der --wie die Gestattung der Ist-Besteuerung-- ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf u.a. nur dann zurückgenommen werden, wenn ihn der Begünstigte durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren (§ 130 Abs. 2 Nr. 3 AO).
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Dabei müssen die Angaben des Begünstigten objektiv unrichtig oder unvollständig sein; auf ein vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln kommt es nicht an. Allerdings muss anzunehmen sein, dass das FA bei vollständiger Kenntnis des Sachverhalts den begünstigenden Verwaltungsakt nicht bzw. so nicht erlassen hätte. Deshalb müssen die unrichtigen oder unvollständigen Angaben für den Erlass des begünstigenden Verwaltungsakts von entscheidungserheblicher Bedeutung sein (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 13.07.1994 - I R 95/93, BFH/NV 1995, 935, unter II.1.; vom 02.08.2006 - XI R 57/04, BFH/NV 2007, 858, unter II.3.a; vom 22.08.2006 - I R 42/05, BFH/NV 2007, 404, unter II.2.c bb; Klein/Rüsken, AO, 15. Aufl., § 130 Rz 46; Loose in Tipke/Kruse, § 130 AO Rz 28 ff.; Wernsmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 130 AO Rz 69; jeweils m.w.N.).
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b) Im Streitfall war die Angabe, dass die geschätzte Summe der Umsätze für das Jahr der Betriebseröffnung 30.000 € betrage, unzutreffend. Hierfür gab es, wie das FG aufgrund der Einlassung des Geschäftsführers der Klägerin in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen festgestellt hat, keine Grundlage. Diese Angabe war für die Gestattung auch ursächlich, weil das FA die Gestattung bei vollständiger Kenntnis des Sachverhalts nicht erteilt hätte. Dies ergibt sich aus dem Hinweis des FA in seinem Bescheid vom 15.12.2011, dass es davon ausgehe, dass der Gesamtumsatz von 500.000 € im Jahr 2011 nicht überschritten werde.
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c) Es ist ohne Belang, dass das FA die Rücknahme in seiner Einspruchsentscheidung vom 13.07.2016 --anders als noch im Bescheid über die Rücknahme der Gestattung der Ist-Besteuerung vom 08.08.2012-- allein auf § 130 Abs. 2 Nr. 4 AO gestützt und das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 130 Abs. 2 Nr. 3 AO offen gelassen hat.
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aa) Die Entscheidung über die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts ist nach dem Wortlaut des § 130 Abs. 1 AO ("kann") eine Ermessensentscheidung der Finanzbehörde i.S. des § 5 AO, die grundsätzlich nur eingeschränkter gerichtlicher Nachprüfung unterliegt (§§ 102, 121 FGO).
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bb) § 130 Abs. 2 Nr. 3 AO enthält --wie auch § 130 Abs. 2 Nr. 4 AO (vgl. insoweit BFH-Urteil vom 26.06.2007 - VII R 35/06, BFHE 218, 10, BStBl II 2007, 742, unter II.4.)-- jedoch ermessenslenkende Vorgaben (sog. intendiertes Ermessen). Sie "intendiert" die Rücknahme des durch falsche Angaben erwirkten rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts dann, wenn der Begünstigte von der Unrichtigkeit seiner Angaben wusste oder zumindest hätte wissen können und müssen (vgl. BFH-Urteil vom 27.10.2009 - VII R 51/08, BFHE 227, 327, BStBl II 2010, 382, Rz 30; von Wedelstädt in Gosch, AO § 130 Rz 89; s.a. Wernsmann in HHSp, § 130 AO Rz 58; Loose in Tipke/Kruse, § 130 AO Rz 39; Klein/Rüsken, a.a.O., § 130 Rz 28). In diesem Fall ist die Rücknahme die nicht begründungsbedürftige Rechtsfolge des § 130 Abs. 1 i.V.m. § 130 Abs. 2 Nr. 3 AO; eine abwägende Stellungnahme des FA zur Rücknahme des rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsakts ist insoweit nicht erforderlich (zu § 130 Abs. 2 Nr. 4 AO vgl. BFH-Urteil in BFHE 218, 10, BStBl II 2007, 742, unter II.4.; Klein/Rüsken, a.a.O., § 130 Rz 28).
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
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